Panorama „Maischberger"
Ärzte dienen dem Krankenhaus - und erst dann dem PatientenWird in Deutschland zu viel und zu schnell operiert? Sandra Maischbergers Gäste debattieren über die Nöte des Gesundheitssystems. Arzt Eckart von Hirschhausen wirkt etwas hilflos. Bei der entscheidenden Frage weiß keiner eine Antwort.
Die Diskussion über Gesundheitspolitik in Deutschland konzentriert sich oft auf den Pflegenotstand in Krankenhäusern und Heimen. Bei Sandra Maischberger wird das Thema aus einer anderen Perspektive betrachtet. 215 Ärztinnen und Ärzte fordern im sogenannten Ärzte-Appell, den Menschen wieder in den Mittelpunkt zu stellen und nicht den Profit. Werden in Deutschland viele Operationen nur noch durchgeführt, weil sie hohe Einnahmen garantieren? Spielt das Wohl des Patienten keine Rolle mehr?
Über diese Fragen diskutierte Maischberger mit Eckart von Hirschhausen (Arzt, TV-Moderator), der ehemaligen Chefärztin Maike Manz, der Krankenschwester Jana Langer, Karin Maag (gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion), Bernhard Albrecht („Stern") und dem Präsidenten der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß.
Das komplizierte Beispiel des AbendsStationäre Operationen werden in Deutschland nach dem sogenannten Fallpauschalen-System abgerechnet. Das bedeutet, dass das Krankenhaus - abhängig von der Art der Operation - einen bestimmten Geldbetrag erhält. Ex-Chefärztin Karin Maag hält das System grundsätzlich nicht für falsch, gesteht aber ein: „Es wird zu viel operiert."
So könne es nicht sein, dass Chefärzte finanzielle Boni erhalten, je mehr Operationen sie durchführen würden. Auf Maischbergers Nachfrage, warum denn zu viel operiert werde, sagt Maag: „Wir haben zu viele Krankenhäuser." Hier stimmt ihr Verbands-Präsident Gerald Gaß zu. Der Eindruck entsteht: Ärzte dienen dem Krankenhaus - und erst dann dem Patienten.
Gaß sieht noch einen anderen Kritikpunkt: Die Fallpauschale gehe von einer durchschnittlichen Krankenhausgröße aus. Deshalb seien kleinere Krankenhäuser im Nachteil. Denn sie müssten mehr Operationen durchführen, da sie nicht über so viele Patienten verfügen wie größere Krankenhäuser: „Da entsteht ein wirtschaftlicher Druck, der hochproblematisch ist."
Das Versäumnis des AbendsDiesen Druck verdeutlicht Praktikerin Maike Manz anhand einer These. Sie behauptet, dass Ärzte bei Geburten lieber einen Kaiserschnitt machen würden, um früher Feierabend machen zu können. Oder anders formuliert: Ärzten gehe es eher um die eigenen Bequemlichkeiten als um den Patienten. Eine Behauptung, die erst einmal innehalten lässt.
Erstaunlicherweise gibt es keine Reaktionen darauf. Auch Maischberger hakt hier nicht nach. Zweiter Versuch. Eckart von Hirschhausen behauptet, es gäbe Ärzte, die Babys lieber früher zur Welt bringen und in den Brutkasten legen würden, weil das mehr Geld einbringe, als wenn man den natürlichen Termin der Geburt abwarten würde. Auch eine starke These, die auf das Profitstreben der Krankenhäuser abzielt.
Nun erst stellt Maischberger fest: „Das ist aber jetzt ein harter Vorwurf." Eine Feststellung, die schon bei der These von Frau Manz hätte kommen sollen. Auch die Reaktion von der Gegenseite - in diesem Fall Gerald Gaß und Karin Maag - kommt erst, als Maischberger sie gezielt danach fragt. Also langsame Reaktion auf zwei harte Thesen, die noch nicht einmal belegt werden konnten.
Der professionellste Gast des Abends
Hirschhausen behauptet, dass Ärzte Patienten, die beatmet werden müssen, bewusst länger am Beatmungsgerät lassen, weil das mehr Profit bringe. Dem widerspricht Gerald Gaß: In seinem Krankenhaus hätte man einen Beatmungspatienten 95 Stunden am Beatmungsgerät gelassen und damit einen Gewinn von 4700 Euro erwirtschaftet. Ab der 96. Stunde hätte der Gewinn 17.000 Euro betragen. Obwohl man sich dessen bewusst war, habe man den Patienten aber nicht länger am Beatmungsgerät gelassen.
Natürlich könnte man jetzt sagen, dass sich das Beispiel von Gaß nur auf einen Einzelfall bezieht. Allerdings wirkt er überzeugender, da Hirschhausen weder Gegenargumente noch Ergebnisse vorbringt, die dem widersprechen würden. Auch Journalist Bernhard Albrecht, der auf der Seite Hirschhausens steht, kommt nicht wirklich gegen Gaß an. Was ihm auf das Beatmungsbeispiel von Gaß einfällt: „Ich kenne keine Zahlen, aber ich habe mit vielen Ärzten gesprochen." Das mag ja sein, wirkt dennoch schwach. Der Krankenhaus-Profi Gaß wirkt an diesem Abend einfach besser vorbereitet als Albrecht oder Hirschhausen.
Der größte Zuspruch des AbendsIn einem Punkt gelingt es Hirschhausen dann aber doch, die Talk-Gäste zu einen. Immer wieder spricht er davon, dass es oft die Kommunikation ist, an der es scheitert: Es nütze nichts, wenn ein Arzt fachlich hervorragend sei, dieses Wissen aber nicht an den Patienten weitergeben könne. Denn nur durch eine bessere Kommunikation würde dem Patienten eine größere Entscheidungsmacht darüber zugestanden, ob er eine Operation überhaupt möchte oder nicht. Hier stimmten ihm fast alle zu.
Bis auf CDU-Politikerin Karin Maag, die zu Hirschhausen fast zynisch meint: „Sie müssen sich auch mal in der Realität bewegen." Womit sie einen entscheidenden Punkt anspricht. Denn eine ausführlichere Kommunikation bedeutet einen höheren Zeitaufwand, mehr Personal, mehr Geld. Woher das alles kommen soll, darauf weiß keiner der Anwesenden eine Antwort, auch nicht Karin Maag.