Ganz leise testet der NDR an zwei Abenden sein neues Comedy-Format vom "Stromberg"-Team. Die Bescheidenheit ist fehl am Platz: "Der Tatortreiniger" mit Bjarne Mädel bietet Klasse-Unterhaltung - und genau jenen Geist und Witz, der im biederen "Heiter bis tödlich"-Kosmos der ARD so schmerzlich fehlt. Von Peter Luley
Wenn sein Handy klingelt, erklingt die Titelmelodie des "Tatort" - was man als durchaus selbstironische Anspielung verstehen darf: Denn Heiko "Schotty" Schotte, Angestellter der Hamburger Gebäudereinigungsfirma Lausen, fährt zwar mit seinem weißen Pick-up des Öfteren an übel aussehende Verbrechens-Schauplätze. Mit Ermittlungen nach Art der sonntäglichen ARD-Krimireihe hat "Der Tatortreiniger" ansonsten aber wenig gemein. Im neuen Comedy-Experiment des NDR geht es um einen Malocher im Schutzanzug, der anrückt, wenn die Polizei schon weg ist - um Möbel, Teppich und Parkett zu säubern.
Bei der Ausübung dieses Metiers profitiert Schotty, den "Stromberg"- Star Bjarne Mädel mit breitem Hamburger Slang auf den Punkt verkörpert, von seiner hohen Ekeltoleranz sowie seiner praktisch-pragmatischen Weltsicht: Den grundsympathischen Proll mit Brilli im Ohr und Goldkette um den Hals bringt so leicht nichts aus der Ruhe. Eher schon zieht er beim Anblick einer blutbespritzten Wand die Tupperdose raus und beißt von seiner Stulle ab. Seine Tätigkeit versieht er mit dem Stolz des Profis: "Meine Arbeit fängt da an, wo andere sich vor Entsetzen übergeben", hat er sich als Erklärungsformel für Nachfragen zurechtgelegt. Als schlichter Putzmann möchte er nicht bezeichnet werden: "Das wäre ja so, wie wenn man sagen würde, ein Pilot ist einfach nur ein fliegender Busfahrer."
Munterer Diskurs über Jobs und Blow-Jobs
Damit der Titelheld zur Höchstform auflaufen kann, haben Drehbuchautorin Mizzi Meyer und Regisseur Arne Feldhusen dafür gesorgt, dass er an seinen Einsatzorten nicht lang allein bleibt: In jeder Folge lassen sie ihren Protagonisten auf eine Person treffen, die mit dem Mordopfer in Verbindung stand. Zum Auftakt ist das die Prostituierte Maja (Katharina Marie Schubert), die unwissend zum Termin bei ihrem Kunden erscheint. Mit der blutigen Wahrheit konfrontiert, schwinden ihr die Sinne - woraufhin Schotty ihr einen Sekt "für'n Kreislauf" kredenzt und sie in einen munteren Diskurs über Jobs und Blow-Jobs verwickelt. In der am Donnerstag ausgestrahlten Episode "Spuren" wiederum muss sich der Tatortreiniger erst mal den Zugang zu seinem Arbeitsplatz erkämpfen. Ein Schriftsteller mit Schreibblockade (Bernd Moss) will ihn schon an der Tür abwimmeln. Doch dann wird Schotty ihm zur Inspirationsquelle und ein Wurstbrot zum Ausgangspunkt für eine Geschichte über Sterblichkeit. Zwei weitere fertige Folgen, in denen eine gar nicht noble Alstervillenbewohnerin und ein noch als Geist präsenter ermordeter Psychiater auftreten, sind noch ohne Sendetermin.
Schon diese kleine Auswahl macht deutlich, wie viel Potential für schräge Begegnungen in der einfachen Grundidee steckt. Hinzu kommt, dass Regisseur Feldhusen und Hauptdarsteller Mädel ein eingespieltes Team sind: Nicht nur bei der Kult-Comedy "Stromberg", auch bei der Eifel-Saga "Mord mit Aussicht" und bei der Werber-Sitcom "Der kleine Mann" haben sie zusammengearbeitet. Wie immer spürt man ihre Freude an liebevoll ausgestalteten Charakteren, exaktem Timing und einem Humor-Spektrum, das von makaber-zotig bis feinsinnig-doppelbödig reicht, aber immer den Menschen zugetan bleibt. In Mädels Figurenrepertoire fügt sich Schotty ohnehin bestens ein: Underdogs mit Würde und einer gewissen Bauernschläue sind seine Paradedisziplin, und wenn er sie wie hier ohne grelle Überzeichnung anlegen darf, wirken sie besonders gut.
Versenkt am späten Abend
Umso befremdlicher ist die sehr bescheidene Präsentation der zwei (warum eigentlich nicht aller vier?) Testballons spätabends unter der Woche im NDR - derweil derselbe Sender für den nächsten Montag einen großen Pressetermin anberaumt hat, um für "Morden im Norden" zu trommeln, eine neue Spielart der bemühten ARD-Vorabendkrimi-Marke "Heiter bis tödlich". Am hohen Etat kann die Zurückhaltung beim "Tatortreiniger" nicht liegen: Schließlich handelt es sich bei den flotten 25-Minütern um Kammerspiele, die kaum mehr als "Dittsche" kosten dürften. Eher ist anzunehmen, dass die Sendergewaltigen den Charme dieser Low-Budget-Innovation noch nicht erkannt haben oder sonstige föderale Hürden im Weg stehen.
Ein wenig prominente Unterstützung ist dem "Tatortreiniger" immerhin schon zuteilgeworden: Am Ende der ersten Folge geben sich Anneke Kim Sarnau und Charly Hübner in ihren Rollen als Rostocker "Polizeiruf 110"-Ermittler die Ehre, weil sie am Tatort ein abgeschnittenes Ohr vergessen haben. Ein netter Cameo-Auftritt, der aber nur ein schon vorhandenes Gefühl bestätigt: Diesem beseelten Putzmann mögen noch viele Einsätze beschieden sein!
"Der Tatortreiniger: Ganz normale Jobs", 4. Januar, 22.25 Uhr, NDR;
"Der Tatortreiniger: Spuren", 5. Januar, 22.30 Uhr, NDR
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