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Schwein und Schaf im Hybrid-OP

Eine kleine Narbe in der Leiste ist alles, was manchem Patienten heute nach einer Herzoperation bleibt. Anstatt den Brustkorb zu öffnen, führt der Operateur einen Katheter, ein Kunststoffschlauch mit wenigen Millimetern Durchmesser, durch ein Blutgefäß bis zum Herzen, setzt damit in Präzisionsarbeit eine neue Herzklappe ein. Möglich ist das dank bildgebender Verfahren: Aufnahmen aus dem Körper werden auf einen Monitor übertragen.

Kaum ist diese Operationsmethode etabliert, sehen Herzchirurgie und Kardiologie sich schon neuen Anforderungen gegenüber: „Das Sicherheitsbedürfnis steigt“, sagt Bruno Podesser, Vorstand des Zentrums für Biomedizinische Forschung an der Med-Uni Wien, die Richtlinien werden strenger. Die schonende Herzklappen-OP via Katheter empfiehlt sich vor allem bei Patienten über 80 – ein unerwarteter Zwischenfall ist bei ihnen nie auszuschließen. Tritt der ein, muss schließlich doch rasch der Brustkorb geöffnet werden – und eine Herz-Lungen-Maschine her, die im Herzkatheterlabor aber nicht vorgesehen ist.

 

Schwein und Schaf als Modell

Risikoeingriffe finden deshalb heute häufig im sogenannten Hybrid-OP statt: Das Implantieren per Katheter (inklusive nötiger Bildgebung) und die offene Operation können dort bei Bedarf sogar gleichzeitig passieren. „Das AKH bekommt heuer seinen ersten klinischen Hybrid-OP“, erzählt Podesser. Um aber nicht nur für den laufenden Betrieb, sondern auch für Forschung, Training, Produkttests einen solchen Operationssaal zur Verfügung zu haben, wird ein zweiter an Podessers Institut eingerichtet; das Projekt im Umfang von drei Millionen Euro wird zu etwa einem Drittel über die Hochschulraumstrukturmittel des Bundes finanziert. Dafür müssen dann alle österreichischen Universitäten diesen Hybrid-OP nutzen können.

Die Med-Uni Wien kooperiert dafür mit der Vet-Med-Uni. Denn schon jetzt erforscht die Humanmedizin viel am Großtiermodell – das so groß gar nicht ist: Vorrangig geht es um Schweine und Schafe. Viele andere nationale und internationale Forschungseinrichtungen hätten in der jüngeren Vergangenheit ganz auf die Maus gesetzt, so Podesser: „Im Mausmodell kann ich aber nicht überprüfen, ob eine Herzklappe hält oder nicht.“ Bei großen Tieren sei dies besser möglich.

Gut eignet sich das Schwein: Als Allesfresser ähnelt sein Verdauungssystem dem menschlichen; das Herz-Kreislaufsystem hat sogar ähnliche Schwachstellen. Allerdings: „Gezüchtete Schweine nehmen täglich bis zu einem Kilogramm zu“, so Podesser. Eine heute eingesetzte Herzklappe für das 50-Kilo-Tier sei daher in drei Monaten längst viel zu klein – und: „Die 150 Kilogramm wollen Sie nicht mehr auf dem OP-Tisch.“

Stattdessen kommen vermehrt Schafe zum Einsatz, die, einmal ausgewachsen, etwa 80 Kilogramm auf die Waage bringen. Auch die werden an der Med-Uni – drei bis fünf Schafe pro Box in klimatisierten Räumen – gehalten, freilich als Versuchstiere. „An der Vet-Med ist das anders“, sagt Podesser, „dort sind Tiere die Patienten.“ Er ist überzeugt, dass Veterinär- und Humanmedizin voneinander lernen können – zum Beispiel eben im geplanten Hybrid-OP.

Humanmediziner verschiedener Fachrichtungen – Herz- und Gefäßchirurgen, Kardiologen, Radiologen – will Podesser dort um den Operationstisch versammeln: „Das ist gar nicht so einfach, weil es sich um gewachsene Strukturen handelt. Jede Spezialrichtung will sich üblicherweise besonders hervortun.“ Auf der „Spielwiese“ Hybrid-OP aber könnten junge Kollegen im Team aufeinander zugehen und auf Augenhöhe arbeiten: „Damit sie auch später in ihrer klinischen Praxis wissen, sie können sich aufeinander verlassen.“

 

Erste Operationen ab 2018

Forschung und Trainingsoperationen sollen ab Ende 2018 im Hybrid-OP an Tier oder Dummy (der z. B. Kammerflimmern simulieren kann) stattfinden; auch die Videoaufnahme des Geschehens im OP ist möglich, um dieses danach analysieren zu können. Podesser wünscht sich, österreich- und europaweit zu einem Hotspot der experimentellen Bildgebung – gerade für die Großtiere – zu werden.

Erst vor wenigen Tagen hätten Institutionen aus Großbritannien und der Schweiz ihr Interesse am Hybrid-OP bekundet.


Lexikon

Diese bildgebenden Technologien werden im experimentellen Hybrid-OP des Zentrums für Biomedizinische Forschung an der Med-Uni Wien zum Einsatz kommen: Die Computertomografie (CT) liefert Schnittbilder einer bestimmten Körperregion. Mittels Angiografie lassen sich (Blut-)Gefäße darstellen, meist nachdem ein Kontrastmittel injiziert wurde. Für Vergleichsuntersuchungen steht der Magnetresonanztomograf (MRT) an der Vet-Med-Uni Wien zur Verfügung.



("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2017)


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