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Showdown in Kirgisistan

Der ehemalige Präsident Atambajew sitzt in Untersuchungshaft, seine Anhänger protestieren.

In den dunklen Fensterscheiben sind noch die Einschusslöcher zu sehen. Ansonsten zeugt nicht mehr viel von dem Straßenkampf, der vor wenigen Tagen in Koy-Tash tobte. Am Abend des 7. August machten sich Spezialeinheiten bereit, das Haus von Almasbek Atambajew zu stürmen.

Dem ehemaligen Präsidenten Kirgisistans werden Korruption und Amtsmissbrauch vorgeworfen. Die Festnahme scheiterte. Hundert Menschen stellten sich den Polizisten entgegen. Videos aus dieser Nacht zeigen, wie Barrikaden in Flammen gesetzt und die Sicherheitskräfte mit Steinen beworfen werden. Immer wieder fallen Schüsse. Atambajew gibt an, selbst geschossen zu haben. Am Ende ist ein Beamter tot, Dutzende Menschen sind verletzt.

Das Dorf Koy-Tash, wenige Kilometer von der Hauptstadt Bischkek entfernt, könnte ein Idyll sein. Am Horizont erheben sich schneebedeckte Gipfel, am Straßenrand werden Wassermelonen verkauft. Doch bereiteten sich hier schon seit Wochen Atambajews Anhänger darauf vor, Widerstand zu leisten, sollte die Polizei erscheinen.

Am späten Nachmittag des 8. August gelang es den Sicherheitskräften dann doch, Atambajew zu verhaften. Danach demonstrierten laut Polizeiangaben etwa 1500 Menschen in Bischkek gegen die Festnahme und forderten den Rücktritt des amtierenden Präsidenten Sooronbai Scheenbekow.

Es sind nicht die ersten Unruhen in der Ex-Sowjetrepublik Kirgisistan. 2005 wurde dem damaligen Präsidenten Wahlbetrug vorgeworfen. Es kam zur sogenannten Tulpenrevolution, in deren Folge die Regierung zurücktrat. Der Oppositionsführer Kurmanbek Bakijew wurde neuer Präsident. Dessen autoritärer Führungsstil sorgte 2010 für neue Demonstrationen, die er versuchte, gewaltsam niederzuschlagen. Mehr als 80 Menschen starben. Nach einer Woche Protest trat Bakijew schließlich zurück und setzte sich nach Belarus ab.

Atambajew regierte ab 2011 das zentralasiatische Land. Nach sechs Jahren Amtszeit durfte er laut Verfassung bei den Präsidentschaftswahlen 2017 nicht erneut antreten. Sein politischer Ziehsohn Scheenbekow gewann. Die Wahl wurde von Beobachtern weitgehend als demokratisch gewertet - ein Novum in der von Autokraten dominierten Region.

Scheenbekow distanzierte sich von der Politik seines Vorgängers, der im Hintergrund weiterhin die Strippen in der Hand behalten wollte. Nach und nach begann die neue Regierung aufzuräumen und Vertraute des Ex-Präsidenten festzunehmen.

Gegen Atambajew gibt es schon länger den Verdacht, sich im Amt bereichert zu haben. Es geht unter anderem um die Auftragsvergabe zur Renovierung eines Heizkraftwerks in Bischkek und die umstrittene Freilassung eines führenden Kriminellen aus dem Gefängnis im Jahr 2013. Am 27. Juni entzog das Parlament Atambajew schließlich die Immunität. Drei Mal hat die Polizei ihn seitdem vorgeladen. Drei Mal ist er nicht erschienen. Ende Juli reiste er nach Russland und traf sich mit Wladimir Putin - der warnte Scheenbekow davor, den Streit eskalieren zu lassen.

Kirgisistan balanciert zwischen dem politischen Einfluss Russlands und der wirtschaftlichen Expansion Chinas. Die Nachbarstaaten reagierten unterdessen verhalten: Ksachstans Präsident Qassym-Schomart Toqajew ließ am 8. August über seinen Pressesprecher verlauten, dass es sich bei der Situation um innere Angelegenheiten Kirgisistans handle. Russland sicherte dem Land Unterstützung zu.

Vorerst hat sich die Lage beruhigt, auch weil in dem vorwiegend muslimischen Land das Islamische Opferfest begangen wird. Atambajew wurde derweil wegen Korruption angeklagt und sitzt bis zum 26. August in Untersuchungshaft. Während einige Einwohner der Hauptstadt glauben, dass sich der Fall damit erledigt hätte, befürchten andere eine dritte Revolution.

Am Freitag kehrte der Oligarch Omurbek Babanow aus seinem Moskauer Exil zurück. Er trat bei der Präsidentschaftswahl 2017 gegen Scheenbekow an und wurde Zweiter. Eigentlich laufen gegen Babanow mehrere Strafverfahren. Doch würde er jetzt verhaftet werden, „würden seine Anhänger auf die Straße gehen, die politische Situation könnte sich erneut verschärfen", sagte die ehemalige Verfassungsrichterin Klara Sooronkulowa gegenüber Radio Free Europe.

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