Frauen in Führungspositionen von Medienhäusern sollten zur Selbstverständlichkeit werden. Ihre Anzahl wird in den nächsten Jahren steigen. Darüber sind sich heimische Chefredakteurinnen einig
Vielen österreichischen Journalistinnen darf man dieser Tage gratulieren: Sie übernehmen Führungspositionen in großen Medienunternehmen - auch außerhalb des Landes, wie das Beispiel von Anita Zielina zeigt: Die ehemalige stellvertretende Standard-Chefredakteurin, die zuletzt als Onlinechefin beim stern in Hamburg tätig war, wird ab Mai die Chefredaktion für den Bereich "neue Produkte" bei der Neuen Züricher Zeitung übernehmen. Auch die Verlagsgruppe News hat mit ihrer Frauenoffensive für Aufsehen gesorgt: Die neue News-Chefredakteurin Eva Weissenberger, die zuvor die Chefredaktion der Kleinen Zeitung Kärnten leitete, hat mit Julia Ortner, Ex-ZIB-2- und Falter-Redakteurin, und der ehemaligen WirtschaftsBlatt-Chefredakteurin Esther Mitterstieler gleich zwei Frauen ins Führungsteam bestellt. "Ich habe meine Stellvertreterinnen nicht deshalb geholt, weil sie Frauen sind, sondern weil sie die besten sind", betont Weissenberger. Obwohl es in Österreichs Medienhäusern insgesamt immer noch wenige Chefredakteurinnen gibt, ist man fortschrittlicher als zum Beispiel in Deutschland. Dort sind 98 Prozent der Chefposten bei Zeitungen mit Männern besetzt.
Geschlecht ist Thema. Dass weibliche Postenbesetzungen alle Blicke auf sich ziehen, davon kann auch Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid ein Lied singen. Nach 17 Jahren beim Standard, in denen sie großteils als Korrespondentin im Ausland und zuletzt als Wirtschaftsressortleiterin tätig war, übernahm sie 2007 die redaktionelle Leitung - und wurde damit zur ersten Chefredakteurin einer österreichischen Tageszeitung. "Ich war überrascht, wie stark das Geschlecht bei den Medienberichten damals im Vordergrund stand", erinnert sich Föderl-Schmid. "Beim Standard war das eigentlich nie ein Thema, draußen sehr wohl." Dass sie in Interviews oft gefragt wurde, wie sie sich als Frau in ihrer Position fühle, hat sie "wahnsinnig genervt". Männer hätten nie negativ auf sie als Chefin reagiert - außer einmal: Als sie 2004 als erste Frau den Vorsitz des Vereins der Ausländischen Presse in Deutschland übernahm. "Arabische Kollegen haben mit dem Austritt gedroht, weil sie sich von einer Frau nicht das Wort erteilen lassen wollten." Diese seien dann freiwillig ausgetreten. Eine "gläserne Decke" habe sie beim Standard nie wahrgenommen. Fast die Hälfte der Führungspositionen sei weiblich besetzt. "Da herrscht absolute Gleichberechtigung", betont Föderl-Schmid.
Gleichstellung. Auch beim ORF ist es laut TV-Magazinchefin Waltraud Langer mittlerweile "Normalität", dass Frauen Führungskräfte sind. "Ich glaube, dass kein Medium mehr eine Frau aufgrund des Geschlechts nicht nehmen würde. Es wird nach Persönlichkeiten gesucht, die etwas können - egal, ob Mann oder Frau." Langer, die ihre Laufbahn bei den Salzburger Nachrichten und profil begann, arbeitet seit 1988 in verschiedenen Radio- undTV-Redaktionen des ORF. Nach neun Jahren als ZIB-1-Wirtschaftsressortleiterin übernahm sie 2010 die Chefredaktion der TV-Magazin-Abteilung. Als Frau weniger respektiert gefühlt hat sie sich von ihren männlichen Kollegen nie. 2012 trat im ORF ein Gleichstellungsplan in Kraft, der einen Frauenanteil von 45 Prozent vorsieht - bisher sind erst 30 Prozent der Führungspositionen weiblich besetzt. "Das geht Schritt für Schritt", ist Langer überzeugt. "Es wäre aber auch unfair, einen extrem qualifizierten Mann zu ignorieren." Was aus ihrer Sicht heutzutage undenkbar wäre: Eine ORF-Geschäftsführung ohne Frau.
Familienfreundlich. Dass die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf für Frauen kein Stolperstein mehr sein darf, darüber sind sich die Chefredakteurinnen einig. Sowohl beim Standard als auch beim ORF gibt es neben Führungskräften, die teilzeitbeschäftigt sind, auch Männer, die in Karenz gehen. ORF-Sendungszeiten lassen sich zwar nicht umgehen, trotzdem versucht Langer familienfreundliche Strukturen zu schaffen - etwa bei Sitzungszeiten. "Darauf hat man früher wenig Rücksicht genommen. Das muss sich ändern, so weit es möglich ist." Auch Föderl-Schmid legt Wert auf verschiedene Arbeitszeitmodelle. "Es ist nicht immer einfach, aber wir bemühen uns, individuelle Lösungen zu finden. Ich glaube, dass wir da alle noch flexibler werden müssen." Weil "Breaking News" vieles unplanbar machen würden, seien vor allem Medienunternehmen gefordert.
Weiblicher Umbruch. Was die Zukunft betrifft, sind die Chefredakteurinnen optimistisch. "Der Journalismus wird immer mehr ein weiblicher Beruf", sagt Langer. Auch Föderl-Schmid kann beobachten, dass der weibliche Nachwuchs stark nach oben drängt. Praktikumsplätze beim Standard seien überwiegend von Frauen besetzt. "Männer wollen gockeln, Frauen Eier legen" lautet der Spruch eines Kollegen, den Föderl-Schmid oft bestätigen kann. "Da ist etwas im Umbruch. Ich glaube, dass der Medienbereich durchaus eine Vorreiterrolle in der Gesellschaft haben kann." Ziel sei es letztendlich, dass Frauen in Führungspositionen irgendwann einmal kein Thema mehr sind.
Original