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Skandal prallt an Jaroslaw Kaczynski und seiner PiS-Partei ab

Ganz entspannt: PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski präsentiert in Warschau die Ergebnisse der Europawahl. | Quelle: AFP

Laut Enthüllungen der polnischen Zeitung „Gazeta Wyborcza" hat PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski seine Macht für persönliche Millionengeschäfte genutzt. Die Europawahlen zeigen: Ihm und seiner Partei hat der Skandal kaum geschadet - im Gegenteil.

Eigentlich dürfte es das Ergebnis der Europawahl in Polen gar nicht geben. Die Regierungspartei PiS mit ihrem Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski hat im Vergleich zu den EU-Wahlen 2014 deutlich zugelegt und ist mit 45,4 Prozent der Stimmen eindeutig stärkste Kraft.

Dabei wurde Anfang des Jahres ein Fall bekannt, der die Existenz einer in Polen beispiellosen Verquickung von Politik und wirtschaftlichen Interessen zeigt - und dass Kaczynski, der mächtigste Politiker des Landes, im Zentrum dieses Skandals steht, der nie einer wurde.

Am 29. Januar dieses Jahres veröffentlichte die regierungskritische Zeitung „Gazeta Wyborcza" die „Kaczynski-Aufnahmen", so der Titel der ersten Enthüllung. Die Oppositionszeitung war an Gesprächsmitschnitte eines geheimen Geschäftstreffens, an dem PiS-Parteichef Kaczynski teilnahm, gelangt.

Darin verhandelte er mit einem österreichischen Bauunternehmer knallhart über ein Immobilienprojekt in Warschau. 1,3 Milliarden Zloty, umgerechnet mehr als 300 Millionen Euro, sollten in zwei 190 Meter hohe Bürotürme für eine Kapitalgesellschaft namens Srebrna fließen. Ihr prominentestes Aufsichtsratsmitglied: Kaczynski selbst.

In den folgenden Wochen veröffentlichte die „Gazeta Wyborcza" häppchenweise immer mehr Details über den Fall. Sie zeigen, dass Kaczynski nicht derjenige ist, den die Regierungspropaganda abbildet: Er ist nicht der selbstlose Patriot, der nichts für Geld übrighat, sondern ein kühl kalkulierender Geschäftsmann.

Jede andere Partei wäre nach den Enthüllungen in Umfragen abgestraft, jede andere politische Führungsfigur beschädigt worden. Nun aber, nach den Europawahlen, wird abermals klar, dass die PiS keine Partei wie jede andere ist und Kaczynski keine Führungsfigur wie jede andere.

„Warum sollte ich Kaczynski nicht mehr vertrauen?", fragt Rafal Pytko erstaunt. Der 24-Jährige sitzt während seiner Mittagspause in einem italienischen Restaurant in Warschaus Stadtzentrum. Hier, in einem der gläsernen Hochhäuser, arbeitet er in einer großen Anwaltskanzlei. „Er hat nichts Illegales getan, auch wollte er sich nichts in die eigenen Taschen wirtschaften", sagt er.

Seitdem Pytko wählen kann, entscheidet er sich bei fast jeder Gelegenheit für die PiS. Er wird es auch bei den polnischen Parlamentswahlen im Herbst tun. Der von der Partei vorangetriebene radikale Umbau der Gerichte und ihr autoritärer Regierungsstil sind für ihn keine Gründe, sich gegen sie zu entscheiden.

„Das muss man sich alles genauer anschauen", sagt er beschwichtigend. Noch weniger stören ihn die veröffentlichten Aufnahmen. „Die zeigen doch nur, wie gut Kaczynski verhandeln kann und wie gut er sich in rechtlichen Fragen auskennt", sagt er über den promovierten Juristen.

Dass PiS-Wähler wie Pytko den Srebrna-Fall als Nichtigkeit abtun, zeugt davon, wie wenig die oppositionellen Medien zu ihnen durchdringen oder wie wenig ihnen vertraut wird. „Den PiS-Anhängern wurde eine journalistische Bombe versprochen, bekommen haben sie aber eine Mischung aus altbekannten und neuen Infos, verworren und schwer zu verstehen", erklärt Bartlomiej Radziejewski WELT.

Der Direktor des konservativen Thinktanks Nowa Konfederacja bewertet es als taktischen Fehler, wie das Material veröffentlicht wurde. Bereits vor dem 29. Januar deuteten Journalisten der „Gazeta Wyborcza" an, über Informationen zu verfügen, die, wenn sie bekannt werden, zu einer Regierungskrise führen müssen. Die allerdings ist ausgeblieben.

„Oppositionelle Medien wirken hysterisch"

„Die Mehrheit der oppositionellen Medien wirkt hysterisch, bezeichnet die PiS sowieso als totalitär, korrupt oder wahnsinnig. Die Wähler von Kaczynskis Partei sehen das anders", sagt Radziejewski. „Die Affäre hat weder die Grundüberzeugungen der einen noch der anderen Seite verändert." Die Anhänger der Opposition bewegt der Fall durchaus - was bei der geringen Wählerwanderung in Polen aber tatsächlich kaum Auswirkungen hat.

PiS-Wähler Pytko beschäftigt vielmehr, dass der Bau der K-Towers, wie die beiden Türme heißen sollten, schließlich von der Warschauer Stadtverwaltung nicht genehmigt wurde. In der polnischen Hauptstadt regiert die oppositionelle PO (Bürgerplattform).

„Das ist doch unfair", sagt Pytko. „Dass das Verbot mit der Höhe der Türme begründet wurde, überzeugt mich nicht. Immerhin gibt es in der Innenstadt etliche Hochhäuser." So interpretiert jedes politische Lager den Skandal, wie es ihm passt.

„Kaczynski als gerissenen Geschäftsmann darzustellen, widerspricht dem üblichen Bild in oppositionellen Medien. Dem zufolge ist er ein Sonderling ohne Bankkonto und ein in die Jahre gekommener Junggeselle, der die Gesellschaft nicht versteht", so Radziejewski. „Auf einmal soll er ein Experte für Finanzen und Unternehmen sein." Kaczynski hat bisher nichts geschadet. Für seine Anhänger ist er weiterhin ein Ausnahmestaatsmann - im Guten, versteht sich.

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