Niemand hatte es kommen sehen: Im vergangenen August vermehrten sich im Eriesee im US-Bundestaat Ohio Algen so stark, dass 400 000 Menschen tagelang kein Leitungswasser nutzen konnten. Das Wasser war mit Toxinen verseucht, die unter anderem zu Leberschäden führen können. Schon 2011 schwappte auf dem See ein blau-grüner Teppich aus Algen. Doch die Forscher hatten nicht voraussagen können, dass die Algen 2014 wieder wuchern würden.
Das soll Lake George im Bundesstaat New York nicht passieren. Er gilt als Königin unter Amerikas Seen, sein Wasser soll auch künftig kristallklar in der Sonne funkeln. Deshalb werden mittels massenhafter Datenerhebung über Sensoren im Wasser und an Land, mit Echt-Zeit-Analysen, Supercomputern und komplizierten mathematischen Modellen gefährliche Außeneinflüsse ausgemacht, bevor sie Schaden anrichten können.
"Intelligentestes Gewässer der Welt"„Lake George ist ein außergewöhnlich sauberer See", sagt Harry Kolar. Das Wasser hat Trinkqualität und sprudelt auch aus den regionalen Wasserhähnen. Der Physiker arbeitet für den IT-Konzern IBM und forscht im Rahmen des " Jefferson-Project " an Daten-Modellen, die alle Umwelteinflüsse begreifbar und so Gefahren für den See bezwingbar machen sollen. Lake George soll zum intelligentesten Gewässer der Welt werden, sagen die Organisatoren.
Algen, Abwässer, fremde Arten oder auch der Klimawandel - alle diese Faktoren können für die Biodiversität und die Wasserqualität von Flüssen und Seen zu Problemen werden. In den USA ist es um viele Binnengewässer weitaus schlechter bestellt als in Deutschland. Die intensive Landwirtschaft führt in vielen Regionen immer wieder zu einer gefährlichen Vermehrung giftiger Algen.
Schon im Juni 2013 startete das „Jefferson Project" zur Analyse von Lake George. Rund 40 Computer-Experten, Biologen, Chemiker, Mathematiker und Wissenschaftler aus anderen Bereichen arbeiten an den Modellen, der Technik und den Datenanalysezentren für die Wasser-Forschung.
Bis 2015 sollen vier verschiedene Arten von Mess-Vorrichtungen im See und an dessen Küsten installiert werden. Zwei Varianten sehen aus wie schwimmende Bojen. Daran befestigt sind Sensoren, die die Temperatur, den pH-Wert, den Algen- und Salzgehalt und auch die im See enthaltene Sauerstoffmenge messen. Auf den Bojen befinden sich zusätzlich kleine Wetter-Messstationen. Jede Wetterveränderung registrieren Sensoren-Stationen zudem auch von den Küsten aus. Dort erfassen sie Daten über die Windgeschwindigkeit und -richtung sowie über Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftdruck, Regen und die Stärke der Sonneneinstrahlung. Die Daten werden gebündelt, visualisiert und analysiert. „Das meiste davon passiert in Echtzeit", erklärt Kolar.
Besonders der steigende Salzgehalt bereitet den Wissenschaftlern Sorgen. Denn Streusalz gegen Straßenglätte gelangt über Schmelzwasser auch in den See. Deshalb sollen die computergesteuerten Messbojen registrieren, wie sich das Salz im Wasser bewegt, sagt Kolar.
Die Daten sollen ermöglichen, Risiken von Ersatzstoffen abzuschätzen: „Wenn das normale Salz etwa durch Calciumchlorid ersetzt wird, dann bauen einige Muschelarten das Calciumchlorid in ihre Panzer ein, was zu neuen Problemen führen kann", sagt Kolar.
Auch Europas Gewässer sind bedrohtAber auch in Europa befindet sich aktuell mehr als die Hälfte aller Flüsse in einem mittelmäßigen oder sogar schlechten Zustand. Bis 2015 sollten die EU-Staaten die Situation der Seen und Flüsse sowie die Qualität des Grundwassers eigentlich deutlich verbessern. Doch es mangelt an Geld und oft an ausreichenden Informationen über die komplexen Ökosysteme.