Wie sollen Journalisten über den Klimawandel und seine Folgen berichten? Nüchtern und trocken, warnen, drohen? Über diese Frage wird seit langem diskutiert. Nun lebt die Debatte wieder auf, angeregt durch einen Offenen Brief von Sara Schurmann und durch die „taz", die sich nach eigenen Angaben als erstes deutsches Medienhaus eine „klimagerechte Sprache" gibt.
Die Diskussion ist notwendig. Der dritte Sommer in Folge mit wenig Regen und hohen Temperaturen, mit sterbenden Wäldern und versiegenden Flüssen hat jedem klar gemacht, dass etwas Grundlegendes passiert. Das ist keine Wetterkapriole. Der Klimawandel, über den man seit Jahrzehnten Forscherinnen und Forscher sprechen hört, der lange mit Bildern von Eisbären auf schmelzenden Schollen oder Hochwasser an fernen Küsten illustriert wurde, ist da. Bei uns. Die Treibhausgasemissionen steigen weiter, der Rückgang durch die Covid-19-Pandemie war nur vorübergehend. Von einer abstrakten Gefahr kann keine Rede mehr sein, sie ist real.
Es ist ein guter Zeitpunkt für Journalistinnen und Journalisten, sich zu fragen, welche Rolle sie spielen, wie ihre Beiträge wahrgenommen werden, ob und was sie bewirken möchten. Sara Schurmann und alle, die den Offenen Brief unterzeichnet haben, haben einen wichtigen Anstoß für diese Debatte gegeben.
Etliche der von ihr notierten Punkte teile ich, andere nicht. Sie sollen hier in einer Antwort auf den Offenen Brief näher erläutert werden.
Schurmann schreibt beispielsweise:
„Viele Journalist:innen betonen zu Recht den Unterschied von Aktivismus und Journalismus. Aber die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels als vierte Gewalt zu kontrollieren, ist kein Aktivismus. Es ist wissenschaftlich, menschlich und journalistisch geboten."
Das 1,5 Grad-Ziel ist an dieser Stelle etwas unglücklich. In ihrem Text legt die Autorin dar, dass sich die Weltgemeinschaft im Abkommen von Paris auf „deutlich unter zwei Grad Celsius" geeinigt hat; die 1,5 Grad sind lediglich ein Wunsch im Protokoll. Insofern müssen auch Journalisten, wenn sie nicht gerade kommentieren, sich am Deutlich-unter-zwei-Grad-Ziel orientieren. Selbstverständlich sollen sie genau verfolgen, ob es erreicht wird. So wie sie auch die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals) der Vereinten Nationen oder zum Erhalt der Biodiversität im Blick behalten sollen, schließlich sind sie alle essenziell für eine lebenswerte Zukunft.
Aber sollen Journalistinnen und Journalisten auch für das Klimaziel kämpfen, wie es Schurmann mehr oder weniger deutlich in ihrem Beitrag fordert?
Dazu könnte die branchenübliche Vereinfachung dienen, wie die Autorin nahelegt:
„Aber wenn alles so dramatisch ist, warum sagt das dann nicht einfach irgendjemand? Nun, die Klimaforscher:innen sagen es seit Jahren. Die ganze Zeit. Nur leider müssen sie, um sich wissenschaftlich abzusichern, immer in Wahrscheinlichkeiten und Spielräumen sprechen."
Warum „leider"? Bloß gut! Denn das ist die Realität. Klimamodelle haben ihre Unsicherheiten, nicht zuletzt, weil niemand weiß, wie sich die Emissionen tatsächlich entwickeln. Das heißt nicht, dass sie unbrauchbar sind, aber das heißt, dass es eine gewisse Unsicherheit gibt, wie bei allen Dingen. Die muss man aushalten. Mir ist lieb, wenn Wissenschaftlerinnen oder auch Politiker sagen, wie wahrscheinlich ein bestimmtes Ereignis ist und wie groß die Chance, dass es anders kommt. Lieber so als vermeintlich allwissende Aussagen wie: „Winter, wie wir sie kennen, wird es bald nicht mehr geben."
Das Zitat ist vom Kieler Klimaforscher Mojib Latif, erschienen im Jahr 2000 im „Spiegel". Er sagte später der „Zeit", dass der „Spiegel" ihn falsch zitiert habe: Er habe sich auf die zweite Hälfte des 21. Jahrhunderts bezogen und auf den Fall, dass keine Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden. Das dürften nicht allzu viele wissen. Längst hat das Zitat ein Eigenleben, wird regelmäßig hervorgekramt, um die Klimaforschung zu diskreditieren.
Dies zeigt: Journalisten haben eine große Verantwortung, die Vereinfachung kann nach hinten losgehen und einem Forscher schaden.
Auf der anderen Seite sollten Journalisten gegenüber Forschern und deren Aussagen ihre Skepsis behalten. So einig, wie immer wieder zu lesen ist, ist sich die Wissenschaft nämlich nicht, wenn man tiefer ins Detail geht. Zu den (Achtung: Überspitzung!) apokalyptischen Kipppunkten des Klimas beispielsweise gibt es durchaus unterschiedliche Auffassungen, wie Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie Hamburg, kürzlich im Interview mit der „FAZ" dargelegt hat.
Auf die Frage, welcher der Kipppunkte ihn am meisten sorge, antwortet er: „Keiner."
Eine andere Form, um im Journalismus für entschlossenen Klimaschutz zu kämpfen, ist die Sprache. Dabei geht es unter anderem um Begriffe wie Klimawandel, Klimanotstand, Erderwärmung, Erderhitzung. Die „taz" gibt sich jetzt eine klimagerechte Sprache: „RedakteurInnen werden dabei keine Vorschriften gemacht, was sie wie zu schreiben haben. Vielmehr bekommen sie Empfehlungen an die Hand, um Texte rund ums Klima noch prägnanter, noch besser zu gestalten", heißt es. Das lesenswerte Papier von Torsten Schäfer, Professor für Journalismus an der Hochschule Darmstadt, gibt es hier (PDF).
„Klimakrise" ist vielfach schon zu lesen, auch im Offenen Brief von Sara Schurmann. Manche würden gern zudem zur „Erderhitzung" übergehen wie der britische „Guardian". Bemerkenswert ist, was Schäfer dazu schreibt:
„Dennoch sollte man generell etwas Vorsicht walten lassen bei dem Willen, den Begriffen eine größere Warnwirkung zu verleihen: Katastrophenbotschaften gibt es im Umwelt- und Klimajournalismus ohnehin schon oft. Er wurde dafür vielfach kritisiert. Und dieser dominante ‚Risikoframe' scheint bisher nicht dazu beizutragen, dass das Publikum den so verfassten Klimabeiträgen hinterherrennt."
Man sollte hinzufügen: Derartige Begriffe schrecken zunächst auf, doch dieser Effekt verschwindet mit der Zeit, weil man sich daran gewöhnt. „Erderhitzung" dürfte in 20 Jahren niemanden mehr schrecken, die nächste Eskalationsstufe müsste her.
Das Problem bei solchen Begriffen, einschließlich „Klimakrise" ist, dass sie nicht nur beschreiben, sondern zugleich bewerten. Das wirkt, wenn es etwa um einen Bericht aus der Klimaforschung mit objektiven Messungen geht, bestenfalls schräg.
Es tut außerdem so, als wüsste keiner etwas mit dem etablierten Begriff „Klimawandel" anzufangen. Dies ist, wie eingangs beschrieben, unzutreffend: Nicht alle wollen es wahr haben, aber jeder hat mitbekommen, dass es einen Klimawandel und seine Folgen gibt.
Drittens vermittelt „Klimakrise" den Rezipienten den Eindruck, hier müsse noch mal besonders deutlich gemacht werden, dass es sich um eine sehr bedrohliche Sache handelt. Das erscheint mir übergriffig, mitunter überheblich. Leser, Hörerinnen und Zuschauer haben ein Gespür dafür, wenn sie nicht nur informiert und unterhalten werden, sondern wenn sie behandelt werden, als seien sie ein bisschen dumm und ihnen müsste noch etwas beigebracht werden.
Wenn sich Journalismus auf diese Masche einlässt, verliert er seine Glaubwürdigkeit. Den schrillen Ton sollte er den Aktivisten überlassen. Und sie genau im Blick behalten - auch wenn sie für die „gute Sache" kämpfen.