Mit einem weißen DIN-A4-Blatt in der Hand steht er da. Darauf sind sein Name, Geburtsdatum, Körpergröße, Ausbildung und Einkommen vermerkt. Ein ganzer Mensch in Zahlen. Chung steht heute schon seit ein paar Stunden dort. Wie lange, will er nicht sagen und er wird auch noch bis kurz vor sechs dort stehen bleiben, bis die Wächter mit den Megafonen die Menschen aus dem Shanghaier People's Park scheuchen. Chung ist Mitte dreißig und gelernter Friseur. „Ich suche eine Frau", sagt er.
Er ist heute nicht zum ersten Mal ist auf dem Heiratsmarkt. Und er ist auch nicht der einzige hier. Mit ihm sind Hunderte Menschen angerückt, vor allem Mütter, Väter und Großeltern. Sie haben blaue, rosa, grün karierte Schirme vor sich aufgespannt, an denen sie mit Tesafilm Zettel befestigt haben. Auf manchen Schirmen kleben Fotos, auf anderen heftet zusätzlich ein Zertifikat. Wie auch bei Chung, dem Frisör: Er hat seinen Ausbildungsbrief mitgebracht. Doch das Dokument scheint ihm nicht allzu viel zu helfen. Sein Blick sieht traurig aus.
Ein paar Meter weiter stehen zwei Männer mit grauen Haaren um den Schirm einer älteren Dame herum. Zettel und Stift in Händen, reden sie so angeregt, so laut, dass es schon fast nach Streit klingt. Sie wedeln wild mit ihren Notizen, wie Broker, die eine fette Dividende wittern. Wie auf der Börse werden im People's Park Daten und Vergleichswerte der potenziellen Brautleute gehandelt: Welche Frau ist hübscher, welche jünger? Was hätte der Mann finanziell zu bieten? Hat er auch eine Wohnung in U-Bahn-Nähe? Da liegt der 1,78-Meter-Mann klar vor dem kleineren, der Reichere vor dem Ärmeren. Der Banker vor dem Friseur. ...