Von Paul-Philipp Braun
Der Hamburger Pastor Jonas Goebel tat es. Er stellte sich genau das vor, schrieb es nieder und veröffentlichte es in seinem Erstlingswerk "Jesus, die Milch ist alle". Auf 159 recht dicken Seiten lesen sich die Geschichten aus der ungewöhnlichen Wohngemeinschaft mit dem toten Reformator und dem gekreuzigten Heiland recht schnell weg. Geübte Leser dürften das im Herder-Verlag erschienene Buch binnen sehr weniger Lockdownabende durch haben. Es ist kurzweilig, unterhaltsam und bringt den einen oder anderen theologischen Schmunzel-Moment. Etwa, wenn Luther (in der WG dutzt man sich, also hier: Martin) Bibelstellen-Raten spielen will, Jesus aber vor allem im über ihn erzählenden Neuen Testament ein eher schwacher Gegner ist. Doch wenngleich die Geschichten auf den ersten Blick witzig und angenehm theologisch anmuten, so stellt man schnell fest, dass ihnen Tiefgang eher mangelt. Vielmehr scheint Jonas Goebel komplexe theologische Fragen, wie die nach dem Sinn des Lebens, der Schöpfungsbewahrung oder der Diskriminierung von Minderheiten, in kurze, simple und lustige Geschichten verpacken zu wollen. Das gelingt ihm leider nur bedingt, denn spätestens, wenn Social Media zur Sinnsuche und -erhaltung genutzt werden soll und der grobschlächtig, laute und frauenfeindliche Reformator Luther sich über Küchenarbeit auslässt, dürften viele Leser "raus" sein. Natürlich versucht der Autor, dem einen kritischen Anstrich zu geben. Doch die berechtigte Luther-Kritik schlägt in ihrer Form mehr als einmal fehl. Auch, weil ein wenig reinlicher Mitbewohner sich natürlich anders kritisieren lässt als ein 95 Thesen anschlagender Reformator aus dem Spätmittelalter. Hinzu kommt, dass der Autor sich in Duktus und Erzählweise in gewisser Weise an Marc Uwe Klings "Känguru-Chroniken" beziehungsweise gleich der ganzen Reihe um das kommunistische Känguru zu orientieren scheint. Doch was mit einem imaginären Känguru unter Bezug auf Marx' Kapital klappt, wirkt bei Jesus und Luther unter Bezug auf die Bibel eher fehl am Platz. Ungeachtet dessen, dass Goebel ein politisch eher linkes Bild vom Messias aufzeichnet, der mit der CSU noch "ein Hühnchen rupfen" wolle. Somit erscheint "Jesus, die Milch ist alle" ein wenig wie ein christlicher Abklatsch der rund um gelungenen Werke des Autors und Liedermachers Kling. Sprachlich lässt sich das Buch insgesamt, und hier schließt sich der Bogen zum Känguru, in eine schlichtere Kategorie einordnen. Doch was zum besagten flüssigen Lesen und zur erwähnten Kurzweiligkeit beiträgt, sorgt zugleich dafür, die Themen (zu) stark zu vereinfachen. Für einen Denkanstoß reicht es, mehr ist aber nicht drin.
Original