Als der Korken knallt, weiß Gerlinde Breithaupt, ich bin angekommen. Vor ihr liegt, worauf sie jahrelang gewartet hat: ein Pass für die DDR. Ein Funktionär reicht ihr die Verfassung. Am Abend liegt sie im Bett neben dem Mann, der ihr Mann werden soll. Für ihn verließ sie die Bundesrepublik, jetzt ist sie da.
Es gibt diese Geschichte von der Familie, die mit einer Seilbahn nach Kreuzberg fuhr, oder dem Mann, der über den Grenzzaun sprang. Erzählungen von Menschen, die aus der DDR in die BRD flohen. Und es gibt Geschichten wie die von Breithaupt. Von Menschen, die aus der Bundesrepublik in die DDR migrierten.
Gesammelt haben sie zwei Kuratoren in der Ausstellung "Wechselseitig", die nun im früheren Notaufnahmelager - heute Erinnerungsstätte - Marienfelde zu sehen und bis April 2017 geöffnet ist (Marienfelder Allee 66/80, geöffnet von Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr). Auf Stellwänden sind Biografien abgedruckt. Etwa die von Frauke Naumann, die sich verliebte und sechs Wochen in einem DDR-Aufnahmelager festgehalten wurde, oder die von Pierre Boom, der Pierre Guillaume hieß, als er seinen Vater Günter nach dessen Enttarnung zurückließ und ihn die Stasi begrüßte.
Seit die Mauer Deutschland in Westen und Osten trennte, gaben Jahr für Jahr durchschnittlich 2000 Menschen ihren bundesdeutschen Pass ab und beantragten DDR-Papiere. Die DDR-Führung präsentierte stolz jene, die aus politischen Gründen flüchteten. Gerlinde Breithaupt präsentierte sie nicht.