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Neue Blüte des Hollywood Sadcore Sounds

Wie eine verblühende Hollywood-Diva: Lana Del Rey

Es ist schon eine Ironie, dass Lana Del Rey, dieses aus der Zeit gefallene Geschöpf, selbst das beste Beispiel für die Schnelllebigkeit der modernen Popwelt ist. Mit gerade einmal 27 Jahren hat die New Yorkerin schon alle Stationen eines langen Musikerlebens durchlaufen: Sucht, Aufstieg, Fall. Nun soll das Comeback folgen. Die Alkoholabhängigkeit hat Lana Del Rey schon vor ihrer Karriere als Sängerin hinter sich gebracht. Mit 15 wird sie zur Reha aufs Internat nach Connecticut geschickt. Drei Jahre später zieht sie in die Bronx, versucht sich als Musikerin. Zwei Anläufe scheitern. Erst als sie sich als Lana Del Rey neu erfindet, kommt der Erfolg.


Der 2011 auf YouTube veröffentlichte Song "Video Games" wird zum Phänomen. Irgendwie trifft der Clip mit seinen grobkörnigen Bildern vom spätsommerlichen Hollywood den Nerv der Zeit: Man sieht junge Menschen, die in der Sonne herumtollen. Den Sunset-Strip. Dazwischen immer wieder Del Rey mit ihren riesigen Lippen und den noch größeren Augen. Sie wirkt jung, doch irgendwie "beyond her years", wie eine verblühende Hollywood-Diva, die alles hat, aber einsam ist. Mit sonorer Stimme schwärmt sie von ihrem biertrinkenden, Video-Spiel-vernarrten Lover: "Heaven is a place on earth with you." Was, fragt man sich, hat eine so elegante Frau in einer White-Trash-Beziehung verloren? Und warum wirkt sie unendlich traurig?


Es sind die kleinen Mysterien, die Del Rey so interessant machen. Kritiker verlieben sich in die Newcomerin, das Formatradio auch. Bald ist ein Wort für die elegische Traurigkeit ihrer Musik gefunden: Hollywood Sadcore. Alle warten auf die folgende Platte - doch die enttäuscht. "Born to Die" ist über weite Strecken seicht. Den Plattenverkäufen schadet das nicht. Dank radiotauglicher Singles wie "Blue Jeans" und "Born to Die" wird das Album sieben Millionen Mal verkauft. Del Reys Ruf ist angekratzt, doch ihr Stern ist noch lange nicht verglüht. Ihr Frauenbild mag rückschrittlich sein, doch Verunsicherung und Verlorenheit sind authentisch. Was bislang fehlte, war ein fähiger Produzent, der das Konzept musikalisch adäquat umsetzt. Der ist nun mit Dan Auerbach gefunden. Er, der mit seiner Band The Black Keys den Blues-Rock kommerziell erfolgreich wiederbelebte, befreit Del Reys neues Album "Ultraviolence" von den synthetischen Beats des Vorgängers. Auerbach gelingt die Kombination von 60er-Jahre-Sounds und Moderne, weil er beides versteht. Streicher schwirren opulent, werden von minimalistischen Gitarren untermalt und vom Schlagzeug geerdet.


Inhaltlich entfernt sich Del Rey kaum von ihren Lieblingsthemen: Titel wie "Sad Girl", "Pretty When You Cry" und "Cruel World" sind deutlich. Doch weil die Musik Tiefe hat, wirken auch die Texte glaubhafter. "Everyone knows that I'm a mess/ I'm crazy", singt Del Rey. Wie viel davon Show ist, ist schwer zu sagen. In einem "Guardian"-Interview sagte sie jüngst: "Ich wünschte, ich wäre schon tot." Der Rockstar-Tod mit 27. Hoffentlich lässt Lana Del Rey wenigstens dieses Klischee aus.

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