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"Mannsbuilder": Plattform für neue Männlichkeiten

Mann sein, was heißt das? In der therapeutisch begleiteten Gruppe „Mannsbuilder" treffen sich Männer, um ihre Rolle in der Gesellschaft zu hinterfragen. Wir haben bei einem der Gründer nachgefragt.

"All cocks are beautiful", "it's ok for men to cry too" oder "emotional men aren't weak": die Bilder sind bunt, die Messages auf dem Instagramkanal der "Mannsbuilder" alles andere als typisch männlich. Hinter der Plattform stehen zwei Wiener Therapeuten in Ausbildung unter Supervision, die das eindimensionale Männerbild in unserer Gesellschaft hinterfragen - und auf lange Sicht ändern wollen. Wie das gelingen soll? Mit regelmäßigen Treffen und Austausch in der Gruppe: „Derzeit treffen wir uns zweimal im Monat für drei Stunden und besprechen aktuelle Anliegen aus dem Alltag der Teilnehmer. Dabei lassen wir uns von den Themen, mit denen sich Betroffenen oft allein gelassen fühlen, leiten und versuchen einen Rahmen zu schaffen, in dem ein offener Austausch möglich ist", sagt Matthias Tschannett. Gemeinsam mit dem Sozialpädagogen Benjamin Wagner, 30, hat der 46-jährige die Wiener Männergruppe "Mannsbuilder" im Oktober 2020 gegründet.

Auf dem Instagramkanal wollen die beiden Wiener Awareness rund um das Thema Männlichkeit schaffen. An den regelmäßigen Gruppentreffen nehmen derzeit fünf Männer zwischen Anfang 20 und Anfang 30 teil. Sie kommen aus unterschiedlichen Bereichen: Soziale Arbeit, Pädagogik, Kunst, Journalismus und Pflege.

Stark sein müssen oder schwach sein dürfen

Die Idee zu "Mannsbuilder" entstand, nachdem sich Matthias Tschannett und Benjamin Wagner beruflich und privat immer wieder mit denselben Themen konfrontiert sahen, erzählt Tschannett am Telefon: "Stark sein müssen, schwach sein dürfen, über Gefühle reden können - es waren oft sehr ähnliche Anliegen, die uns beide auch privat interessierten. Vielen Männern fehlt der Zugang zu ihrer Gefühlswelt, das Vokabular ihre Gefühle zu beschreiben."

Den Grund dafür verortet der 46-Jährige im vorherrschenden Männerbild: "Wenn Buben mit Sprüchen wie ,starke Männer weinen nicht' aufwachsen, hat das Auswirkungen auf die Sozialisation und die eigenen Erwartungen." Darüber hinaus spricht die therapeutische Männergruppe über Themen rund um Familie, Vorbilder, Streitkultur, Beziehungen, Konkurrenz, Sexualität und Scheitern.

Typische Männerbilder aufbrechen

Und: Auch Schönheitsideale werden bei den "Mannsbuildern" immer wieder diskutiert. "Hier geht es um Dinge, die wir nicht beeinflussen können. Zum Beispiel gab es auch bei mir eine Zeit, in der ich Schwierigkeiten damit hatte, meinen Oberkörper zu zeigen, weil ich Haare am Rücken habe und mich dafür geschämt hatte. Heute ist das zum Glück kein Thema mehr für mich und ich habe gelernt, mich selbst zu akzeptieren", erzählt Tschannett.

Wie Medien über Männlichkeit berichten sei ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch die Gruppengespräche ziehe. "Es gab einen Artikel darüber, dass George Clooney die kaputte Kleidung seiner Kinder selbst näht. Dass hier typische Männerbilder aufgebrochen wurden, empfanden einige als sehr bestärkend", so der angehende Systemische Familientherapeut.

"Wir reden jetzt offener miteinander!"

Dass die Mehrheit der FollowerInnen ihres Instagram-Accounts trotzdem Frauen sind, erklärt er sich mit Neugierde: "Ich könnte mir vorstellen, dass, so wie Männer Frauen besser verstehen möchten, möglicherweise auch Frauen besser verstehen wollen, wie Männer ticken."

Während die "Mannsbuilder"-Gründer zu Beginn noch als Experten durch die Therapiesessions führten, wurden sie im Laufe der Zeit selbst auch zu Teilnehmern. Mittlerweile bringen sie sich mit ihren Gefühlen und Erfahrungen ebenfalls in die Diskussionen ein. Die Arbeit in der Gruppe hat sich auch auf die persönliche Beziehung der beiden Therapeuten ausgewirkt, sagt Matthias Tschannett: "Wir reden jetzt offener miteinander und vertrauen einander unsere eigenen inneren Prozesse an."

Die aktuelle "Mannsbuilder"-Gruppe findet noch bis Oktober 2021 statt. Pläne für die Zukunft gibt es schon, wenn auch vage: "Es wird auf jeden Fall weitergehen, in welcher Form ist aber noch nicht klar."

Die Gründer von "Mannsbuilder": Matthias Tschanett und Benjamin Wagner.

Info: Interessenten können sich auf Instagram oder per Mail an die "Mannsbuilder"-Gründer wenden: matthias.tschannett@therapiebuero.at oder therapie@benjamin-wagner.com

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