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Kann ein halber Smiley Facebook besiegen?

Ello ist das nächste Unternehmen, das versucht, User für sich zu gewinnen. Mit einem neuen Konzept, versteht sich.

Facebook, Twitter und Google beherrschen den Online-Markt. Doch immer wieder gibt es Neulinge unter den Sozialen Netzwerken. So wie das noch junge Start-Up Ello aus Amerika.

Düsseldorf. Wer sich bei dem neuen US-Netzwerk Ello einloggt, könnte denken, er sei bei Twitter gelandet. Das Design ist schlicht und aufgeräumt, ein großes Bild prangt über die volle Breite des Bildschirms. Auch im Logo des Start-ups findet sich der Minimalismus wieder: Es ähnelt der unteren Hälfte eines Smileys, bei dem in einem schwarzen Kreis in weiß lediglich die lächelnde Mundlinie angedeutet ist. Und anders alsFacebook will Ello nicht wissen, welche Hobbies der Nutzer hat, wo er schon überall gewohnt oder gearbeitet hat.

Noch ist das Netzwerk klein – darüber gesprochen wird jedoch, als gehöre es bereits zu den Großen. Ob es tatsächlich eine Alternative zum übermächtigen Konkurrenten Facebook mit seinen rund eine Milliarde Nutzern werden kann, muss sich noch zeigen.

Minimalistisch, kostenlos und ohne Werbung - so lautet das Konzept von Ello. Sieben Künstler und Programmierer haben das Start-up erst vor wenigen Wochen gegründet. Angeblich, so erzählen es die Gründer, war es ursprünglich nur für rund 100 Freunde und Bekannte gedacht. Wegen der hohen Nachfrage hätten sie das „Anti-Facebook“, wie es in manchen Blogs genannt wird, dann aber auch für andere geöffnet.

Momentan wollten rund 31.000 Nutzer pro Stunde Teil der Ello-Community werden, berichtet der Fernsehsender BBC unter Berufung auf einen der Mitgründer.

Ob diese Zahl stimmt, lässt sich bezweifeln. Das Analyseunternehmen RJMetrics hat jüngst die Nutzerzahlen überprüft und ist zu ganz anderen Werten gekommen. Demnach gibt es lediglich 3000 bis 4000 Neuregistrierungen pro Stunde. Wettbewerbsexperte Justus Haucap spricht gegenüber Handelsblatt Online dennoch von einem „vielversprechenden Start“, zumal sich etwa 20 Prozent der registrierten Nutzer innerhalb einer Woche erneut bei Ello einloggen, wie RJMetrics herausgefunden hat. Solche Zahlen erinnern an die frühen Tage von Twitter.

Das neue Netzwerk trifft einen Nerv: Es will weniger Informationen von seinem Nutzer, und fordert auch keinen Klarnamen. Einen Schub hat das Netzwerk ausgerechnet durch Facebook selbst bekommen: Das Zuckerberg-Unternehmen hatte seinen Nutzern verboten, unter ihrem Pseudonym in dem Netzwerk aktiv zu sein. Der Schritt sorgte für viel Kritik, besonders medienwirksam waren dabei die Proteste von Drag Queens, die daraufhin von Facebook zu Ello wechselten. Facebook hat sich jüngst offiziell entschuldigt und die Klarnamenpflicht für entsprechende Nutzer aufgehoben.

Ello will exklusiv sein und sich so von Facebook abheben: Man kann sich nicht sofort registrieren, sondern man muss sich beim Team „bewerben“ oder von einem anderen Nutzer eingeladen werden. Diese Sperre kann jedoch leicht umgangen werden. Bei Ebay gibt es bereits Angebote von Ello-Mitgliedern, andere für fünf Dollar für das Netzwerk vorzuschlagen. Oft hilft aber auch ein Aufruf auf der eigenen Facebook-Seite.

Ello zeigt keine Werbung, verkauft keine persönlichen Daten und hat auch keinen Algorithmus, der Meldungen aussortiert, so das Versprechen des Start-ups. Ebenso wenig gibt es ein Verbot für pornografische Inhalte, auch das ist anders als bei Facebook. Diese müssen jedoch gekennzeichnet werden als „Not Safe For Work“ (NSFW).

Klingt im ersten Moment nach dem neuen großen Wurf in der Digitalbranche. Doch viele neugegründete Unternehmen versuchten in der Vergangenheit schon, den „ganz Großen“ Paroli zu bieten. Um diese Start-ups ist es, nach der großen Euphorie zu Beginn, erstaunlich zügig auch wieder ruhig geworden.

Ein Beispiel dafür ist die Plattform App.net, die sich an dem Kurznachrichtendienst Twitter orientiert. Als App.net im August 2012 online ging, war die Euphorie riesengroß, Medien sprachen von einem echten Konkurrenten für die Marktführer. Unterschied zu Twitter: App.net kostet Geld, will den Nutzern dafür höherwertigere Inhalte anbieten.

Im letzten Jahr wurde ein eingeschränktes kostenloses Profil eingeführt, zu dem man, wie bei Ello, von einem anderen Nutzer eingeladen werden muss. Doch nach dem besagten Hype zu Beginn war es für die Macher der Plattform schwer, Nutzer zu gewinnen. Im Mai diesen Jahres gab das Unternehmen bekannt, alle Mitarbeiter entlassen zu wollen, das Geschäft solle aber weitergehen.

Einige Entwickler solcher Eintagsfliegen haben sich sogar komplett zurückgezogen und die Entwicklung der Community überlassen.

Bereits jetzt erheben Kritiker auch bei Ello ihre Stimme. So wird bemängelt, dass Navigation und Suchfunktion kompliziert sind, dadurch werde es schwierig, Freunde und andere Nutzer zu finden und mit ihnen in Kontakt zu treten. Kaum online, wurde das Portal zudem auch schon lahmgelegt. Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, haben Hacker die Server des Unternehmens mit massenhaft sinnlosen Anfragen überlastet, bis nichts mehr ging.

Ein weiterer Kritikpunkt: Die Sorge, dass das noch junge Netzwerk einmal verkauft wird und damit auch die Daten der Nutzer den Besitzer wechseln. Bisher hat das Start-up von der Risikokapitalgesellschaft FreshTracks Capital 435.000 Dollar Startkapital erhalten. Aral Balkan, einst Unterstützer des Portals und Blogger vermutet, dass damit ein Exit Plan verbunden sei, also dass das Unternehmen bald verkauft werden wird.

„Dass Ello verkauft werden könnte, ist sicher richtig, das ist bei jedem Unternehmen so“, sagt Haucap. „Dass die Nutzer allerdings bleiben würden, wenn Ello zum Beispiel an GoogleFacebookAmazonoder Microsoft verkauft würde, glaube ich nicht. Die würden dann schnell abwandern.“

Wenn man Ello-Gründer Paul Budnitz bittet, zu den Mutmaßungen Stellung zu nehmen, weicht er aus: „Wir haben kleine Investoren, die uns helfen, den Start zu finanzieren. Alles sehr gute Leute, die an unsere Vision glauben und wissen, dass es Zeit ist für eine positive Alternative zu den anderen sozialen Netzwerken“, sagt er gegenüber „Zeit Online“.

Wer auf Nummer sicher gehen will, kann sein Profil in den Account-Eeinstellungen auch selber löschen, laut Ello ist es dann nicht wiederherstellbar.

Langfristig dürfte interessant werden, ob es das Netzwerk schafft, sich selbst zu finanzieren. Ello plant dazu bereits, kostenpflichtige Zusatzfunktionen einzuführen. Kleine Gadgets, mit denen man sein Profil ein wenig individueller gestalten kann. Ob das funktionieren wird „steht in den Sternen“, meint Haucap. „Ich habe eine Skepsis, dass es ohne Werbung und allein durch Zahlungen der Kunden dieselbe Größe und Nutzungsintensität wie Facebook erreichen wird. Eine Nische hat Ello aber auf jeden Fall gefunden.“

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