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Triebwerk aus dem 3D-Drucker? Innovationscluster AdaM auf der ILA Berlin

Triebwerk aus dem Drucker: Fraunhofer-Institute stellten auf der ILA Berlin die Triebwerkzukunft vor. Bild: Fecht

Draußen dröhnten die Flugzeugturbinen, drinnen begann bereits die grüne Triebwerkszukunft. In Halle 6 stellten die Aachener Fraunhofer-Institute für Produktionstechnologie IPT und für Lasertechnik ILT das Innovationscluster "Adaptive Produktion für Ressourceneffizienz in Energie und Mobilität" vor, mit dem 21 Industriepartner gemeinsam die Ressourceneffizienz in der Energieversorgung und Mobilität durch neue Technologien und Konzepte verbessern wollen. In einem wichtigen Teilprojekt geht es um die Entwicklung neuer Produktionskonzepte für Turbomaschinen, zu denen auch Flugzeugtriebwerke zählen.

Das Interesse war trotz der fliegenden Konkurrenz auf dem Flugfeld groß: Angehende Ingenieure, Experten aus der Instandhaltung und Konstrukteure sowie Produktionsingenieure aus dem Flugzeug- und Triebwerksbau kamen mit den Fraunhofer-Forschern ins Gespräch. Einer von ihnen ist Dipl.-Ing. Daniel Schraknepper vom Fraunhofer IPT, dessen Visitenkarte auf ein wichtiges Element von AdaM hinweist. Dort steht als Tätigkeitsfeld "High Performance Cutting" (HPC), das die Bearbeitung von Flugzeugbauteilen bereits erheblich schneller und präziser gemacht hat. Die Forscher entwickeln nicht nur die Prozesse weiter, sondern auch die entsprechenden Werkzeuge. Schraknepper: "Ein neues tonnenförmiges Werkzeug, das vom Fraunhofer IPT mitentwickelt wurde, weicht erheblich von der sonst üblichen Kugelform ab. Es vergrößert den Bahnabstand und sorgt so dafür, dass der Anwender schneller und wirtschaftlicher zerspanen kann." HPC-Experten wie Schraknepper untersuchen aber auch, welche Frässtrategie eher infrage kommt. "Wir legen mit der CAM-Software die Bahnen aus und bestimmen Prozessparameter mit Hilfe von Technologiedatenbanken, um dann Demonstratoren herzustellen", erklärte Schraknepper. Weil sich aber nicht alles simulieren lässt, erhält ein neuer Fertigungsprozess erst bei den "Erprobungsläufen den letzten Schliff".

Der Wissenschaftler und seine Kollegen am Fraunhofer IPT arbeiten eng zusammen mit Kollegen vom Fraunhofer ILT, die auf additive Verfahren wie Selective Laser Melting (SLM) setzen. Ein Laserstrahl erzeugt ein Bauteil durch schichtweises Aufschmelzen von Pulver. Ein Experte für derartige additive Verfahren ist Dipl.-Ing. Anders Such. Das Ergebnis dieser Gemeinschaftsaktion ist eine durchgängige Prozesskette, mit deren Hilfe ein Schaufelcluster aus sechs Doppelschaufeln entstand. "Wir adressieren mit diesem Bauteil speziell die Serienfertigung mit SLM", betonte Such. "Mit SLM lassen sich Baugruppen monolithisch in einem Fertigungsschritt aufbauen. Dadurch ergibt sich ein Einsparpotential beispielweise durch den Wegfall von sonst üblichen kosten- und zeitintensiven Füge- und Montageschritten. So wird im Rahmen des Innovationscluster gezeigt, dass mehrere Twinblades (Doppelschaufeln) nun in einem einzigen Fertigungsschritt mit SLM als Cluster gefertigt werden, das aus 12 Schaufeln besteht." Für SLM spreche aber auch, dass dank der Geometriefreiheit des Verfahrens sehr komplexe Formen produzierbar sind, die sich konventionell nur mit sehr viel Aufwand beziehungsweise überhaupt nicht herstellen lassen. "Dank der Geometriefreiheit können wir eine Gitterstruktur verwenden, die das Bauteil bei mindestens gleicher beziehungsweise sogar höherer Festigkeit deutlich leichter macht", erklärte der Aachener Fachmann. Der Wechsel von der bisherigen massiv zerspanten Form zur Wabenstruktur senkt das Gewicht um rund 30 Prozent.

SLM hat sich bereits bei Entwicklungs- und Prototypenbauteilen bewährt, für die Produktion von Serienkomponenten war es bisher zu teuer. "Im zweiten Schritt geht es nun darum, die Produktivität zu steigern", sagte Such. "Wir haben dazu am Fraunhofer ILT das Zwei-Strahl-Konzept entwickelt, bei dem die SLM-Anlage während des Herstellprozesses wahlweise zwischen kleinem und großem Laserstrahl hin und her schaltet." So ließ sich der Aufbauprozess bei einem Demonstrator erheblich auf unter zehn Stunden senken: Nur noch zwei Stunden Fertigungszeit sind nötig, wenn man das Leitschaufelcluster nur mit dem großen Strahl aufbaut. Bei einem kombinierten Einsatz von beiden Strahlen dauert das Fertigen fünf Stunden.

Doch der Königsweg bestehe nun darin, die SLM-Strategie an die gesamte Prozesskette anzupassen. "Die Oberfläche muss noch per Fräsen oder Schleifen ihren letzten Feinschliff erhalten", meinte der SLM-Experte. "Wir erzeugen eine rauere Oberflächenqualität und arbeiten sehr schnell mit dem großen Laserstrahl, mit dem wir aber das gleiche feste Gefüge wie beim langsamen Schichtaufbau erreichen." Das Tempo des Schichtaufbaus passen die Laserfachleute dem späteren Zerspanprozess an: Bei Schaufeln kommt der deutlich langsamere kleine Laserstrahl zum Einsatz, der aber bessere Oberflächen erzeugt, die nur noch mit Feinbearbeitungsverfahren wie beispielsweise Gleitschleifen bearbeitet werden müssen. Hingegen wird der Schaufelfuß, der im Nachgang eine spanende Bearbeitung erfährt, mit dem schnelleren großen Laserstrahl aufgebaut.

"Wir kommen mit dem Fräsen ins Spiel, weil die Oberflächenrauheiten für den Einsatz im Triebwerksbau viel zu hoch sind", ergänzte Schraknepper. "Zum Nachbearbeiten der Füße des Stators wenden wir das Fräsen an." Weil sich das SLM-Bauteil vor dem Fräsen aber nicht ausreichend genau einmessen lässt, wird es auf einer sogenannten Referenzierungsplattform aufgebaut. Sie verfügt über Zylinderstifte, die als Referenzierungsmarken beim Digitalisieren mit optischer Messtechnik dienen. Die Werkzeugmaschine kann mit den dabei ermittelten Messwerten und dem entsprechend optimierten NC-Programm die Endkontur adaptiv fräsen. Schraknepper sieht es als ein schönes Beispiel für die AdaM-Strategie an, die es erlaube, auf variierende Eingangsgrößen flexibel zu reagieren. "Es ist beim Nachbearbeiten egal, ob das zu bearbeitende Bauteil mit Gießen oder SLM hergestellt wurde", sagte der Diplomingenieur. "Wir müssen beim Fräsen vor allem flexibel auf das variierende Aufmaß reagieren."

Die adaptive Anpassung von Prozessketten an variierende Eingangsgrößen wird in AdaM durch drei Aspekte erreicht: Die Auslegung von Einzelprozessen mit Planungsmethoden vor der Bearbeitung (offline), die Prozessregelung während der Produktion (online) und die Schaffung von Durchgängigkeit und Datenkonsistenz. Für Durchgängigkeit sorgen ein einheitliches, selbst entwickeltes Spannsystem für den gesamten Prozess sowie ein einheitliches Datenmanagement. Im Mittelpunkt steht eine sogenannte CAx-Plattform (CAx: computer aided x), bei der dank Computerunterstützung (CA) alle Stufen einer Bearbeitung (x) die gleichen Daten nutzen. Dieses sogenannte CAx-Framework lässt sich zusammen mit dem durchgängigen Spannsystems auch zur Instandsetzung und -haltung von Triebwerksschaufeln nutzen, denn es sorgt für eine komplette Automatisierung eines Reparaturprozesses, der bislang kompliziert von Hand ablief. Das Verfahren ist den AdaM-Forschern zufolge reproduzierbar und halbiert die bisherige Bearbeitungszeit.

Doch wie lässt sich diese neue Art der adaptiven Produktion in eine bestehende Fertigungslandschaft integrieren? Such: "Bauteile müssen zunächst SLM-gerecht konstruiert werden, um dann an die Prozesskette angepasst zu werden. Danach muss ich mir überlegen, wie ich die Flächen mit Machining-Prozessen nachbearbeiten kann." In unserem Innovationscluster entwickeln wir sowohl Lösungen, die direkt in der Fertigung überführt werden, als auch Verfahren, die bis zu deren prozesssicheren Anwendung bspw. auf sicherheitskritische Bauteile noch mehrere Jahre vergehen können. Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz der SLM-Technologie für rotierende Teile. Die Stimmung für neue adaptive Prozesse mit additiven Lasertechnologien, so auch der Eindruck von Gesprächen während der ILA 2014 auf dem Fraunhofer-Stand, ist anscheinend gut. Airbus will schon 2016 Flugzeuge erstmalig mit serienmäßigen SLM-Bauteilen auf den Markt bringen. MTU fertigt seit kurzem mit SLM in Serie sogenannte Boroskopaugen (kleine Öffnungen zum Gegencheck von Flugzeugbauteilen) für das Triebwerk PW1100G-JM des Airbus A320neo. Positiv ist auch die Einstellung bei Rolls-Royce Deutschland, einem der AdaM-Partner. Dr. Uwe Heßler, Head of Research & Technology: "Es spricht einiges für einen Einsatz in der Serie." 

Autor: Dipl.-Ing. Nikolaus Fecht, Fachjournalist aus Gelsenkirchen


Hintergrund: Ziel des Großprojekts "Adaptive Produktion für Ressourceneffizienz in Energie und Mobilität" ist es, neue Turbomaschinenkonzepte und Designs von Komponenten technisch umzusetzen, um so messbar CO 2-Emissionen zu senken und den Wirkungsgrad der Energiewandlung zu erhöhen. Die Ressourceneffizienz wird dabei erstmals über die gesamte Lebensdauer des jeweiligen Produkts bewertet - von der Herstellung über den Betrieb bis zur Reparatur. Den Innovationscluster fördern das Land Nordrhein-Westfalen, die Fraunhofer-Gesellschaft und die beteiligten Unternehmen (Förderkennzeichen PRO/0042) mit zehn Millionen Euro. Partner im Innovationscluster sind: A. Monforts Werkzeugmaschinen GmbH & Co. KG, AMPHOS GmbH, AUGER Autotechnik GmbH, BCT Steuerungs- und DV-Systeme GmbH, BorgWarner Turbo Systems GmbH, CemeCon AG, Concept Laser GmbH, Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT, Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT, Institut für Strahlantriebe und Turbomaschinen IST der RWTH Aachen University, Leistritz Turbinenkomponenten Remscheid GmbH, Leistritz Turbomaschinen Technik GmbH, Lufthansa Technik AG, MAN Diesel & Turbo SE, ModuleWorks GmbH, MTU Aero Engines GmbH, OKUMA Europe GmbH, Peiseler GmbH & Co. KG, Reis GmbH & Co. KG Maschinenfabrik , ROFIN-SINAR Laser GmbH, Rolls-Royce Deutschland Ltd & Co KG, SECO TOOLS GmbH, Siemens Energy - Fossil Power Generation AG und TRUMPF Laser- und Systemtechnik GmbH. kf

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