Amanda Palmer, Sie gehen nicht den Weg des kleinsten Widerstands in Ihrer künstlerischen Karriere. Warum eigentlich?
Amanda Palmer: Warum hat Brecht politisches Theater gemacht und nicht romantische Komödien? Ich denke nicht viel über meine Aktionen nach. Ich mache einfach, was ich will, und dann versuche ich, es österreichischen Journalisten zu erklären. Gut, dann fangen wir einmal an: Sie zeigen stolz Ihre Achselhaare, kündigen Ihrem Plattenlabel, um Ihr Album erfolgreich übers Internet zu finanzieren, und feiern das nackt in der Öffentlichkeit.
Wollen Sie sich einfach nicht anpassen?
Palmer: Warum sollte ich? Um ein standardisierter Pop-star zu sein? Soll ich drei Stunden lang auf einem Stuhl sitzen und darauf warten, wie drei Menschen mein Gesicht anmalen und meine Nasenhaare auszupfen, ehe ich eine Kamera in meine Nähe lasse? Das klingt langweilig. Nein, warten Sie, es ist langweilig. Ich weiß das, ich hab es ja gemacht. Da schwingt viel Kritik mit
Sehen Sie es als Teil Ihres Jobs als Künstlerin, Missstände aufzuzeigen?
Palmer: Ich mache einfach, was mich als Künstlerin inspiriert. Daher schreibe ich manchmal Lieder über mein gebrochenes Herz, ein anderes Mal male ich Bilder, die zeigen, wie sehr ich die Welt liebe. Und es kommt auch mal vor, dass ich bei einem Konzert einen Brief für eine Zeitung singe und mir dabei meine Kleider vom Leib reiße. Die Zeitung, der Sie nackt ein Lied gesungen haben, war die Daily Mail. Das englische Boulevardblatt berichtete über Ihren verrutschten BH bei einem Konzert in Glastonbury - ohne auf Ihre sonstige Performance einzugehen. In Ihrem Song, der zum youtube-Hit wurde, wünschen Sie sich auch mal Bilder von nackten männlichen Stars in der Zeitung.
Wird Nacktheit eigentlich überbewertet?
Palmer (lacht): Ich denke, Nacktheit ist einfach Nacktheit. Die Menschen sind so verwirrt durch Körper und Sex aufgrund unserer langen Geschichte als Menschen. Wir sollten diesen Scheiß überdenken. Hätten Sie sich von der Daily Mail eine Antwort auf Ihren Song gewünscht? Palmer: Es wäre grandios gewesen, wenn die gesamte Daily-Mail-Redaktion auch einen Song aufgenommen hätte. Sie hätten das Lied „Touché, du lästige Kunst-Tunte" nennen können.
Muss man eigentlich gegen Boulevardblätter wie die Daily Mail ankämpfen?
Palmer: Nicht notwendigerweise, wirklich. Sie sind wie Flöhe, die vom Leben und von der Kultur gefüttert wer-den. Aber es macht Spaß, mit ihnen zu spielen. Sie haben sich für Ihr letztes Album von Ihrer Plattenfirma verabschiedet und es durch Crowdfunding übers Internet finanziert. Ihre Fans haben Sie schließlich mit der unerwartet hohen Summe von 1,2 Millionen Dollar unterstützt. Wollten Sie damit gegen die Musikindustrie rebellieren? Palmer: Für mich war es lediglich der offensichtliche Weg, mein Album herauszubringen. Nur so kann ich einen besonderen, direkten Kontakt zu den Fans haben.
Was haben Sie mit all dem Geld gemacht?
Palmer: Ich habe es komplett für das Album ausgegeben. Ob für die Videos, für die Songs, die Verpackung der CD, die Künstler/innen, mit denen ich die Nummern eingespielt habe, oder das Kunstbuch, das beim Album dabei war. Und dann hat allein das Versenden der verschiedenen Alben-Pakete an die vielen Fans, die das Projekt unterstützt haben, 250.000 Dollar gekostet. Ich brauche noch immer eine Menge Geld für die Reisen zu den Hauspartys, die sich Fans in 35 verschiedenen Städten im Rahmen des Projekts gesichert haben. Es blieb also nichts übrig, das können Sie mir glauben.
Boulevardblätter, die Musikindustrie, Schönheitsideale - welche Baustelle wird Amanda Palmer als Nächstes angreifen?
Palmer: Ich greife nicht an, ich antworte. Ich bin eine Ninja. Immer her mit den Baustellen!
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