Die Wände sind weiß gefliest, davor zwei Computer, ein 3D-Drucker und um einen Tisch samtene Stühle. Industriestrahler, die gegen die Wände leuchten, sorgen für indirektes Licht, Kopfhörer baumeln an provisorisch zusammengeschraubten Stahlrohren. Alles strahlt eine hip-industrielle Atmosphäre aus in dem roten Backsteinbau mit morbidem Industriecharme, in der es nur wenige beheizte Räume, aber viele zerbrochene Fenster gibt. Einen Monat lang haben junge Künstlerinnen und Künstler hier in Zeitz in einer alten verlassenen Nudelfabrik gearbeitet.
"Das ist halt nicht so ein konventioneller Pinsel, dreckige Leinwand-Ateliers, sondern ein bisschen mehr Computer und Technik", sagt Fabian Lehmann. Mit Yannick Harter aus der Gruppe "This is Fake" arbeitet er hier zu virtueller Kunst. So surreal wie ihr Atelier sind auch ihre Kunstwerke, die eine Abschlussausstellung in der Fabrik zeigt. Motive aus der stillgelegten Nudelfabrik blitzen in allen Arbeiten auf, wie ein einbetoniertes Smartphone, ein Fundstück von hier. Beeindruckend sind vor allem die von ihnen geschaffenen virtuellen Welten, die mit der VR-Brille erlebbar werden. In der alten Fabrik treffen so Überreste einer vergangenen Zeit auf moderne Kunst.
Für die Weimarer Künstlerin und Fotografin Sibylle Mania liegt Ateliers ein ganz besonderer Zauber inne. Und so hat sie vor ein paar Jahren angefangen, sie zu fotografieren. Daraus ist ein Bildband geworden, "Blicke in 19 Ateliers", erschienen vor kurzem im Arnoldsche Verlag. Zu sehen sind ruhige, etwas entrückte schwarz-weiß-Bilder, auf denen immer nur die Räumlichkeiten zu sehen sind - und nicht die normalerweise darin arbeitenden Menschen. Beispielhaft lässt sich an der Künstlerfamilie Möhwald ablesen, wie komplett unterschiedlich Ateliers aussehen können: Das Atelier des Vaters Otto Möhwald (früher Malerei-Professor an der Burg Giebichenstein in Halle) wirkt hell, leer und in seiner Aufgeräumtheit geradezu streng. Ein paar Pinsel sind zu sehen, ein Spiegel, ein Stuhl, eine Staffelei. In Sohn Martin Möhwalds Keramikwerkstatt dagegen herrscht fürs ungeübte Auge heilloses Chaos, Materialien und fertige Objekte stapeln sich wild auf Tischen und in Regalen, teilweise bereits überzogen von Spinnenweben. Für Sibylle Mania eine umso spannendere Szenerie. Sie sagt, man könne aus solchen Arbeitsorten viel über die Kunst der jeweiligen Personen lernen. Ateliers können ausufernde Gesamtkunstwerke sein oder nüchterne Arbeitsorte - das merkt man beim Durchblättern des Buches.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Spezial "Genius loci - Wo Kunst entsteht" | 27. November 2020 | 18:05 Uhr