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Eines will Herr Islam vorneweg gesagt haben. Facebook, betont er, sei eigentlich eine "sehr, sehr gute Sache". Erst dann erzählt er, wie ihn das Netzwerk in den vergangenen Wochen erst verdutzt und schließlich ziemlich sauer gemacht hat.
Rana Deep Islam, 33 Jahre alt, hat eine Mutter aus dem Ruhrgebiet, einen Vater aus Indien und von ihm einen Nachnamen, der auf Facebook zum Problem geworden ist.
Islam ist seit 2005 mit seinem bürgerlichen Namen im Netzwerk angemeldet, so wie es eigentlich vorgeschrieben ist. Doch nun hat ihm Facebook seinen Nachnamen weggenommen. Der Politikwissenschaftler weiß nicht, warum. Erst dachte er an einen technischen Fehler, mittlerweile wittert er "digitale Diskriminierung". Darf man etwa nicht mehr Islam heißen auf Facebook?
Der Fall des 33-Jährigen ist rätselhaft, aber manchmal passieren eben rätselhafte Dinge in der Facebook-Bürokratie.
Islam erwischte es Mitte Februar, als er, gerade auf einer Konferenz in München, die Facebook-App auf dem Handy öffnete - ein Routine-Fingertipp also, wie so oft, Tag für Tag. Nun legte sich aber ein Sperrbildschirm über die App, Islam sollte seinen Namen bestätigen, er tippte ihn ein. Vorname, Mittelname, Nachname. Doch jedes Mal bekam er die Antwort: Der Name verstoße gegen die Namensrichtlinien. So erzählt es der 33-Jährige.
Eine Ahnung: Liegt es am Nachnamen?
Er schloss die App, öffnete sie neu - doch jedes Mal versperrte die Maske den Weg. Er konnte Facebook nicht weiter benutzen. Dann hatte er eine Ahnung: Liegt es vielleicht an meinem Nachnamen? Islam tippte dann nur seinen Vor- und Mittelnamen ein, dann verschwand die Maske. Er heißt nun Rana Deep. Ein Username wie George W. oder Karl Heinz.
Dabei verlangt Facebook doch gerade von seinen Nutzern, sich mit ihrem wahren Namen anzumelden (ein Hamburger Gericht hat diese Praxis gerade noch einmal bestätigt). Islam hatte eigentlich alles richtig gemacht. Aber es ist ja auch undurchsichtig mit der Namenspolitik im Netzwerk.
Manche Nutzer mit ungewöhnlichen Namen werden aufgefordert, ein Bild von ihrem Ausweis hochzuladen, andere nicht. Eine Amerikanerin namens Isis berichtete, Facebook habe ihr den Vornamen wegen Ähnlichkeit zum "Islamischen Staat" gesperrt, in Deutschland haben mehrere Frauen namens Isis kein Problem.
Zwei Monate lang kann Islam, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei einem Thinktank, nun seinen Nutzernamen nicht ändern. Ob er danach wieder seinen Nachnamen verwenden kann: unklar. Er nutzt Facebook jeden Tag, auch für Berufliches. Das Netzwerk verleiht ihm, so drückt er es aus, eine "digitale Identität". Und jetzt? "Das ist, als ob einem jemand den Perso abnimmt und einen Namen rausstreicht."
"Was ist dann mit den Christians und Christophs?"
Als er das Problem meldet, bekommt er nur eine Standardantwort: "Wir verwenden Dein Feedback, um die Erfahrung auf Facebook für alle zu verbessern."
Islam ist sauer. Sein Nachname komme in der Heimat des Vaters in Südindien häufig vor. Ein Glaubensbekenntnis ist es nicht. Er sagt: "Was ist dann mit den Christians und den Christophs auf Facebook?"
Er sucht nun nach Informationen, die den Vorfall begründen könnten. In den Namensrichtlinien findet er das Verbot von "Titeln jeglicher Art", was auch religiöse Titel einschließt. Aber Islam? Oder hat es damit zu tun, dass er Facebook anders als sein Bruder, der den Nachnamen weiter tragen kann, als "politisches Medium" benutzt, mehr diskutiert?
Nachfrage bei Facebooks Presseabteilung: "Der Nachname Islam ist natürlich gestattet." Einzelfälle kommentiert der Konzern allerdings aus Prinzip nicht. Eine sinnvolle Erklärung, was Islam und seinem Nachnamen passiert ist, kann man auch nicht bieten.
Die undurchsichtige Welt der Kontrollteams
Vielleicht ist es tatsächlich so, dass Islam von jemandem gemeldet worden ist. Und dann irgendjemand, der sich Nutzermeldungen für den Konzern anschaut, fälschlicherweise entschieden hat, dass man nicht einfach Islam heißen dürfe. Wer weiß.
Wie die eigenen Regeln umgesetzt werden, ist wie vieles bei Facebook eine Black Box. Der Fall Islam stammt aus einer sehr undurchsichtigen Welt der Facebook-Kontrollteams, die an verschiedenen Orten der Welt sitzen, aber über die man sehr wenig weiß.
In denen werden manchmal Entscheidungen gefällt, die der betroffene Nutzer nicht nachvollziehen kann und die ihm gegenüber auch nicht begründet werden. Beim Sperren von Profilen und Melden von Hasskommentaren passieren ähnliche Dinge - Nutzer erhalten nur Standardantworten.
Islam sagt trotzdem, Facebook mache sein Leben einfacher. Er hat mehr als 1.100 Freunde im Netzwerk gesammelt. "Ich nutze es gern und viel", sagt er. "Ich will das aber auch unter meinem richtigen Namen tun können."
Update, 8. März 11.41 Uhr: Wenige Stunden nach Erscheinen des SPIEGEL-ONLINE-Artikels hat Facebook Herrn Islam seinen Nachnamen zurückgegeben. Eine Mitarbeiterin fragte ihn nach seiner E-Mail-Adresse, kurz darauf trug sein Profil ohne weitere Rücksprache wieder den vollen Namen. Am selben Abend erhielt Islam auch eine Entschuldigung per E-Mail von einer weiteren Mitarbeiterin. Vor unserer Berichterstattung bekam der Nutzer auf mehrere Nachfragen nur automatisierte Antworten.