"Die großen Filme sind den Männern vorbehalten", sagte die amerikanische Regisseurin und Drehbuchautorin Nancy Meyers unlängst dem "New York Magazine". "Aber glauben Sie bloß nicht, dass Frauen diese Filme nicht drehen wollen. Frauen wissen sehr wohl, wie man Dinosaurier in Szene setzt."
Meyers dreht seit knapp 20 Jahren fast nur "große" Filme, wenn man die Kassenzahlen als Maßstab nimmt. Ihre fünf bisherigen Regiearbeiten (darunter "Was Frauen wollen" und "Was das Herz begehrt"), spielten zusammen mehr als eine Milliarde Euro weltweit ein. Es geht darin aber nicht um Dinosaurier, Superhelden oder Roboter, sondern um Frauen. Willensstarke, selbstbewusste Frauen. Die standen in den Geschichten von Meyers schon immer im Mittelpunkt.
Auch ihre neue Komödie , "Man lernt nie aus", ist da keine Ausnahme - obwohl der Originaltitel "The Intern" (deutsch: "Der Praktikant") sich auf den 70-jährigen Ben (Robert De Niro) bezieht. Der ist seit einiger Zeit in Rente und weiß nicht, wohin mit sich. Nach dem Tod seiner Frau ist sein Leben leer geworden. Er hat es mit Yoga versucht, mit Reisen, Tai-Chi und Kochkursen. Sogar Mandarin wollte er lernen. Aber es half alles nichts. Was Ben fehlt, ist das Gefühl, gebraucht zu werden.
Eines Tages fällt ihm ein Flyer in die Hände: About The Fit, ein boomender Online-Mode-Shop, sucht Praktikanten - nicht irgendwelche, sondern Senioren. Ben versteht nichts von E-Commerce. Er hat 40 Jahre lang Anzeigen für Telefonbücher verkauft. Doch die Vorstellung, wieder jeden Morgen zur Arbeit gehen zu dürfen, euphorisiert ihn. Also bewirbt er sich und bekommt den Job.
Gleich am ersten Tag wird er der Unternehmensgründerin Jules (Anne Hathaway) als Assistent zugeteilt. Die ist davon weniger begeistert. Sie hat schon genug Schwierigkeiten damit, die Anrufe ihrer Mutter abzuwehren. Da kann sie keinen weiteren lästigen Silberrücken in ihrem Leben brauchen. Außerdem wächst ihr gerade alles über den Kopf. Ihre Kollegen wollen ihr einen Geschäftsführer vor die Nase setzen. Jemanden mit mehr Erfahrung, wahrscheinlich einen Mann. Jules fühlt sich in die Enge getrieben. Und dann tauchen auch noch private Probleme auf.
Zum Glück gibt es Ben, der ihr loyal zur Seite steht. Er kennt sich vielleicht nicht mit Smartphones oder sozialen Medien aus. Dafür hat er Lebenserfahrung und Charakter. Bald erkennt Jules, wie wertvoll das ist.
Auf den ersten Blick unterscheidet sich der Plot nicht groß von der zwei Jahre älteren Schmonzette " Prakti.com", in der Owen Wilson und Vince Vaughn als IT-Nullen versuchen, ein Praktikum bei Google zu ergattern. Doch "Man lernt nie aus" verzichtet dankenswerterweise auf trotteligen Slapstick und Holzhammer-Gags auf Kosten des am Computer heillos überforderten Rentners. Man darf schmunzeln, wenn Ben mit dem Bildschirmschoner kämpft oder ihn die Sekretärin für blind und taub hält, aber Meyers lässt ihm seine Würde.
Hinter der lockeren Komödie verbirgt sich ein Film mit ein paar durchaus ernsthaften Anliegen: Es geht um das Altern in der Gesellschaft, um neu verhandelte Geschlechterrollen, vor allem aber um die Frage, wie Frauen Beruf und Familie unter einen Hut bringen können.
Bereits in den Achtzigerjahren schrieb Nancy Meyers mit ihrem damaligen Ehemann Charles Shyer das Drehbuch zu "Baby Boom - Eine schöne Bescherung". Darin muss sich die Heldin zwischen Karriere und Kind entscheiden. Am Ende wählt sie das Kind. Knapp 30 Jahre später hat Jules schon mehr Freiheiten. Sie ist ihr eigener Boss, sie will auf nichts verzichten, auch nicht auf eine Familie. "Wir haben 2015. Müssen wir berufstätigen Frauen immer noch so kritisch gegenüberstehen?", fragt sie. Gut, dass sie einen Mann hat, der seine Karriere hintanstellt und Haus und Tochter hütet, während sie arbeitet.
Interessanterweise sind es vor allem andere Frauen, die Jules das Leben erschweren. Gleichaltrige Mütter werfen ihr missbilligende Blicke zu. Ein kreischendes Weib verwickelt sie in einen Autounfall. Ihre hysterische Sekretärin bekommt vor Überforderung einen Heulkrampf. Dann muss schnell ein Mann zu Hilfe eilen, der sie in den Arm nimmt.
Meyers' Frauen helfen einander nicht. Die Männer wiederum sind heute große, verweichlichte Kinder. Der Kavalier der alten Schule, der sei verloren gegangen, ärgert sich Jules an einer Stelle, befeuert vom Alkohol. Jack Nicholson und Harrison Ford, das wären noch echte Kerle gewesen, und natürlich ist auch Robert De Niro gemeint, der in diesem Moment neben ihr steht.
Kurz darauf muss sich Jules übergeben. Ben tätschelt ihr den Rücken, tröstet sie an seiner Brust. Spätestens da muss man zugeben: Meyers weiß tatsächlich, wie man Dinosaurier in Szene setzt. Ihr eigenartiges Faible für Männer vom alten Schlag, die mit starker Schulter bereitstehen und weibliche Tränen mit dem Stofftaschentuch trocknen, entkräftet kurzerhand die feministische Botschaft der selbstständigen Frau.
Es ist vor allem dem Spiel der Hauptdarsteller zu verdanken, dass einen der Film trotzdem auf seine Seite zieht. Anne Hathaway verleiht Jules Tiefe, ist ebenso tough wie verletzlich und liebevoll. Und Robert De Niro, der oft Mafiosi und Gangster gespielt hat, kaputte Schattengestalten und später nur noch Karikaturen seiner ikonischen Rollen, Robert De Niro spielt endlich einen ganz alltäglichen Menschen, spielt ihn reduziert, glaubhaft und ohne Zitronengesicht. Da sei ihm auch wieder jede Anspielung an die Spiegelszene in "Taxi Driver" verziehen.
So wird aus "Man lernt nie aus" ein Film, der aktuelle Probleme einfühlsam und glaubhaft, wenn auch weichgezeichnet widerspiegelt. Am Ende wendet sich in der heilen Zuckerwattewelt wieder alles zum Guten - und das kommt in Meyers' konservativ-bürgerlicher Weltsicht vor allem von wirtschaftlichem Erfolg und Werten wie Treue, Ehe und Familie.
Aber vielleicht braucht es solche Wohlfühlfilme, um das gedanklich schwerfällige Mainstream-Publikum ganz sanft an moderne Lebensrealitäten zu gewöhnen, in denen Frauen ihrer Karriere nachgehen und es dabei auch noch schaffen, gute Mütter zu sein.
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