2 subscriptions and 1 subscriber
Article

Studentisches Wohnen: Letzter Ausweg Notschlafstelle

Die Wohnungssuche für Studenten wird immer härter. Längst sind in den großen Unistädten Notunterkünfte zur festen Einrichtung geworden. Besserung ist auch nach dem letzten Wohngipfel nicht in Sicht.


In wenigen Tagen beginnt an den ersten deutschen Universitäten das Wintersemester. Für viele junge Menschen startet ein neuer Lebensabschnitt, der oft mit dem Umzug in eine neue Stadt einhergeht. Doch die steigenden Mietpreise machen Studierenden zu schaffen. Gerade in den Großstädten ist es schwer, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Jana Thomas kennt das Problem schon lange und engagiert sich als Projektleiterin beim Allgemeinen Studierendenausschuss der Universität Köln. Sie kümmert sich vor allem um jene Studierenden, die bei der Wohnungssuche leer ausgehen. Das Problem ist so groß, dass die Kölner Studierendenvertretung in jedem Wintersemester, in dem traditionell die meisten Studiengänge beginnen, für zwei Wochen eine Notschlafstelle für Studierende einrichtet. Jana Thomas ist als Betreuerin aktiv, für dieses Wintersemester haben sich bereits 20 Studierende bei ihr gemeldet. Einige sprängen zwar erfahrungsgemäß ab, weil sie doch noch einen Schlafplatz bei Kommilitonen fänden, dennoch rechnet sie damit, dass die Zahl kurz vor Semesterbeginn noch steigen wird.


Luxus können die Studierenden in den bereitgestellten Räumlichkeiten nicht erwarten. „Es handelt sich einfach um einen großen Raum mit Luftmatratzen und Tischen. Mit Vorhängen schaffen wir zumindest ein bisschen Privatsphäre. Es ist halt nur eine Notunterkunft", sagt Jana Thomas. Die Stimmung unter den Studierenden sei aber nicht schlecht gewesen - die Tage vergingen ohne dauerhaftes Selbstmitleid. Aber natürlich seien viele Studierende übers Wochenende zu ihren Eltern gefahren, um der Enge möglichst zu entgehen. Die Einrichtung sei spartanisch und der Raum zur individuellen Entfaltung begrenzt. Die Kölner Notunterkunft, die wir auf Bitten des Studierendenaussschusses nicht bildlich zeigen, nur für das Nötigste reichen. Nach aufreibenden ersten Uni-Tagen zur Ruhe zu kommen oder sich vernünftig auf die anstehenden Seminare vorzubereiten, dürfte schwerfallen.


Die Hilfe der Studierendenvertretung endet aber nicht bei den zur Verfügung gestellten Schlafmöglichkeiten. Jana Thomas hilft den Betroffenen auch dabei, eine feste Unterkunft zu finden. Dafür sammelt der Allgemeine Studierendenausschuss Wohnungsangebote, die er an die Studierenden weitergibt. Tatsächlich gebe es viele Menschen, die ihre Wohnung oder ihr Zimmer zur Verfügung stellen, sagt Thomas. Nachdem große Zeitungen und Radiosender im vergangenen Jahr über die Kölner Notschlafstelle berichtet hatten, erreichte sie eine Welle der Solidarität. Private Vermieter meldeten sich, darunter viele ältere Menschen, deren Kinder bereits ausgezogen waren, und boten freie Zimmer an. Trotzdem sei es vor allem für männliche Studierende aus dem Ausland schwer, eine Wohnung zu bekommen, sagt Thomas. „Es ist schade, dass einige Vermieter so viele Vorurteile haben", so die Projektleiterin, die froh darüber ist, dennoch immer nach den ersten Vorlesungswochen die meisten wohnungslosen Studierenden vermittelt zu haben.


Jana Thomas ist inzwischen geübt darin, viele Wohnungsangebote bereits im Vorfeld auszusieben. Wohnungen in einem schlechten Zustand fallen ebenso aus dem Inseratepool wie diskriminierende Angebote - wer ausschließlich Frauen oder ausländische Studierende nicht bei sich wohnen lassen möchte, wird nicht aufgenommen. „Locker die Hälfte sortiere ich aus. Das meiste nicht wegen eines Mietpreises von mehr als 500 Euro, sondern wegen Diskriminierung oder auch wegen Überteuerung in Bezug auf das Angebot", so Thomas. Einige Vermieter würden zum Beispiel Gästezimmer ohne Küchenmitbenutzung für 400 Euro monatlich anbieten. Das könnten sich die meisten Studierenden schlicht nicht leisten, wenn sie keine großzügige Unterstützung durch die Eltern bekommen. Die Ausbildungsförderung BAföG zum Beispiel veranschlagt lediglich 250 Euro fürs Wohnen - in der Domstadt eine unrealistische Summe. Lediglich die subventionierten Studierendenwerke böten Wohnraum im relativ niedrigen Preissegment an. „Das ist die einzige realistische Chance, in Köln eine Miete unter 300 Euro zu bekommen", sagt sie.


„Es macht die Stadt kaputt, wenn sich nur noch Reiche Wohnen leisten können"

Dass die hohen Mieten Menschen mit niedrigerem Einkommen aus den Städten vertreiben, sei ein großer Missstand, sagt Jana Thomas: „Es macht die Stadt kaputt, wenn sich nur noch Reiche Wohnen leisten können. Das nimmt die Diversität raus." Und Studierende befinden sich mit Geringverdienern, Sozialhilfeempfängern sowie Rentnern in einem Wohnungskampf. Vor allem die Kommunen stünden jetzt in der Verantwortung, sich um günstigen Wohnraum zu bemühen.


Während die Mieten stiegen und immer mehr Menschen auf günstige Wohnungen angewiesen sind, verringerte sich jedoch gleichzeitig das Angebot an Sozialwohnungen. Dafür gibt es zwei Gründe: zum einen ist die Sozialbindung verfallen, weil die Mieter nicht mehr unter der Einkommensgrenze verdienten oder die Wohnungen nach 35 bis 40 Jahren aus der öffentlichen Förderung herausgefallen sind. Zum anderen werden deutlich weniger Sozialwohnungen gebaut. Von 2006 bis 2016 verringerte sich der Bestand an Sozialwohnungen um 830.000 aus 1,24 Millionen. Eigentlich sollten nach der Föderalismusreform 2006 die Länder allein für den sozialen Wohnungsbau verantwortlich sein, zum Ausgleich erhielten sie Entflechtungsmittel, die allerdings nicht zweckgebunden waren. Mehr als die Hälfte der Bundesländer gaben weniger Geld für den sozialen Wohnungsbau aus als sie dafür zur Verfügung bekamen - Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt bauten 2016 überhaupt keine neuen Sozialwohnungen.


Werde nicht mehr gebaut, würde die Zahl an Sozialwohnungen in den nächsten zwei Jahren auf 1,07 Millionen weiter sinken, prognostiziert die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Im Koalitionsvertrag einigte sich die Große Koalition bereits darauf, dem Thema „Wohnen" besondere Aufmerksamkeit einzuräumen. Auf dem Wohngipfel in der vergangenen Woche hat die Bundesregierung unter anderem entschieden, bis 2021 insgesamt 100.000 neue Sozialwohnungen zu bauen. Dafür stellt sie den Ländern fünf Milliarden Euro zur Verfügung - zweckgebunden. Auch plant sie eine Verschärfung der Mitpreisbremse mit erweiterten Auskunftspflichten für den Vermieter - doch der Ertrag der Maßnahme bleibt zweifelhaft. Und auch die Aufstockung des Wohngeldes wird einem Großteil der Studierenden nicht helfen. Denn wer dem Grunde nach BAföG-berechtigt ist - und das sind prinzipiell auch Studierende, die die Förderung nicht erhalten -, hat auf die Beihilfe keinen Anspruch. Ausnahmen gibt es nur wenige.


Inwiefern Studierende also Nutznießer der zusätzlichen Investitionen sein werden, bleibt abzuwarten. Eine Verbesserung der Situation erscheint vorerst Zukunftsmusik zu sein, die für die nächste Studierendengeneration eher als leises Hintergrundrauschen zu vernehmen sein dürfte. Bis dahin wird die Notschlafstelle wohl weiterhin für manche Studierende der letzte Zufluchtsort sein.

Original