Über Petrykiwka wacht der Präsident. Ein riesiges Wahlplakat von Petro Poroschenko begrüßt jeden, der die Siedlung etwa 50 Kilometer nordwestlich der ukrainischen Millionenstadt Dnipro besucht. Darauf verkünden weiße Lettern auf violettem Grund: „Viele Kandidaten - ein Präsident". Es ist das einzige Anzeichen von Wahlkampf in dem kleinen, verschlafenen Städtchen, in dem rund 4900 Menschen leben.
Am Sonntag wählt die Ukraine einen neuen Präsidenten, doch in Petrykiwka ist von Wahlkampf nichts zu spüren. Wilde Hunde streifen durch die Straßen, in der Ferne kräht ein Hahn, ab und an fährt jemand in einem alten, verrosteten Lada vorbei. Hinter den schiefen grünlackierten Holzzäunen und grauen Mäuerchen buddeln alte Frauen in Gemüsebeeten und verbrennen Männer gesammeltes Laub. Ein beißender Rauchgeruch hängt über dem gesamten Ort.
Poroschenko wird bangen müssenDer amtierende Präsident Petro Poroschenko muss laut aktuellen Umfragen um den Einzug in die Stichwahl und damit um seine Wiederwahl bangen. Mit knapp zwölf Prozent der Stimmen liegt er derzeit auf Platz drei, knapp hinter der ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko und dem Komiker Wolodymyr Selenskyj.
Dabei gibt es durchaus Gründe, die für Poroschenko sprechen. Er hat einiges erreicht, seitdem er 2014 nach den monatelangen, teilweise gewalttätigen Protesten auf dem Majdan Präsident wurde. Ihm gelang es, die Wirtschaft zu stabilisieren, die nach dem Majdan zusammengebrochen war. Er unterzeichnete, wie versprochen, das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union, erreichte die Visafreiheit für seine Landsleute und brachte Reformen auf den Weg.
Auch in Petrykiwka hat eine der erfolgreichsten Reformen der ukrainischen Regierung ihre Spuren hinterlassen. Die Dezentralisierung der staatlichen Verwaltung, die bereits Jahre vor Poroschenkos Amtsantritt in der ukrainischen Politik diskutiert, jedoch nie auf den Weg gebracht worden ist, stärkt vor allem schwächere Regionen.
In Petrykiwka wurde die 100 Jahre alte Schule kernsaniert. Aus einem grauen Gebäudeblock wurde innerhalb weniger Monate eine moderne Schule mit Inklusionszentrum. Zur Neueröffnung im Oktober 2018 reiste sogar die Präsidentengattin Maryna Poroschenko in den kleinen Ort und ließ sich mit einem kleinen Mädchen im Rollstuhl fotografieren. In der Region um Petrykiwka wurden Krankenhäuser saniert und Kindergärten und Straßen gebaut.
„Die Veränderungen sind schon spürbar", sagt Olga Droshenko. Wählen wird sie Poroschenko trotzdem nicht. Die 57 Jahre alte Näherin sitzt in einem kleinen Raum im Kindergarten der Siedlung, der bis unter die Decke mit bunten Stoffen und Trachten in Kindergrößen vollgestopft ist. Durch das kleine Fenster fällt ein wenig Licht auf ihren Arbeitstisch. Der Kindergarten liegt direkt neben der Schule und wurde ebenfalls im Sommer renoviert und mit neuen Möbeln ausgestattet. Nur die für Olgas Droshenkos kleines Reich fehlen noch und so türmt sich der Stoff rechts und links neben ihr auf. „Kreatives Chaos", nennt sie das, richtet ihre schwarze Baskenmütze und versucht, sich etwas Platz zu verschaffen.
Vor fünf Jahren war Olga Droshenko voller Hoffnung und wählte Poroschenko. „Ich habe wirklich an ihn geglaubt", sagt sie heute. „Aber ich will gar nicht mehr drüber nachdenken, was die da in Kiew veranstalten." Damals, vor fünf Jahren, wurde Poroschenko mit 54 Prozent der Stimmen zum jüngsten Präsidenten der Ukraine gewählt und übernahm ein Land im Chaos. Der Krieg in der Ostukraine hatte gerade begonnen, die ukrainische Armee war praktisch nicht einsatzfähig und Poroschenko weckte beim Volk hohe Erwartungen. Er versprach, die Korruption zu bekämpfen, das Land zu einen und den Krieg zu beenden.