Till Zeyn: Im Vergleich mit anderen Hochschulen ist das ziemlich hoch, ja. Aber zufrieden sind wir damit trotzdem nicht.
Ein Viertel der Studierenden ist schon realistisch - zumindest in ein paar Jahren. Und Grundsatz muss natürlich sein: Je höher die Wahlbeteiligung, desto besser.
Dafür gibt es viele Gründe. Einerseits geht die Wahl über fünf Tage. Außerdem haben wir wahnsinnig viele aktive Hochschulgruppen, die an jedem Wahltag Studierende informieren. Das Ganze ist sehr professionalisiert - von der Organisation bis zum Design. Zudem informiert der Allgemeine Studierendenausschuss die Studierenden auch direkt in Vorlesungen, die Hochschullisten nutzen Social Media-Kanäle, das Campusradio wirkt mit. Es wird sehr viel Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Und in Teilen liegt die hohe Wahlbeteiligung auch an der Stadt Münster selbst. Hier herrscht großes studentisches Leben, viele bringen sich in Hochschulgruppen ein. Es ist eher ungewöhnlich, wenn man in keiner Mitglied ist.
Das ist gut denkbar.
Ich würde nicht behaupten, dass es hier komplett anders ist. Wir haben auch Stände, an denen Listenvertretende die Studierenden informieren, aber das wird nicht so stark wahrgenommen, weil viele behaupten, sie hätten bereits gewählt. Wenn man danach gehen würde, hätten wir eine Wahlbeteiligung von 100 Prozent. Wir haben uns aber auch mit dem Ordnungsamt der Stadt Münster darauf geeinigt, dass die Plakate in der Stadt eine Woche vor der Wahl aufgehängt werden dürfen. Bedingt dadurch, dass wir keine Campus-Uni haben, sind überall in der Stadt Plakate auf universitärem Gelände verteilt. Darüber hinaus kann man in 34 universitären Gebäuden seine Stimme abgeben - also in der gesamten Stadt.
Nein, die Wahl ist allgegenwärtig.
Es gibt listenübergreifende Themen, die immer wieder aufkommen: das Online-Lernangebot, längere Bibliotheksöffnungszeiten, besseres Essensangebot in den Mensen oder bezahlbarer Wohnraum zum Beispiel.
Das ist schon der Schwerpunkt, aber es gibt darüber hinaus auch größere Themen wie das neue Hochschulgesetz, das in Nordrhein-Westfalen eingeführt werden soll. Im Wahlkampf wurde sich auch viel mit der Wiederermöglichung von Anwesenheitspflichten beschäftigt.
Einerseits schon, aber man hat auch gesehen, dass manche Listen Veränderungen durchleben. Nach und nach haben sich alle Hochschulgruppen gegen die Anwesenheitspflicht ausgesprochen - auch der Ring Christlich-Demokratischer Studenten und die Liberale Hochschulgruppe, deren politischen Äquivalente CDU und FDP das neue Gesetz durchsetzen wollen. Man reicht sich eher die Hand, um eine größere Stimme zu haben.
Es hat Auswirkungen, wie Hochschulpolitik ihre Schwerpunkte präsentiert. Aber eine Reduzierung darauf genügt nicht. Wir machen vieles gut. Aber man muss sich vor Augen halten, dass immer noch nur 8500 von potentiell 45.000 Studierenden wählen gehen.
Klar, man kann anführen, dass wegen der geringen Beteiligung keine allzu große Legitimität besteht. Bei jeder anderen Wahl würde man aus demokratischer Sicht sagen, die Wahl repräsentiere gar nicht die Wählerschaft und deren Interessen. Aber im Endeffekt könnte man den Spieß auch umdrehen und der Frage nachgehen, warum nicht gewählt wird.
Die inhaltlichen Schwerpunkte und auch die Relevanz von Hochschulpolitik wird nicht wahrgenommen. Aber viele Studierende informieren sich auch nicht aus eigenen Antrieb.
Das ist zum Teil auch so.
Neulich hatten wir einen Antrag über verfassungsfeindliche Symbole im Studierendenparlament. Klar, ein wichtiges Thema, aber da befinden wir uns im strafrechtlichem Rahmen und eine Ahndung durch die Polizei ist ganz einfach möglich. Für solche Sachen benötigt es keine interne Regelung. Man beschäftigt sich mit irgendwelchen hypothetischen Problemen und meint, vermeintliche Lücken schließen zu müssen. Das hält vom Wesentlichen ab.
Dann würde es vielleicht kein so gut ausgebautes Angebot in den Mensen geben, keine wirkliche Beschäftigung mit dem Wohnraumproblem stattfinden und es würde auch kein Semesterticket geben, das von den Studierendenvertretungen und nicht von der Universität ausgehandelt wird. Und ja, genau das müssen Hochschulpolitiker und Hochschulpolitikerinnen ins Bewusstsein rufen. Häufig verteilen wir auch nur Aufträge an Gremien, die direkt zuständig sind, die Einfluss auf die Hochschule, das Studierendenwerk oder die Stadt nehmen können.
Genau.
Gerade im Senat ist doch die studentische Stimme wichtig. Er gilt als eines der höchsten Gremien an der Universität.
Dort werden alle wegweisenden Entscheidungen der Ausrichtung einer Universität getroffen. Dort geht es zum Beispiel um grundsätzliche Fragen wie die Wiedereinführung von Anwesenheitspflichten, die die Universitäten selbst entscheiden können. Daher ist es auch wichtig, dass mehr Studierende im Gremium sitzen.
Vor einiger Zeit wurde ein Tierschutzleitbild verabschiedet. Hintergrund war: Es gab Berichte darüber, dass in einem Institut Mäuse zu Forschungszwecken gehalten und illegale Tierversuche unternommen wurden. Dass nach Veröffentlichung dieser Vorkommnisse das Tierschutzleitbild verabschiedet wurde, ist ein Erfolg der Studierenden. So etwas zu transportieren ist Aufgabe von Hochschulpolitikern und Hochschulpolitikerinnen.
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Till Zeyn, 21, ist Präsident des Studierendenparlaments der Universität Münster und seit zwei Jahren in der Hochschulpolitik bei CampusGrün aktiv. Neben der Hochschulpolitik studiert er Geographie und beschäftigt sich mit nachhaltiger Stadtentwicklung.
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