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Flüchtlinge werden zu Hassobjekten

Rechtsextreme und Rassisten zeigen im Schutze der Anonymität des Internets ihr wahres Gesicht. In sozialen Netzwerken greifen sie Flüchtlinge und Migranten an, drohen ihnen, beleidigen sie. Die Behörden scheinen überfordert.


Mareike Geiling ist schockiert. "Das sind einfach nur ekelhafte Idioten, die so etwas schreiben", sagt die Sprecherin der Initiative "Flüchtlinge Willkommen" aus Berlin. Sie und ihr Team vermitteln Flüchtlingen privaten Wohnraum, arbeiten mit Wohngemeinschaften und Familien zusammen.

53 als rechtsextrem eingestufte Seiten

Die Hetze im Netz erreicht in diesen Tagen eine neue Qualität. Flüchtlinge und Migranten werden auf einschlägigen Seiten und in geschlossenen Gruppen beleidigt, angegriffen und unter Druck gesetzt. Längst finden diese Auseinandersetzungen nicht mehr nur an den Stammtischen statt, die Diskussion verlagert sich zunehmend in die sozialen Netzwerke und die Kommentarspalten von diversen Nachrichtenseiten. 53 Facebook-Seiten stehen unter Beobachtung des sächsischen Verfassungsschutzes und sind als rechtsextrem eingestuft.
Ein Bild zeigt ein sechsjähriges Mädchen, das die Abkühlung unter Wasserfontänen der Feuerwehr genießt. Darunter ein Kommentar, welcher Behörden in Alarmbereitschaft versetzt: "Flammenwerfer wären da die bessere Lösung gewesen", schreibt Nutzer Jürgen H. Seinen Job ist er los, sein Arbeitgeber Porsche hat ihm fristlos gekündigt. Die Polizei ermittelt, eine Anzeige ist in Arbeit.

Große Bandbreite an Kommentaren

Solche Anfeindungen häufen sich in letzter Zeit. "Wir finden zahlreiche Kommentare in dieser Richtung, viele sind auch strafrechtlich relevant", sagt eine Mitarbeiterin der Pressestelle des NRW-Verfassungsschutzes. Die Bandbreite reiche dabei "von generell migrantenfeindlichen Beiträgen über islamophobe bis hin zu antisemitischen Kommentaren", so Nico Dietrich, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikationswissenschaften der Universität Jena.
Die aktuelle Situation und steigende Flüchtlingszahlen machten auch Bürger aus der Mittelschicht empfänglicher für derartige Botschaften, sagt ein Mitglied der Seite "Perlen aus Freital", die Rassisten öffentlich an den Pranger stellen, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Zahllose Beiträge finden sich mittlerweile auf der Seite. Dietrich vermutet, "dass sich viele Nutzer überhaupt nicht bewusst sind, wie zugänglich ihre Daten und Aussagen auf Facebook sind".

Rückverfolgung kaum möglich

Doch die Täter ausfindig zu machen, ist alles andere als einfach. Unter Pseudonymen posten sie im Schutze der Anonymität ihr Gedankengut. Rückverfolgbar ist das selten, häufig werden IP-Adressen verschleiert oder die Nutzer und Server der Betreiber kommen aus dem Ausland.Dann muss das langwierige Verfahren eines Rechthilfeersuchens gestartet werden. Auch der Verfassungsschutz räumt ein, es sei "schwierig, der Sache Herr zu werden". Man stecke aber sehr viel Potenzial und Ressourcen in die Ermittlungen, um "viele Beweise zu sammeln, damit es für eine Anzeige reicht", so eine Mitarbeiterin der Pressestelle.

Schmaler Grat zur Strafbarkeit
Denn nicht jeder fremdenfeindliche Kommentar ist gleichzeitig auch der Kategorie "Volksverhetzung" zuzuordnen. In Deutschland besteht das Grundrecht der freien Meinungsäußerung, der Grat zur Strafbarkeit ist schmal, oft auch Auslegungssache und abhängig vom jeweiligen Richter.
Das Phänomen der Hetze im Netz bestehe seit Jahren und sei nichts Neues, so Johannes Kiess, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Siegen. Der Sozialwissenschaftler beobachtet sogar einen Rückgang der generellen Ausländerfeindlichkeit im Jahr 2014 gegenüber 2012. Was sich allerdings geändert hat, ist, dass sich der "Hass stärker auf bestimmte Gruppen wie Flüchtlinge oder Muslime konzentriert".



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