Zwei Jahre Gefängnis für eine Abtreibung: Was nach Saudi-Arabien klingt, ist das Strafmaß einer illegal durchgeführten Abtreibung in Polen, seit 2004 Mitglied der Europäischen Union, wobei „illegal" fast alle Umstände einschließt.
Es sieht so aus, als würde das ohnehin restriktive polnische Abtreibungsgesetz weiter verschärft werden, am vergangenen Freitag hat das polnische Parlament mit 267 Stimmen einen neuen Gesetzesentwurf bestätigt, 154 Abgeordnete waren dagegen. Wenn jener Vorstoß in geltendes Recht umgesetzt wird, werden Frauen und ihre behandelnden Ärzte im Fall einer Abtreibung mit fünf Jahren Gefängnis bestraft. Zulässig wäre eine Abtreibung nur noch, wenn für die Frau bei der Geburt Lebensgefahr besteht. Selbst nach einer Vergewaltigung wäre eine Abtreibung nicht erlaubt.
Rechts überholtDie regierende nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) wurde von einem Teil der polnischen Bevölkerung rechts überholt. Die Gesetzesverschärfung nämlich ging von mehreren Initiativen aus, etwa von „Stop Aborcji" (Stoppt die Abtreibung), dessen Mitglied Joanna Banasiuk sagt, Abtreibungen seien von den Kommunisten legalisiert worden; die Rede ist nicht von Schwangerschaftsabbruch, sondern von „pränataler Tötung". Das ist die Munition, mit der geschossen wird.
Mehr als 450.000 Stimmen kamen für die Verschärfung zusammen, 100.000 hätten gereicht, damit sich das Parlament damit beschäftigt.
#czarnyprotestAm Sonnabend sitze ich mit zwei Freunden in einem Café in Berlin-Neukölln. Wir scrollen durch unsere Twitter-Feeds. Unter dem Hashtag #czarnyprotest, zu Deutsch #schwarzerprotest, zeigen Polen ihren Unmut über die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes, indem sie Schwarz tragen und ernst ins Objektiv blicken, auf den Straßen Warschaus protestieren Tausende. Wir solidarisieren uns mit ihnen, posten ein Foto, wissend, dass der Zeitgeist in Polen ein anderer ist. Denn trotz dieses Aufgebots konnte „Ratujmy kobiet" (Retten wir die Frauen), die Gegeninitiative für eine Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes, gerade mal etwas mehr als 200.000 Stimmen sammeln, im Parlament scheiterte sie.
Es ist bittere Ironie und eine düstere Zustandsbeschreibung Europas, dass diejenigen Polen, die vehement gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien sind und gegen den Islam hetzen in Sachen Abtreibung dem radikalen Islam wahabitischer Prägung, wie er etwa in Saudi-Arabien gilt, näher sind, als ihnen lieb ist.