Meine Eltern sind kurz nach Ausbruch der Iranischen Revolution 1978/79 mit mir nach Deutschland geflohen. Sie wollten nicht in einem Land aufwachsen, das nicht das verkörperte, wofür sie gelebt hatten: Freiheit und Fortschritt. Den Rückschritt in eine Theokratie konnten sie nicht verkraften. Die Iraner leben seitdem in einem repressiven System, in dem man seine Meinung nicht frei äußern kann, in dem Frauen diskriminiert werden. Alles, was wir als normal empfinden, Literatur, Magazine, Filme, Musik, wird dort zensiert. Es ist irrsinnig traurig zu sehen, wie die Heimat, in der ich aufgewachsen bin, bis ich neun war, eine Entwicklung genommen hat, in der es für mich als Freigeist nicht lebenswert wäre.
Nachdem ich Iran verlassen hatte, habe ich die Politik im Allgemeinen eigentlich ad acta gelegt, weil sie für mich heuchlerisch war. Nur zweimal war ich wieder dort. Einmal mit 18 mit meiner Mutter, ein semi-gutes Erlebnis, und vor ein paar Jahren aus Sehnsucht. Das letzte Mal fand ich es so schön, meine kulturelle Herkunft zu entdecken, dass ich am liebsten jedes Jahr hinfahren würde. Leider erlaubt das mein Zeitplan nicht. Die Stimmung war sehr modern, man konnte fast die Start-ups um die Ecke riechen, die Globalisierung war zu spüren, aber eben auch, dass es an vielem fehlt. Dem Großteil der Bevölkerung geht es sehr schlecht. Die Privilegierten haben heimlich Spaß. Das macht nachdenklich - was wäre aus mir geworden, wenn ich dort geblieben wäre? Eine Hausfrau? Oder jemand, der sich im Untergrund politisch engagiert? Bei den letzten Wahlen wurde Hassan Ruhani zum Präsidenten gewählt und hat sich zum Glück gegen den extrem konservativen Ebrahim Raisi durchgesetzt. Nichtsdestotrotz liegt die Macht nicht beim Staatsführer, sondern mehr beim Religionsführer. Aus der deutschen Perspektive ist es auch gar nicht verständlich, warum jemand gewählt wird und dann jemand anderes bestimmt. Ich habe mir die Frage gestellt, ob die Nachkommen der Religionsführer eine modernere Sicht auf die Welt haben könnten.
Weltpolitisch verschärft sich im Vergleich zu den achtziger Jahren, in denen ich aufgewachsen bin und in denen es relativ harmonisch war in Europa, ohnehin gerade alles. Über meine iranische Herkunft habe ich in Deutschland wenig nachgedacht, denn ich habe hier ein uneingeschränktes, freies Leben und kann machen, was ich will. Trumps Einreiseverbot hat mich aufgewühlt. Ich dachte: Was soll das? Plötzlich war ich selbst betroffen, da ich sowohl einen deutschen als auch einen iranischen Pass besitze. Aus diesem Grund habe ich ein Schild mit den Worten „I'm an immigrant" bei meiner Modenschau in Kopenhagen hochgehalten. Ich wollte meine Stimme erheben und für unsere freiheitlichen Werte demonstrieren.
Ich bin in der Türkei geboren und mit vier Jahren nach Deutschland gezogen. Seit vergangenem Dezember habe ich die deutsche Staatsbürgerschaft. Eigentlich wollte ich sie schon vor 20 Jahren beantragen, aber die bürokratischen Hürden haben mich immer wieder davon abgehalten. Weil das Reisen mit dem deutschen Pass viel unproblematischer ist, habe ich mich dann doch dazu überwinden können, die vielen Formalitäten endlich fertigzustellen. In der Türkei fühle ich mich seit vielen Jahren eher wie ein Tourist. Natürlich kann ich die Stadt, in der Regel ist es Istanbul, anders lesen als normale Touristen, weil ich die Sprache spreche. Nichtsdestotrotz ist es eher ein fremdes Land für mich. Was momentan in der Türkei passiert, verfolge ich genauso sehr wie mein politisch interessiertes kritisches deutsches Umfeld. Ich bin froh, dass ich in Europa aufgewachsen bin, dass ich mich nicht einschränken muss, dass ich meine Meinung frei äußern darf und nicht all das durchmachen muss, was die Menschen dort gerade durchmachen.
Die Entwicklung in der Türkei finde ich natürlich erschreckend, und es trifft mich emotional. Seit Recep Tayyip Erdogan an der Macht ist, scheint es für Andersdenkende immer schwieriger zu werden, in Freiheit zu leben. Ich glaube schon, dass eine Art Einschüchterung stattfindet. Wer nicht regierungskonform ist, kann sich nicht mehr so frei bewegen und so frei äußern, wie er es will. Mein Gefühl ist, dass es noch konservativer und strenger werden könnte. Aber ich weiß nicht, wie der Großteil der Bevölkerung reagiert. Das hängt sicherlich vom Bildungsgrad ab. Vielleicht wird die Mehrheit Erdogan weiterhin gut finden, solange sie Arbeit und genug zu essen haben. Ich kann mir aber vorstellen, dass vor allem die kreativen und gebildeten liberalen Türken das Land verlassen, wenn sie sich zu eingeschränkt fühlen und gehen können. Zur Zeit will ich selbst aufgrund der Stimmung auch gar nicht hinfahren. Das schadet aber natürlich dem ganzen Land und trifft unter Umständen die Falschen.
Ich habe auch eine Produktion in Istanbul, in der ich Sweatshirts und T-Shirts produzieren lasse. Die habe ich ein paar Mal besucht, seitdem funktioniert es aber auch per Telefon und Mail wunderbar. Mit dieser Firma würde ich gerne weiterarbeiten, wenn wir wieder T-Shirts in unserer Kollektion haben. So weit ich weiß, ist das weiterhin recht unproblematisch möglich.
Die gesellschaftliche und politische Situation in Uganda beschäftigt mich sehr, weil ich bis zu meinem 18. Lebensjahr dort aufgewachsen bin. Ich war auf einer Internationalen Schule, und allein das ist eine Ablehnung gegenüber dem örtlichen Bildungssystem. Wir haben dort kaum etwas über die Kolonialgeschichte des Landes gelernt, und uns wurde stetig vermittelt, alles aus dem Ausland sei besser. Das Lokale wurde ignoriert, das ist noch immer eine grundsätzliche Mentalität in Uganda. Das hat Auswirkungen auf die Wirtschaft, weil die Menschen eher Produkte aus dem Ausland importieren wollen, statt selbst zu produzieren.
Als die britischen Kolonialmächte in das Land kamen, haben sie den Leuten gesagt, dass die Art und Weise, wie sie Dinge machen, falsch ist, und ihnen die Ideale des weißen Manns aufgezwungen. Daraus hat sich ein Minderwertigkeitskomplex entwickelt, der noch heute koloniales Erbe ist. Uganda ist ein stolzes, warmherziges Land, aber die Kolonialzeit und die nachfolgende Abhängigkeit von westlicher Entwicklungshilfe ebenso wie die korrupte politische Riege erschweren die Entwicklung. Die Entwicklungshilfe, viel davon aus Deutschland, wird mittlerweile überwiegend vom privaten Sektor geführt. Der hat natürlich privatwirtschaftliche Interessen, was nicht unbedingt schlecht sein muss, weil so Arbeitsplätze und industrielle Infrastruktur geschaffen werden.
Das große Problem aber ist, dass den Ugandern noch immer das Selbstwertgefühl fehlt, etwas Eigenes aufzubauen, obwohl das Land ein wahnsinniges wirtschaftliches Potential hat. Die zwei großen Exportgüter sind Kaffee und Baumwolle. Aber während meiner 15 Jahre in Uganda hatte ich nicht ein einziges Kleidungsstück aus heimischer Baumwolle und heimischer Produktion - und genau das möchte ich als Designer mit meinen Projekten angehen. Die Leute haben sich stattdessen auf riesigen Flohmärkten gebrauchte Kleidung, eigentlich Abfallprodukte, aus Europa und Amerika gekauft. Nun wollen einige ostafrikanische Staaten die Einfuhr importierter Second-Hand-Kleidung reduzieren, um der eigenen Produktion eine Chance zu geben. Aber die Vereinigten Staaten drohen das internationale Handelsabkommen AGOA aufzukündigen, falls das passieren sollte, weil der Handel mit gebrauchter Kleidung für sie sehr profitabel ist. Das ist neokolonialistisch. So wie die Missionarsarbeit einiger christlicher amerikanischer Organisationen, die zwar Schulen bauen, aber zugleich konservative, homophobe Ideologien exportieren. Dabei handelt es sich dort, entgegen westlicher Vorurteile, um eine pluralistische Gesellschaft, in der Christen, Muslime und Hindus friedlich miteinander leben.
In der Nacht, in der Barack Obama die Wahl gewann, bin ich nach London gezogen. Die Stimmung war von Freude geprägt, weil das der amerikanische Traum schlechthin war: Du kannst aus dem Nichts kommen und alles erreichen. Das war für mich aufregend, weil ich einen Bezug dazu hatte. Wir hatten acht wundervolle Jahre, aber was jetzt passiert, gleicht eher einer Reality-Fernsehsendung. Ich selbst muss aufpassen, es nicht als Satire zu betrachten. Dabei ist die Situation in zweierlei Hinsicht interessant. In Deutschland haben wir noch alle Möglichkeiten, und auch in den Vereinigten Staaten gibt es sie. Dort gibt es aber auch viele Menschen, die diesen Möglichkeiten ein Ende setzen wollen. Erstaunlicherweise könnte das Ganze aber auch auf eine gute Weise enden, auch wenn es momentan kompliziert ist und sehr unangenehm für die meisten Amerikaner. Langfristig könnte es zum Beispiel das Thema der ökonomischen Disparität auf die Tagesordnung bringen, auf die Amerika und die Welt schauen müssen. Ich habe Donald Trump nicht gewählt, aber meine Mutter und mein Bruder. Ich versuche, nicht böse zu sein auf ihre politische Orientierung. Mein Bruder hört sich nur konservative Radiosendungen an, also weiß er auch nichts anderes. Beide leben im Bundesstaat Georgia, mein Bruder sieht sich als Republikaner. Meine Mutter sagt, dass sie einen Mann an der Spitze sehen will, der seine Meinung sagt.
Ich hatte es im Gefühl, dass Trump gewinnen würde. Amerikaner lieben das Fernsehen und die Fernsehstars. Wer auch immer die meiste Sendezeit hat, wird die Wahl gewinnen, selbst wenn mit ihm schlechte Nachrichten verbunden sind. Es geht um die Reichweite, nicht darum, wer der beste Kandidat ist. Die Leute dachten, dass Hillary Clinton einen besseren Job machen würde, aber sie kannten Donald Trump besser aus dem Fernsehen.
Im Durchschnitt sind 40 Prozent der Bevölkerung konservativ und 40 Prozent liberal. Es sind die 20 Prozent, die weder das eine noch das andere sind, die am Ende die Wahl entscheiden. Sie informieren sich tendenziell nicht, sondern entscheiden schlicht und einfach nach Bekanntheit.
Barack Obama hat sich in seiner Zeit um die Gesundheitsversorgung gekümmert und die Rechte von Homosexuellen gestärkt. Aber ich habe trotzdem die Hoffnung, dass diese Tragödie, die sich jetzt abspielt, ein gutes Ende haben kann. Es könnte uns dazu bringen, Schwierigkeiten zu überwinden und Dinge wie die Steuerproblematik anzugehen, die unter Hillary Clinton möglicherweise nicht besprochen worden wären. Wenn etwas Schlechtes passiert, kann es nur besser werden. Und bis dahin: Beten wir, dass alles gutgeht.
Ich verfolge jeden Tag, was im polnischen Parlament passiert, und was sich dort zur Zeit abspielt, ist dramatisch. Das Land wird de facto von Jaroslaw Kaczynski regiert, dem Vorsitzenden der nationalkonservativen polnischen Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit" (PiS). Der Präsident Andrzej Duda ist aus derselben Partei und eigentlich nur ein verlängerter Arm Kaczynskis. Die Minister werden von seiner Partei bestimmt, die Rechte oppositioneller Parteien immer mehr eingeschränkt. Einmal im Monat gibt es eine Gedenksitzung für Kaczynskis verstorbenen Zwillingsbruder, und niemand darf dagegen protestieren. Die Art, wie oppositionelle Parlamentarier beschimpft werden, wäre in anderen europäischen Ländern undenkbar.
In den vergangenen 20 Jahren hat Polen einen enormen Aufschwung geschafft, es gab ein wahnsinniges Wirtschaftswachstum und den EU-Beitritt. Natürlich hatte die letzte Regierung auch Probleme, so etwa die Korruption, aber das war nicht ungewöhnlich, da es noch ein Land im Entstehungsprozess war, das es vor 100 Jahren so nicht gab. Trotzdem hat die Bevölkerung die ganzen positiven Entwicklungen nicht gesehen, und davon hat Kaczynskis Partei profitiert.
Im Wahlkampf gibt sich die PiS gerne als Partei für alle und gewinnt damit die Unterstützung der weniger gebildeten Bürger. So hat sie das Kindergeld erhöht und subventioniert die katholische Kirche wahnsinnig - was allerdings den Haushalt ruiniert. Aber damit gewinnt sie die Zustimmung eines großen Teils der Menschen, vor allem der Älteren, die gläubig sind und die nicht vom Aufschwung profitiert haben. Das verstehe ich nicht, weil ja gerade die Älteren Krieg und Kommunismus kennen. Mit der Justizreform geht es noch mehr in Richtung Totalitarismus. Wenn die Regierung Einfluss auf die Verfassung und die Justizorgane nehmen kann, dann hat das nicht mehr viel mit Demokratie zu tun. Es werden auch immer mehr Kampagnen geführt, die gegen die Rechte von Frauen, von Homosexuellen und anderen Minderheiten gehen. Die Europäische Union hat bislang nicht viel dagegen gemacht.
Mit einer so konservativen Regierungspartei ist Polen vor zwei Jahren stehen geblieben. Was in den vergangenen 20 Jahren erreicht wurde, ist nun davon bedroht, wieder zerstört zu werden. Auf der anderen Seite gehen jeden Tag Hunderte, Tausende von Menschen auf die Straße, um zu protestieren. Bei der 2015 gegründeten liberalen Partei Nowoczesna gibt es eine aufstrebende Politikerin, Kamila Gasiuk-Pihowicz. Sie ist 34 Jahre alt, hochgebildet, engagiert. Das ist das neue Polen für mich. Das gibt Hoffnung.
Während des ersten Durchgangs der französischen Präsidentenwahlen in diesem Jahr war ich in Paris. Es war merkwürdig und erschreckend, dass Marine Le Pen vom Front National es durch den ersten Wahlgang geschafft hat und dass es trotzdem kaum echten Widerstand oder Aufruhr gab.
Als ihr Vater, Jean-Marie Le Pen, als Kandidat des Front National im Jahr 2002 den ersten Wahlgang geschafft hatte, war ich 17 Jahre alt und noch zu jung, um zu wählen. Aber ich erinnere mich daran, wie entsetzt die Franzosen waren. Es war ein Skandal, die Menschen waren wirklich aufgebracht, rebellierten und gingen auf die Straße, um gegen den Front National zu demonstrieren.
Was mich dieses Mal so beängstigt hat: dass ich keine oppositionelle Reaktion gesehen habe. Und ich habe mich gefragt, was los war. Handelte es sich einfach nur um eine Protestwahl? Was hat die Menschen so wütend gemacht, dass sie sich der extremen Rechten hingaben? War es die Finanzkrise? Wenn Menschen unglücklich sind, neigen sie dazu, andere für ihre Situation verantwortlich zu machen. Und der Front National spielte mit seiner nationalistischen, einwanderungsfeindlichen Rhetorik in diese Stimmung hinein.
Im zweiten Wahlgang wurde dann Emmanuel Macron zum Präsidenten gewählt. Es ist eher eine Art Kompromiss, weil er natürlich kein Extremer ist, und dafür bin ich dankbar. Was auch immer seine politische Gesinnung sein mag, es kann eine Chance sein, einen jungen Präsidenten zu haben, der neue Perspektiven und Energie in die Regierung bringt.
Seitdem ich in Deutschland lebe, merke ich erst, wie stark soziale Strukturen in Frankreich verankert sind. Es gibt kostenlose Bildung, Gesundheitsversorgung und ein soziales Netz, das ist alles Teil dieses Landes und wird es hoffentlich auch bleiben, egal wer Präsident ist. Das Problem ist die wirtschaftliche Situation, mit der viele nicht zufrieden sind. Außerdem wird durch die Medien Angst geschürt, vor allem was Themen wie Migration oder die Terrorangriffe in Frankreich angeht. Bei diesen Themen generalisieren viele. Es ist beängstigend, dass es ein paar wenige Menschen gibt, durch die eine ganze Gruppe als böse stigmatisiert wird. Das geht gegen grundsätzliche Werte.
Abgesehen von der Politik wirft die gegenwärtige politische Situation Licht auf den Menschen aus einer philosophischen Perspektive. Darauf, wie er denkt und handelt. Auf der einen Seite werden die Grenzen durch die Europäische Union geöffnet. Auf der anderen Seite nehmen nationalistische Einstellungen zu. Es scheint schwer zu sein, aus der Geschichte zu lernen.