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Auf dem Holzweg

Jahrzehntelang hat das Holzwerk Keck aus Ehningen bei Stuttgart mit der deutschen Liebe zum Parkett gutes Geld verdient. Der Familienbetrieb hat Laubhölzer aus den umliegenden Wäldern, vor allem Buche, zurechtgesägt und an Parketthersteller verkauft. Das lohnte sich, weil die Sägerei dafür Hölzer verwerten konnte, die nicht astrein sind - im wahrsten Sinne des Wortes.

Doch damit ist jetzt Schluss. Grund dafür ist eine neue Konkurrenz um den Rohstoff: „Wir mussten uns aus dem Parkettsegment verabschieden, weil die Leute den Förstern Brennholz zu fast jedem Preis aus der Hand reißen", sagt Firmenchef Steffen Rathke. Was einst zu Bodenbelägen wurde, geht heute in Flammen auf.

Biobrennstoff auf dem Vormarsch

Wer mit Holz heizt, schützt das Klima und macht sich unabhängig von hohen Gas- und Ölpreisen, heißt es immer wieder. Kein Wunder, dass der Biobrennstoff zunehmend beliebter wird: Im vergangenen Jahr verfeuerten die Deutschen 70 Millionen Kubikmeter Holz in Kamin- und Pelletöfen, Hackschnitzel-Heizkesseln oder in Biomasse- und sogar Kohlekraftwerken. Zehn Jahre zuvor waren es gerade mal 30 Millionen Kubikmeter. In den nächsten drei Jahren soll der Brennholzbedarf um weitere zehn Prozent steigen, errechnete das Zentrum für Holzwirtschaft der Universität Hamburg.

Auch als Werkstoff oder Baumaterial fragen Kunden Biomasse aus dem Forst immer stärker nach. Die Folge: Deutschland, einem der waldreichsten Euro-Staaten, droht Holznot. 2020 könnten laut einer EU-Studie jährlich schon 30 Millionen Kubikmeter Holz fehlen.

Zwar ist der Handel mit Holzbrennstoffen längst ein globales Geschäft. Doch Importe bringen Probleme mit sich: Die Abnehmer können längst nicht immer kontrollieren, ob das Holz wirklich nachhaltig eingeschlagen wurde. Das bekam auch Vattenfall zu spüren. Der Konzern verbrannte in den vergangenen Jahren in seinen Berliner Kraftwerken 100.000 Tonnen Gummibaum-Pellets aus Liberia. Umweltschützer und Menschenrechtler protestierten heftig.

Der Vorwurf: schlechte Arbeitsbedingungen und die Zerstörung von Regenwald für die Plantagen. Mitte 2012 stoppte das Unternehmen die Einfuhren - offiziell aus organisatorischen Gründen. Jetzt sucht Vattenfall nach alternativen Quellen, unter anderem in Brandenburg.

Die Folge der Importskepsis ist eine neue Art des Ackerbaus in Deutschland. Joachim Hüttmann, Eigentümer eines landwirtschaftlichen Großbetriebs im niedersächsischen Soltau, tut etwas sehr Naheliegendes, um die Holzlücke zu schließen: Er pflanzt Bäume. Allerdings nicht als Nadel- oder Laubwald - sondern als sogenannte Kurzumtriebsplantagen mit schnell wachsenden Arten wie Weiden und Pappeln. Andere Bauern experimentieren auch mit Erlen, Robinien und Birken.

Dicht an dicht gesetzt, brauchen aber gerade Weiden und Pappeln nur wenig Licht und Nährstoffe. Bereits nach drei Jahren sind die Turbobäume fünf Meter groß. Dann kann Hüttmann auf seiner Holzplantage, die so groß ist wie 80 Fußballfelder, ernten. 2006 pflanzte er die ersten Bäume, weil er für seinen Betrieb nach einer neuen Perspektive suchte. Der Anbau von Feldfrüchten wie Braugerste oder Zuckerrüben lohnte sich für ihn nicht mehr, die Preise waren im Keller.

Der Niedersachse verarbeitet das Holz anschließend zu Hackschnitzeln, die er an Energieversorger und Privathaushalte in der Region verkauft. Seine Plantagen liefern genug Holz, um mehr als 200 Haushalte kontinuierlich mit Rohstoff zum Heizen zu versorgen.

Künstliche Wälder

Zwar sind Energieholzflächen auf Höchstleistung getrimmte Monokulturen, die nichts mit Wald gemein haben. Doch Johannes Enssle vom Naturschutzbund (Nabu) Baden-Württemberg gefallen die Pappelfelder dennoch. „Im Vergleich zu Ackerkulturen wie Mais oder Raps sind solche Plantagen in der Regel naturverträglicher", sagt Enssle. Die Holzäcker werden nicht mit Pestiziden behandelt, kaum gedüngt und seltener umgebrochen.

Bislang sind in Deutschland auf 4.000 Hektar Holzplantagen angelegt, schätzt das Bundeslandwirtschaftsministerium. Das ist wenig, verglichen mit den 2,1 Millionen Hektar, auf denen Energiepflanzen wie Mais oder Raps sprießen.

Doch die künstlichen Wälder könnten schon bald sehr viel mehr Land besetzen: Die Deutsche Bahn lässt derzeit von zwei Hochschulen ermitteln, welche Flächen entlang ihrer Schienentrassen sich für die Anlage von Holzäckern eignen. Die Ernte machen bahneigene Kraftwerke und externe Betreiber zu Strom und Wärme.

Auch der Anlagenbauer Andritz aus Graz arbeitet an einer Alternative zum klassischen Brennholz aus dem Wald. Das österreichische Unternehmen nahm kürzlich eine Pilotanlage in Betrieb, die Biomasse in eine Art Kohle verwandelt. Torrefizierung, abgeleitet von dem lateinischen Begriff für „rösten", heißt das Verfahren. Dabei werden die Ausgangsstoffe unter Luftabschluss auf 250 bis 300 Grad erhitzt, sodass sich Wasser sowie chemische Verbindungen mit niedrigem Heizwert lösen.

Übrig bleibt ein trockener, energiereicher Brennstoff, der sich problemlos in Holz- und Kohlekraftwerken verfeuern lässt.

Der besondere Charme der Pflanzenrösterei liegt darin, dass sie den Druck auf die Holzvorräte mindert. „Mit dieser Technologie können Reststoffe von Pflanzen verwertet werden, die momentan zum größten Teil auf dem Kompost landen", sagt Bernd Epple, Kraftwerkstechniker von der TU Darmstadt. Rasenschnitt, Laub, Abfälle aus der Lebensmittelherstellung: Aus Biomüll wird jetzt Wärme und Strom. Da der Energiegehalt des Brennstoffs in Relation zum Volumen sehr hoch ist, kann er auch über weite Strecken mit Lkw oder Schiff wirtschaftlich transportiert werden.

Neben der Ausweitung des Angebots gibt es einen weiteren Weg, dem Holzmangel zu begegnen: indem Unternehmen mehr Energie aus der gleichen Menge Brennstoff holen. Diese Mission verfolgt Wolfgang Wimmer, Geschäftsführer des Biomassehofs im oberbayrischen Achental, idyllisch gelegen zwischen Chiemsee und den dicht bewaldeten Flanken von Kampenwand und Hochgern.

Das sind die größten Stromverbraucher weltweit

Als Stromexporteur ist Frankreich die weltweite Nummer Eins. Beim Stromverbrauch liegt das 65 Millionen Einwohner-Land dagegen nur auf dem achten Platz.

Die Franzosen setzen bei der Stromerzeugung voll auf Atomkraft. 58 Meiler waren 2011 in Betrieb. Zum Vergleich: In Deutschland waren es im gleichen Zeitraum neun Atomkraftwerke, in Spanien acht und im Vereinigten Königreich 18.

„Wir wollen den Strom- und Wärmebedarf des Achentals bis 2020 vollständig durch erneuerbare Energien aus eigenen Ressourcen decken. Das heißt vor allem, das Potenzial unserer Wälder zu nutzen", sagt Wimmer. Der von umliegenden Gemeinden und lokalen Betrieben gegründete Biomassehof hat dafür einen Handel mit Holzbrennstoffen aufgebaut und ein Biomasseheizwerk errichtet.

Kräftig Gas geben

Allerdings klagen auch im waldreichen Achental die Sägebetriebe über den neuen Wettbewerb um das Holz. Den Konflikt entschärfen könnte eine Technologie, die im Zweiten Weltkrieg Hunderttausende Autos und Lastwagen antrieb: die Holzvergasung. Dabei werden Hackschnitzel in einem Zylinder bei Temperaturen von 900 Grad verschwelt, sodass eine Art Erdgas entsteht. Nach Kriegsende geriet das Verfahren in Vergessenheit. Erst mit der Suche nach Ersatz für Benzin und Diesel entdeckten Energieversorger und Anlagenbauer die Holzvergasung wieder.

Wimmer hat kürzlich eine der weltweit ersten Großanlagen dieser Art in Betrieb genommen. Das Holzgas wird in einem benachbarten Blockheizkraftwerk (BHKW) verfeuert, um damit Heizenergie für das lokale Fernwärmenetz sowie Strom zu erzeugen. Das ist besonders effizient: „Ein großer Vorteil der Technologie ist der hohe Stromertrag, den wir damit erzielen", sagt Wimmer. Der Biomassehof gewinnt aus einer Tonne Holz etwa zwei Drittel mehr Strom, als es mit einem konventionellen Holzkraftwerk möglich wäre.

Wer nur Wärme erzeugen will, kann weiterhin klassisch Holz verbrennen. „Wenn man aber hocheffizient Strom erzeugen will, ist die Vergasungstechnik künftig das Mittel der Wahl", sagt Marco Klemm vom Deutschen Biomasseforschungszentrum in Leipzig. Für die Technologie spreche zudem, dass das Holzgas überall dort eingesetzt werden könne, wo sonst Erdgas zum Zuge kommt: etwa in Heizungsanlagen oder als Treibstoff für Fahrzeuge mit Gasmotor.

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