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Treffen abgesagt: Polen will nicht mit Israel über Wiedergutmachung reden

Polens Premierminister Mateusz Morawiecki (l.) und sein israelischer Amtskollege Benjamin Netanjahu. | Quelle: dpa

Warschau hat kurzfristig ein Treffen mit einer israelischen Delegation gestrichen. Hinter der Entscheidung könnte ein simples Kalkül vor den Wahlen stecken: Die polnische Regierung will sich auch für Anhänger der extremen Rechten wählbar machen.

Das polnische Außenministerium hat ein Treffen mit einer hochrangigen israelischen Delegation am Montag kurzfristig abgesagt. In einer Mitteilung des Ministeriums in Warschau heißt es dazu, dass die Entscheidung wegen „Änderungen in der Delegation" getroffen worden sei, „die darauf hindeuten, dass die Gespräche sich auf Restitutionsfragen konzentrieren sollen".

Wiedergutmachungen für während des Zweiten Weltkriegs von polnischen Juden geraubten Besitz zählen zu den sensibelsten Themen im polnisch-israelischen Verhältnis. Warschau verweist häufig darauf, dass Polen, wo bis 1939 Europas größte jüdische Gemeinschaft lebte, selbst Opfer der Deutschen gewesen sei. Dass vereinzelt nicht-jüdische Polen auch Verbrechen an jüdischen Polen begangen haben, wird mit dieser Sichtweise ausgespart. Die gemeinsame Geschichte und viele Tabus belasten immer wieder das polnisch-israelische Verhältnis.

Die Regierungen Polens und Israels betonen zwar regelmäßig ihre enge Partnerschaft, tatsächlich aber wird die Zusammenarbeit zuverlässig von Differenzen überschattet - vor allem seit dem Streit über die Einführung des IPN-Gesetzes. Das Holocaust-Gesetz, wie es international genannt wurde, war im Februar 2018 von Staatspräsident Andrzej Duda unterzeichnet worden. Ursprünglich sollte es jegliche Aussagen über eine Mitschuld von Polen am Holocaust unter Strafe stellen. Die polnische Regierung schwächte es nach Protesten der israelischen und der US-Regierung schließlich ab - aber da war bereits Schaden entstanden.

Im Februar dieses Jahres sagte der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki seine Teilnahme am Gipfel der V4-Staaten Polen, Ungarn, Slowakei und Tschechien in Israel ab und brachte so den kompletten Gipfel zum Platzen. Der israelische Außenminister Israel Katz hatte zuvor in einem Fernsehinterview den ehemaligen Ministerpräsidenten Jitzchak Schamir zitiert. Der sagte, „die Polen haben den Antisemitismus mit der Muttermilch aufgesogen".

Die polnische Seite schreckt ihrerseits vor deutlichen Worten nicht zurück. Während eines Wahlkampfauftrittes sagte Morawiecki erst kürzlich: „Wir lassen es nicht zu, dass irgendwem Wiedergutmachungen gezahlt werden. Uns stehen Wiedergutmachungen zu." Er spielte damit auf mögliche Forderungen aus Israel an. In Polen werden wiederum seit dem Sieg der nationalkonservativen Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) bei der Parlamentswahl 2015 häufig Reparationsforderungen an Deutschland diskutiert.

Die polnische Regierung dürfte nun bei ihrer Entscheidung, das Treffen mit der israelischen Delegation medienwirksam abzusagen, ein simples Kalkül vor den Europawahlen und den polnischen Parlamentswahlen im Herbst verfolgen: Sie will sich auch für Anhänger der extremen Rechten wählbar machen. Die ist nämlich offen antisemitisch und liegt aktuell mit ihrem neuen Parteienbündnis Konfederacja (Konföderation) bei mehr als fünf Prozent der Wählerstimmen.

Erst am 11. Mai marschierten Nationalisten vor der US-Botschaft in Warschau auf, um gegen das US-Gesetz 447 zu demonstrieren. Es verpflichtet das amerikanische Außenministerium lediglich, den Zustand von Wiedergutmachungen für Holocaust-Überlebende zu dokumentieren. Doch polnische Nationalisten sehen in den Paragrafen eine implizite Geldforderung an ihr Land und damit einen „Angriff auf Polen". Einige Teilnehmer der Demonstration trugen T-Shirts mit der Aufschrift „Das ist Polen, nicht Polin" - Letzteres ist das hebräische Wort für Polen. Unter den Demonstrierenden waren auch Vertreter der Konfederacja wie Janusz Korwin-Mikke, der im EU-Parlament schon mal den Hitlergruß zeigt, oder Grzegorz Braun, der mit judenfeindlichen Kommentaren aufgefallen war.

Die Regierungspartei PiS möchte sich mit Personen wie Braun zwar nicht gemein machen, ihre Mitglieder verurteilen antisemitischen Proteste wie den am 11. Mai aber auch nicht hinreichend - aus Sorge, im Wählermilieu am rechten Rand nicht mehr als Hüterin polnischer Interessen wahrgenommen zu werden.

Dass die israelische Seite, wie polnische und israelische Quellen berichten, über Restitutionen sprechen wollte, könnte der polnischen Regierung also sogar gelegen gekommen sein - um einen Vorwand für eine Absage zu haben. Die israelische Zeitung „Ha'aretz" hatte gemeldet, dass auch Dan Haezrachi als ein Mitglied der Delegation nach Warschau reisen werde.

Haezrachi ist im israelischen Außenministerium für die Wiedergutmachung von geraubtem Besitz zuständig. Das Warschauer Außenministerium bezog sich in seiner Begründung auf „Medienberichte". Dass die Zusammensetzung einer Delegation so kurzfristig geändert wird, mag unüblich sein; dass daraufhin jedoch eine Seite das Treffen absagt, ist ein drastischer Schritt.

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