Ich dachte immer, ich bin einer von den Guten. Fleischfrei, kein Auto, Feminist, Multikulti-Patchworkfamilie und immer bereit, das System zu ficken, sofern mir jemand erklären konnte, wie das technisch vonstatten zu gehen hatte. Ich stand karmatechnisch und ganz ohne Doppelmoralboden ziemlich solide da, fand ich. Dann musste ich mir eine neue Wohnung suchen. In München.
In den vergangenen vier Monaten habe ich Dinge getan, für die man mich als moralbefreites Arschloch und schlechten Vater bespucken dürfte. Ich habe meine Werte verraten, meine Familie und mich selbst. Ich habe Unschuldige belogen und gehasst. Die Wohnungssuche bricht jegliche Wertvorstellungen und bringt das Schlechteste im Menschen hervor. Dieses System fickt jeden.
Der Beginn verlief blauäugig-idealistisch. Erste Wohnungsbesichtigung, 30 Menschen und ich stehen in einem Hausflur in München-Giesing. Ich habe die Vermieterin in ein Gespräch über die Nachbarschaft verwickelt. Als wir am Küchenfenster stehen, warnt sie plötzlich, dass gegenüber eine Grundschule liege, „in die schon viele Ausländer gehen". Ich werfe ein, dass meine Tochter ja sozusagen auch „halbe Ausländerin" sei und dass die als Kinder schon noch recht nett seien. Fand ich witzig. Die Eigentümerin nicht.