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Vier Jahre, drei Roboter, acht Partner

3D-Metalldruck: Additive Fertigung als Teil der Prozesskette

Im Forschungsprojekt „ProLMD" entstehen Hybrid-Prozesse, die konventionelle Fertigungsverfahren mit Additiver Fertigung verbinden.

Hybride Fertigung ist die flexible Verbindung der Vorteile aus verschiedenen Fertigungsverfahren.

Prozesse mit Auftragsraten im Bereich von 1 bis 2 kg/h bei hoher geometrischer Auflösung.

Kompakte Zelle für KMU, die weniger als ein typisches Bearbeitungszentrum kostet.

Das Laserauftragschweißen (oder Laser Material Deposition, LMD) in eine Prozesskette zu integrieren und eine wirtschaftliche und robuster Systemtechnik für das LMD-Verfahren zu entwickeln, war vor vier Jahren der Anstoß für das Forschungsprojekt „ProLMD". Das Laserauftragschweißen eignet sich besonders für eine hybride Fertigung, da Anwender mit ihm auf einem konventionell hergestellten Bauteil weitere Geometrien aufschweißen können. „Unter hybrider Fertigung verstehen wir die flexible Verbindung der Vorteile aus verschiedenen Fertigungsverfahren, da es beliebige konventionelle Herstellverfahren mit LMD zu einer durchgängigen Prozesskette vereint", erklärt Jan Bremer, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT aus Aachen. „Dabei erforschen wir verschiedene, dafür notwendige Technologien. Das Spektrum der Inhalte deckt alles ab - von Bearbeitungsköpfen, Roboter- und Schutzgassystemen über die Schweißprozesse bis zur Qualitätssicherung und Software." Die Flexibilität zeigt sich auch bei den Industriepartnern, die ihre Demonstratoren vor der LMD-Funktionalisierung durch Rollformen (Airbus), Gießen (Mercedes-Benz) oder Schmieden (MTU) herstellten. Bei MTU Aero Engines werden nun Funktionselementen an einer Triebwerkskomponente aufgebaut, Airbus verstärkt seine Bauteile durch 3D-Verrippung und Mercedes-Benz nimmt mit LMD Anpassung eines Presswerkzeuges in der Karosseriefertigung vor.

Für den Wissenschaftler ist es außerdem ein schönes Beispiel, wie sich komplexe Variantenvielfalt in der Herstellung vereinfachen lässt. „Man fängt zum Beispiel mit dem Stanzen und Besäumen eines Basisteils immer auf die gleiche Art und Weise an", erklärt Bremer. „Die Varianten werden dann später mit Hilfe von LMD hergestellt. Der Anwender kann also weiterhin seine Stanzanlage nutzen, um dann aber beispielsweise Verstärkungen additiv aufzutragen. Durch das LMD-Verfahren und die in „ProLMD" entwickelten Technologien können wir dabei extrem flexibel und automatisiert agieren."


Mit diesem Ziel im Visier arbeiteten die Aachener zusammen mit insgesamt sieben Industriepartnern an einer modularen LMD-Zelle, die sich mit geringem Aufwand in eine bestehende Prozesskette integrieren lässt. Für maximale Anwendungsflexibilität wurden Prozesse mit Draht und auch Pulver als Zusatzwerkstoff entwickelt. So entstand beispielsweise am Fraunhofer-ILT eine Bearbeitungsoptik, die einen Ringstrahl für das koaxiale Laserauftragschweißen erzeugt, und im „ProLMD"-Verbundprojekt weiterentwickelt und genutzt wird. Diese Optik erzeugt einen Ring mit gleichmäßiger Intensitätsverteilung und bietet damit Richtungsunabhängigkeit beim Schweißen. Im Rahmen des Projektes werden dabei Prozesse mit Auftragsraten im Bereich von 1 bis 2 kg/h bei hoher geometrischer Auflösung entwickelt.

Flexibilität und eine einfache Zugänglichkeit im für ein additives Verfahren sehr großen Bauraum war dem Projektteam wichtig. Dafür sorgt ein Kuka-Roboter. Der große Bauraum ist nötig, denn in dem Projekt geht es um Bauteile bis 1,2 t Gewicht und einem Durchmesser von 2 m. „Wir können in der Versuchsanlage mithilfe von acht Achsen ein fast beliebig komplexes Bauteil von allen Seiten bearbeiten. Die Anlagentechnik lässt sich dabei mit Robotern erstaunlich preiswert realisieren", so Bremer.

Die Aufgabenteilung der Projektpartner beim der Entwicklung der Zelle ist klar definiert: Der Geschäftsbereich Lasertec von Kuka übernimmt die Projektleitung und Zellintegration des Roboters, während sich Laserline um die Auslegung und Entwicklung von Strahlquelle und Optik kümmert. M. Braun Inertgas-Systeme ist für den Bau einer Schutzgaszelle zuständig, während BCT Steuerungs- und DV-Systeme Software und anlagenintegrierte Messtechnik entwickelt.

Reale Geometrien und wenig Schutzgas

Flexibel wird die Plug-in-Lösung, weil sie nach dem Blackbox-Prinzip funktioniert. „Uns interessiert nicht, was vorher oder nachher mit dem Bauteil passiert", betont Bremer. „Wir arbeiten nicht ein statisches CAD-Modell ab, sondern nutzen dank robuster Systemtechnik und Software in adaptiven Prozessen auch die reale Geometrie. Durch intelligente Algorithmen kann sich die Zelle auch extremen Bauteilabweichungen anpassen und diese kompensieren." Die Betonung liegt dabei bei Hard- und Software auf robust - vom Laserkopf, Roboter bis hin zum flexiblen Schutzgaskonzept und geeigneter angepasster Bahnplanungsalgorithmen. Ein Hinweis, dass das Fraunhofer-ILT nicht nur den Schweißprozess weiterentwickelt, sondern auch weitere wichtige Aspekte wie den Einfluss der Robotergenauigkeit auf die Prozesssicherheit und Bauteilqualität erforscht.


Während Projektleiter Kuka bei sich in Würselen den Roboter in einer flexiblen Schutzgaszelle oxidationsempfindliche Werkstoffe wie Titan prozesssicher schweißen lässt, arbeiten die Aachener vom Fraunhofer-ILT mit einer weiteren Roboteranlage ohne Schutzgaszelle bei den nickel- und eisenbasierten Werkstoffen mit lokal aus der Düse ausströmendem Schutzgas. Wenn die Auftragsrate höher ausfällt, verwenden sie nach Bedarf zusätzlich eine wenige Zentimeter große Schutzgasglocke. „Auf diese Weise kommen alle drei Lösungen mit deutlich weniger teurem Schutzgas aus", so Bremer. „Das senkt die Betriebskosten erheblich." Innovative Prozesse sind dabei nicht nur Forschungsgegenstand, sondern auch Alltag am Fraunhofer-ILT. „Bei den ersten Versionen der lokalen Schutzgasglocke hatten wir bei höheren Auftragsraten thermische Probleme", berichtet der Forscher. Hilfe fand sich bei den Kollegen, die per selektiven Laserschmelzen (SLM) Kupfer verarbeiten. „Wir konnten mit ihrer Unterstützung auf einer Forschungsanlage das Bauteil mit innenliegenden Kühlstrukturen additiv aus Kupfer fertigen und das Problem so lösen", sagt Bremer.


Die kompakte LMD-Zelle

Mehr über die Erfolge von proaktiver Teamarbeit zeigt sich beim Blick in die Entwicklungshallen am Fraunhofer-ILT. In Aachen stehen eine große und eine kompaktere Roboterzelle für die Additive Fertigung. Auf diese neueste Entwicklung sind die Projektteilnehmer besonders stolz: Mit zusätzlicher finanzieller Unterstützung durch das BMBF (Bundesministeriums für Bildung und Forschung) entsteht eine preiswertere Variante der „ProLMD"-Roboteranlage für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). „Wir haben die Lösung von einem 3,1 m langen Roboterarm mit 90 kg Traglast auf etwa 2 m und 60 kg Traglast herunter skaliert", berichtet der Wissenschaftler. „Am großen Roboter zeigen wir ein flexibles Wechselsystem mit Draht- und pulverbasierten Bearbeitungsköpfen, in der kleinen Zelle geht es um pulverbasiertes LMD, maschinenintegrierte Geometrievermessung und das neue CAM-Modul." Diese Zelle kostet nochmals deutlich weniger als ein typisches Bearbeitungszentrum.


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