3 subscriptions and 4 subscribers
Article

Südtirol fürchtet um seine Autonomie

Thomas Widmann, stellvertretender SVP-Obmann: „In Italien der Klassenbeste zu sein, reicht nicht.“

Die italienische Parlamentswahl am Sonntag könnte auch für Südtirol entscheidend sein: Die lokale Volkspartei fürchtet um die Unabhängigkeit der Provinz. Und die Freiheitlichen wollen sogar einen eigenen Staat.


Wien ist anders, Tirol auch, Kärnten erst recht. Wenn an den Stammtischen dieser Welt über lokale Eigenheiten diskutiert wird, ist eine Region schnell "anders als der Rest". Wie groß diese Unterschiede tatsächlich sein können, exerziert Südtirol seit 94 Jahren vor. Auch im Vorfeld der Parlamentswahl unterscheidet sich die politische Lage in Südtirol vom Rest Italiens. Der Wahlausgang in Rom scheint weniger zu interessieren. Viel mehr wird darüber diskutiert, welche Konsequenzen die Wahl auf den Autonomiestatus Südtirols haben könnte. Die Provinz will sein Recht auf weitgehende politische Selbstbestimmung eisern verteidigen.


"Unter Monti hatten wir überhaupt kein Mitspracherecht. Unsere Autonomie wurde mit Füßen getreten", sagt Thomas Widmann im SN-Gespräch. Der gebürtige Bozner ist stellvertretender Parteiobmann der Südtiroler Volkspartei (SVP). Damit die Privilegien Südtirols nach der Wahl gewahrt bleiben, ist die SVP einen Pakt mit dem Mitte-Links-Bündnis von Pier Luigi Bersani eingegangen. Eine schwarze Volkspartei, die den Linksblock unterstützt? Für Widmann kein Widerspruch: "Bersani hat uns zugesichert, dass der Autonomiestatus nicht angerührt wird. Das muss über allem stehen." Der Landesrat ergänzt: "Es reicht nicht, wenn man in Italien Klassenbester ist. Wir müssen unsere Autonomie immer weiter ausbauen, um zu vermeiden, dass wir - im schlimmsten Fall - gemeinsam mit Rom untergehen."


Südtiroler Volkspartei in der Krise

Die Parlamentswahl könnte aber auch für die SVP selbst zur Zerreißprobe werden. Die Volkspartei hat seit den 50er-Jahren Südtirol fest in ihrer Hand. Überschattet von Skandalen, etwa Vorwürfen gegen Landeshauptmann Luis Durnwalder wegen Amtsmissbrauchs, kann die SVP mit Verlusten rechnen - und sogar darum zittern, überhaupt Vertreter nach Rom schicken zu können. Die SVP muss die 40-Prozent-Hürde in Südtirol nehmen, um sich ein Vertretungsrecht in Rom zu erkämpfen. Sollte das Ziel verfehlt werden, könnte Südtirol erstmals seit 1948 nur im römischen Senat und nicht in der Abgeordnetenkammer vertreten sein.


Ein weiteres Novum: Erstmalig könnte ein Südtiroler Abgeordneter ohne SVP-Hintergrund ins Parlament einziehen. Der grüne Journalist Florian Kronbichler kandidiert für die italienweite Linkspartei SEL. Hans Heiss, der für die Grünen im Südtiroler Landtag sitzt, traut seinem Bündnis-Kollegen einiges zu: "Florian Kronbichler ist auf Listenposition zwei gereiht, also absolut wählbar." Ein Problem könnte aber die Politverdrossenheit sein, die Südtirol merklich streift. Heiss: "Ich glaube, dass die größte Partei, die der Nicht-Wähler ist."


  "Wir müssen ein eigener Staat werden!"

Wenn es nach den Südtiroler Freiheitlichen geht, ist es gar nicht so wichtig, einen Vertreter nach Rom zu schicken. Fraktionssprecher Pius Leitner betont: "Wer glaubt, dass Südtirol Italien retten kann, mutet sich zu viel zu. Stattdessen sollten wir Südtirol retten." Die Schlussfolgerung für Leitner: "Es reicht nicht, die Autonomie auszubauen. Wir müssen ein eigener Staat werden!"


In einem Punkt sind sich hingegen alle Parteien der erweiterten Mitte einig: Eine Rückkehr zu Österreich steht nicht zur Debatte. Leitner: "Wir haben 150.000 Italiener im Land. Ich habe immer gesagt, dass man aus mir keinen Italiener macht, man kann aber aus den 150.000 ebenso keine Österreicher machen. Außerdem hat Österreich auch nur wenig Interesse, uns zurückzuholen."


Dieser Artikel ist ebenso in der Printausgabe der "Salzburger Nachrichten" erschienen.

Original