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Wie gut kennen Sie Ihre Vagina?

Meere, das Universum, die Natur, den menschlichen Körper: Der Mensch hat bereits vieles erforscht - nur über die weiblichen Genitalien ist nach wie vor recht wenig bekannt. Plus: Die Scham bei dem Thema ist oft riesig! Hand aufs Herz: Schämen Sie sich, wenn Sie bei dm vor den Regalen mit Intimhygiene stehen?

Muss nicht sein, finden Expertinnen: Die deutsche Gynäkologin Sheila de Liz etwa klärt mit „ Unverschämt. Alles über den fabelhaften weiblichen Körper" auf. Und das ist dringend nötig, denn: Frauen haben ihrem Körper und Genital gegenüber häufig eine „unsichere, zwiespältige oder sogar ablehnende Haltung, die oft mit Schamgefühl und Peinlichkeit besetzt ist", schreibt sie in ihrem kenntnisreichen und höchst unterhaltsamen Buch. Oft geben Frauen diese Haltung zudem unbewusst an ihre Töchter weiter. Höchste Zeit also, die weiblichen Genitalien sprichwörtlich aus dem Schambereich zu holen - und schon Kinder besser aufzuklären!

Auch die niederländischen Sexualtherapeutinnen Nina Brochmann und Ellen Støkken Dahl wollen mit ihrem lesenswerten Buch „Viva la Vagina" Tabus brechen. Ihr Ziel: „Die Sexualität gehört entmystifiziert, und wir müssen klarstellen, dass wir über unseren Körper selbst bestimmen." Nur so können wir Selbstliebe lernen und uns in unserem Körper wohlfühlen.


7 wirklich wichtige Fakten über Vagina, Vulva & Klitoris 

Vagina ist innen

Vagina, Scheide oder doch Vulva: Die meisten Frauen kaufen zwar ohne groß nachzudenken Hygieneprodukte bei dm, scheitern aber an der korrekten Benennung von dem, was sie zwischen ihren Beinen sehen. Laut der größten Vulva-Studie, die 2018 in der Schweiz publiziert wurde, wussten weniger als 30 Prozent der befragten Frauen, was mit „Vulva" gemeint ist. Denn das ist nicht die Vagina: Die Vagina oder auch Scheide ist nur der innere, nicht sichtbare, Teil des weiblichen Geschlechts. Aus anatomischer Sicht ist die Vagina also der Muskelschlauch, der zur Gebärmutter führt. Die Bezeichnung kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Hülle oder eben auch Scheide.

Vulva ist außen

Kommen wir nach außen: Die Vulva ist der sichtbare Teil der weiblichen Genitalien, den wir Frauen beim Blick zwischen unsere Beine vorfinden. Sie ist wie eine Blüte aufgebaut und besteht aus den großen und kleinen Schamlippen und dem sichtbaren Teil der Klitoris. Oberhalb und unterhalb des Scheideneingangs - also der Vagina - befinden sich noch zwei andere Öffnungen, die Harnröhrenöffnung und der Anus.

Das Besondere an der weiblichen Anatomie: Keine Vulva gleicht der anderen. So können die kleinen Schamlippen 2 oder 10 Zentimeter lang sein, die Breite der Flügel ein paar Millimeter ausmachen oder mehrere Zentimeter. Asymetrisch sind übrigens die meisten Schamlippen, schreibt Expertin de Liz: „Bei über der Hälfte aller Frauen überragen die kleinen Schamlippen die großen Schamlippen und schließen nicht bündig mit ihnen ab."

Der Vielfalt von Vulven hat übrigens der britische Bildhauer McCartney ein Denkmal gesetzt - mit Gipsabdrücken! Einen Eindruck gibt seine Great-Wall-of-Vaginas-Website.

Die Klitoris ist größer und sensitiver als die meisten Penisse

Die Klitoris hat und hatte es immer schon schwer: Zwar ist sie schon im 16. Jahrhundert von italienischen Anatomen als „Organ der weiblichen Freude" klassifiziert worden. Ein Höhepunkt für die Klitoris war zudem der deutsche Anatom Georg Ludwig Kobelt, der 1844 entdeckte: Die Klitoris ist ein Gefäßgeflecht mit zwei großen Schwellkörpern.

Seine detailgetreuen Zeichnungen der Klitoris sind groß- und einzigartig. Leider verschwand dieses Detailwissen wieder - und bis heute fehlen seine korrekten Darstellungen der Klitoris in der Fachliteratur! Kein Wunder, dass bis heute selbst Medizinerinnen und Mediziner glauben, die Klitoris beschränke sich auf den sichtbaren Teil vorne an der Vulva.

Tatsächlich aber ähnelt die Klitoris in ihrem Aufbau dem Penis. Die sichtbare Perle ist dabei das Pendant zur Eichel mit Vorhaut. Im Unterleib der Frau befinden sich außerdem die zwei Klitorisschenkel, die auf beiden Seiten etwa 11 Zentimeter lang sind und bei Erregung hart werden. Damit ist die Durchschnittsklitoris zwei Zentimeter länger als ein Durchschnittspenis mit neun Zentimetern. Mehr noch, weiß Sheila de Liz: „Die Klitoris hat über 8000 Nervenfasern - und hängt dabei locker den Penis ab, der einige hundert Nervenenden an der Eichel hat."

Das Jungfernhäutchen muss weder reißen noch bluten

Wir alle sind in dem Glauben aufgewachsen, dass beim ersten Sex das Jungfernhäutchen reißt und meistens auch blutet. Höchste Zeit, das zu ändern. Denn Jungfräulichkeit ist vor allem ein soziales Konstrukt, „das nach wie vor Frauen auf der ganzen Welt aufgrund antiquierter Traditionen und Fehlinformationen die Ehre oder sogar das Leben kostet", schreiben die Expertinnen Brochmann und Dahl. Oder mit Sheila de Liz formuliert: Das Jungfernhäutchen „ist kein kompletter Verschluss wie das Frischesiegel beim Nutella-Glas."

Vielmehr ist es eine ringförmige, dehnbare Schleimhautfalte gleich hinter der Scheidenöffnung - eine sehr dünne Membran, ein Hautring, der als kleine Krone oder Kränzchen erkennbar sein kann. Andernfalls könnten ja Mädchen und Frauen mit jungfräulicher Vagina keine Tampons (etwa von dm) verwenden.

Am besten stellen wir uns das Hymen wie ein Haargummi vor. Ob das Jungfernhäutchen reißt und blutet, hängt lediglich von seiner Elastizität ab und ist von Frau zu Frau unterschiedlich. Fakt jedenfalls ist: Rund die Hälfte aller Mädchen und Frauen blutet nicht beim ersten Sex!

Welche Erkankung der Vulva oft unerkannt bleibt

Schmerzen beim Sex kommen vor, sollten es aber nicht. Hormonmangel, Dammschnittnarben, Pilzinfektion ... es gibt viele Gründe - und Frauen sollten den Schmerzen mit ihrer Gynäkologin oder ihrem Gynäkologen auf den Grund gehen. Was wenige wissen: Es gibt eine Erkrankung der Vulva, die ebenfalls zu Schmerzen beim Akt führen kann. Lichen sclerosus ist eine Autoimmunkrankheit, die laut Expertin de Liz rund zwei bis fünf Prozent aller Frauen betrifft. Das Immunsystem zerstört dabei die Haut an der Vulva und am vaginalen Eingang. Lichen sclerosus juckt meist stark - und wird deshalb oft als Krankheit verkannt und falsch behandelt.

Sex hält die Vagina jung

Bei Paaren, die jahrelang zusammen sind, wird meist der Sex seltener. Und Frauen, die in die Wechseljahre kommen, berichten auch von weniger Lust auf den Akt. Doch aus medizinischer Sicht spricht alles für Sex bis ins hohe Alter - gerade, was das weibliche Genital angeht.

Warum, lässt sich im Buch „Unverschämt" von Sheila de Liz nachlesen: „Wer regelmäßig sexuell aktiv ist, hat länger eine feuchte, dehnbare Vagina und hält nicht nur seine Libido am Leben, sondern hat weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen und lebt im Schnitt sieben Jahre länger als Menschen, die ihr Intimleben einmotten." Also, auf zu dm und für die weibliche Lust und die Vagina ein wenig Erotikspielzeug kaufen ...

Im Mutterleib sind wir anfangs alle weiblich

Über das weibliche Genital gibt es noch so viel mehr zu erzählen - die erwähnten Bücher sollten daher Pflichtlektüre für Mütter und ihre Töchter sein! Einen Aha-Fakt hätten wir jetzt aber noch: Jeder Fötus ist die ersten Wochen im Mutterleib mit dergleichen Wölbung zwischen den Beinen ausgestattet - und nicht eindeutig als Mädchen oder Junge erkennbar. Beginnt um die fünfte Schwangerschaftswoche die Differenzierung, läuft sie erst einmal automatisch in Richtung Frau! Erst unter dem Einfluss von Testosteron entwickelt sich aus dem Genitalhöcker ein Penis statt der Klitoris.

Die männliche Harnröhre entsteht dabei aus demselben Gewebe wie die Schamlippen, und auch die leicht gerötete Narbe an der Unterseite des Penis zeigt, dass sich die Genitalien aus demselben Gewebe entwickeln: Die Narbe ist ein Hinweis auf die Einbuchtung, die bei jedem Fötus in den ersten Wochen angelegt ist - und aus der bei Mädchen im Mutterleib das weibliche Geschlecht wird. Im vierten Schwangerschaftsmonat hat sich das Ungeborene dann eindeutig in Richtung Bub oder Mädchen differenziert.

Unverschämt. Alles über den fabelhaften weiblichen Körper

Sheila de Liz Verlag: Rowohlt

Viva la Vagina! Alles über das weibliche Geschlecht

Nina Brochmann und Ellen Støkken Dahl Verlag: S. Fischer

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