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Konfrontation statt Annäherung

Das Verhältnis zwischen Seoul und Pjöngjang ist von einem stetigen Auf und Ab gekennzeichnet. Seitdem Südkorea (Republik Korea, englisch ROK) am 15. August 1948 seine Unabhängigkeit proklamierte und sich im Gegenzug Nordkorea (Demokratische Volksrepublik Korea, DVRK) am 9. September desselben Jahres als unabhängige Volksrepublik konstituierte, wurden Phasen gegenseitiger wüster Beschimpfungen kurzzeitig überlagert von vielversprechenden Annäherungen, um schon bald wieder Tiefpunkte gegenseitiger Entfremdung zu erreichen. Das entscheidende Hindernis auf dem Wege eines zumindest geregelten Miteinanders bleibt bis dato die Präsenz von momentan 28.500 US-Soldaten auf der Halbinsel. Ein Zustand, der von Washington gewollt ist und von den politischen Eliten in Seoul als "Schutzschild" gewünscht bleibt.

Kein Wunder, dass die Regierungen in Pjöngjang - mittlerweile in dritter Generation von der Kim-Familie politisch dominiert - gegen die fortgesetzte US-Präsenz im Süden der Halbinsel Sturm laufen und vor allem die wiederbelebten gemeinsamen Militärmanöver aufs schärfste kritisieren. Diese sind darauf gerichtet, einen "Enthauptungsschlag" gegen die nordkoreanischen Kommandozentralen zu simulieren. Während Südkoreas neuer konservativer Präsident Yoon Suk-Yeol im Wahlkampf dieses Frühjahr der DVRK mit einem "Präventivschlag" gedroht hatte, verabschiedete das nordkoreanische Parlament, die Oberste Volksversammlung, am 8. September Leitlinien für eine neue Atomwaffenpolitik "von großer Bedeutung". Für Nordkoreas Staatschef Kim Jong-Un gilt das Land fortan als (neunte) Atommacht, womit Denuklearisierungsverhandlungen hinfällig geworden seien.

Am Freitag verurteilten die USA und Südkorea im Rahmen der bilateralen "Erweiterten Strategie- und Konsultationsgruppe für Abschreckung" (Extended Deterrence Strategy and Consultation Group) in Washington Nordkoreas neue Nukleardoktrin als "eskalierend und destabilisierend". In einer gemeinsamen Erklärung nach dem Treffen bekräftigte Washington seine "eiserne" Verpflichtung, Seoul beizustehen und auf jeden nordkoreanischen Atomangriff mit einer "überwältigenden und entschiedenen Antwort" zu reagieren. Die USA hätten sich verpflichtet, "weiterhin strategische Mittel in der Region rechtzeitig und effektiv einzusetzen und zu üben, um die DVRK abzuschrecken". So mit der gemeinsamen Ausbildung an F-35-Kampfjets im Juli und mit dem am Montag angekündigten Einsatz des US-Flugzeugträgers "USS Ronald Reagan" - der erste seit 2018, als die USA und die ROK viele ihrer gemeinsamen militärischen Aktivitäten im Zuge der diplomatischen Bemühungen um eine Annäherung an Pjöngjang ausgesetzt hatten.

Doch auch auf der Koreanischen Halbinsel gilt: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Fast zeitgleich mit der Entscheidung der Obersten Volksversammlung in Pjöngjang machte sich Südkoreas Vereinigungsminister Kwon Young-Se während einer improvisierten Pressekonferenz im Regierungskomplex in Seoul für die Wiederaufnahme von Treffen zur Wiedervereinigung getrennter Familien stark. Laut der südkoreanischen Agentur Yonhap schlug Kwon vor, dass sich Beamte der beiden Koreas so bald wie möglich zusammensetzen sollten, um "grundlegende Lösungen" für die seit dem Koreakrieg (1950-1953) getrennten Familien zu finden. Wie solche "grundlegenden Lösungen" aussehen könnten, ließ der Minister allerdings offen.

In der Vergangenheit hat es zwar staatlich streng regulierte Treffen gegeben, auf denen sich getrennte Familienangehörige aus Süd- und Nordkorea wiedersehen konnten. Allerdings handelte es sich dabei um jeweils kurze Veranstaltungen mit Symbolcharakter. Im August dieses Jahres lebten knapp 43.800 Menschen in den beiden koreanischen Staaten getrennt von ihren Angehörigen. Das sind rund 4.000 weniger als im vergangenen Jahr.

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