Nachdem der Wiener Rapper T-Ser mit seinen Freunden eine unangenehme Begegnung mit Polizist*innen filmte und auf Instagram veröffentlichte, ging dieses Video über Nacht viral. Jede*r hatte das Video, in dem die Rapper von der Polizei kontrolliert wurden, gesehen. Als einer aus der Gruppe sich weigerte, seinen Ausweis zu zeigen, holten die Polizist*innen Verstärkung. Österreichische Medien wurden auf den Vorfall im Josef-Strauß-Park aufmerksam, den Polizist*innen wurde Racial Profiling vorgeworfen, sie sollen T-Ser und seine Freunde nur aufgrund ihrer Hautfarbe kontrolliert haben. Nach dem Video startete der Rapper den Hashtag #nichtmituns und setzt sich seitdem aktiv gegen Rassismus ein.
Doch wie sehen andere Wiener*innen mit afrikanischen Migrationshintergrund den Vorfall und wie stehen sie zu Rassismus und Benachteiligung in Wien? Wir haben mit Yannis und Benedicta darüber geredet.
GRAD: Zuerst einmal danke für eure Zeit. Möchtet ihr euch vielleicht ein wenig vorstellen?
Benedicta: Ich bin Benedicta, ich bin in Österreich geboren und aufgewachsen, meine Eltern kommen aus Ghana, Westafrika. Ich bin 21 Jahre alt und studiere Publizistik- und Kommunikationswissenschaft auf der Uni Wien.
Yannis: Ich bin Yannis, bin in Wien aufgewachsen und in Gabun, Afrika, geboren. Ich bin zwanzig Jahre alt und studiere auf der WU in Wien.
GRAD: Ihr habt sicher auch mitbekommen, dass T-Ser und seine Freunde im Oktober letzten Jahres ohne Grund eine von Polizist*innen durchgeführte Ausweiskontrolle hatten. Wie habt ihr die ganze Sache empfunden?
Benedicta: Ich hatte zu diesem Thema zwei Ansichten, ich verstehe erstens nicht, wieso die Polizei sich an öffentlichen Orten einfach “kriminell” aussehende Leute aussuchen und unaufgefordert befragen darf. Ich fand es komisch, dass sie genau auf die Gruppe dunkelhäutiger Leute zugegangen ist. Andererseits finde ich auch, dass sie die Sache vor allem im Internet ein wenig größer gemacht haben, als sie es eigentlich sein sollte. Ich bin schon der Meinung, dass man in dem Fall von Rassismus sprechen kann und sollte, weiß aber nicht, ob ich in derselben Situation auch so reagiert hätte. Als ich einmal mit einer Uni-Kollegin von mir im Votivpark war, sind auch Polizisten rumgegangen und haben nur Leute mit Migrationshintergrund angesprochen und sie gebeten, sich auszuweisen. Das fand ich etwas merkwürdig.
Yannis: Ich finde, dass es schon ein rassistisches Motiv war, genau ihre Ausweise zu kontrollieren. Es waren auch andere Leute im Park, ich verstehe nicht, warum die Polizei genau zu ihnen gegangen sind, vor allem, wenn sie nichts gemacht haben, außer zu reden wie man im Video gesehen hat. Die Polizei hatte keinen Grund sie nach den Ausweisen zu fragen. Ich finde es auch gut, dass sie den Vorfall gefilmt haben, denn das, was die Polizisten gemacht haben, darf man nicht.
GRAD: Gab es je eine Situation, in der ihr euch aufgrund eurer Hautfarbe benachteiligt gefühlt habt?
Benedicta: Es gibt immer wieder kleinere Vorfälle und unangenehme Kommentare. Ich war einmal mit Yannis in der Stadt unterwegs und wir wollten eine ältere, österreichische Dame etwas fragen. Nachdem wir mit ihr geredet haben, meinte sie: “Euer Deutsch ist schon sehr hervorragend”. Solche Kommentare bekomme ich immer wieder mit und ich verstehe einfach nicht, warum Menschen nicht verstehen, dass Leute mit Migrationshintergrund auch gut Deutsch sprechen, da sie schließlich in Wien aufgewachsen sind.
Yannis: Ich finde es generell immer seltsam, wenn Leute überrascht sind, dass ich akzentfreies Deutsch spreche, nachdem ich hier ja aufgewachsen bin.
GRAD: Wie fühlt ihr euch, wenn ihr solche Kommentare hört?
Benedicta: Ich nehme es mir eigentlich nicht zu Herzen. Freunde von mir nimmt das aber stärker mit. Ich denke mir immer, dass ich ihre Ansichtsweise nicht ändern kann und dass diskutieren nicht viel bringen würde.
Yannis: Vor allem bei älteren Leuten. Letztens habe ich auf den Bus gewartet und einer Seniorin ihre Tasche, die runtergefallen ist, aufgehoben. Daraufhin hat sie ihre Sachen ruckartig weggezogen, als würde ich sie stehlen wollen. Als Kind habe ich Rassismus auch eher mitbekommen als jetzt, nur habe ich das damals nicht so wahrgenommen, da ich einfach nicht wirklich wusste, was gemeint ist. Jetzt kommt soetwas nicht mehr wirklich vor, auch weil ich selbst alt genug bin, um mich zu wehren. Auf Internetseiten wie Jodel, wo man anonyme Sachen schreiben kann, merkt man aber immer wieder, wie rassistisch manche Leute sein können.
GRAD: Gibt es typisch schwarze Stereotypen, die euch stören?
Benedicta: Ja, da gibt es einige. Zum Beispiel, nehmen Leute oft an, dass ich aufgrund meiner Hautfarbe gut tanze, weil es das Stereotyp “Schwarze Leute können tanzen” gibt. Ich gehe gerne tanzen, aber ich sehe mich nicht als große Hip-Hop-Tänzerin. Wenn ich das Leuten sage, kommt daraufhin öfter ein “Häh, warum nicht, du bist doch schwarz?”. In der Schule hat ein Klassenkollege von mir angenommen, dass ich Gras rauche oder verticke, weil ich dunkelhäutig bin. Das eine oder andere Vorurteil bekommt man immer mit. Als Kind habe ich viel öfter Rassismus miterlebt, weil Kinder im Gegensatz zu Erwachsenen nicht wirklich darüber nachdenken, was sie sagen. In der Volksschule haben wir zum Beispiel das Spiel “Wer hat Angst vorm schwarzen Mann” gespielt und immer, wenn es darum ging, wer der “schwarze Mann” ist, waren alle Blicke auf mich gerichtet, auch wenn das gar nichts mit afrikanischen Leuten zu tun hatte.
Yannis: Es gibt viele Stereotype, die nicht stimmen, gegenüber allen Ethnien. Manchmal nehme ich es selbst auf die leichte Schulter und scherze drum herum.
GRAD: Fühlt ihr euch in Wien immer sicher und habt ihr manchmal das Gefühl nicht dazuzugehören?
Benedicta: Da ich in Wien aufgewachsen bin, fühle ich mich hier eigentlich immer wie zu Hause. Einfach, weil ich mich in meinen Augen von anderen Wiener*innen nicht unterscheide und mich, jedes Mal, wenn ich in der U-Bahn die einzige Schwarze bin, nicht anders fühle. Ich denke eigentlich nie in die Richtung und fühle mich daher auch immer sicher. Was aber schon vorkommt, ist, dass ich, wenn ich zum Beispiel im Finanzamt bin, herablassende Blicke bemerke. Diese vergehen aber immer, sobald ich anfange zu reden, weil Leute dann merken, dass ich “eh” aus Österreich komme.
Yannis: Unsicher gefühlt habe ich mich als dunkelhäutige Person glaube ich noch nie. Unwohl schon, vor allem wenn ich von anderen Leuten als Minderheit gesehen werde. Zum Beispiel war ich gerade in der Bibliothek lernen und hab mich richtig gefreut, als ich ein anderes schwarzes Mädchen gesehen habe, was auch nicht sein sollte. Oder wenn mich fremde Leute grundlos auf Englisch ansprechen, weil sie davon ausgehen, dass ich kein Deutsch kann. Das kommt glaube ich fast jeden Tag vor. Im Datingleben oder beim Kennenlernen von neuen Leuten kommt auch immer die Frage “Woher kommst du wirklich?” auf, nachdem ich der Person sage, dass ich aus Wien bin. Aber das hat wahrscheinlich schon jede*r mit Migrationshintergrund gehabt.
GRAD: Gibt es etwas, das ihr in unserer Gesellschaft verändern wollen würdet?
Benedicta: Ich würde mir wünschen, dass Leute sich nicht mehr an Stereotype halten und nicht davon ausgehen, dass der/die Afrikaner*in unbedingt so und so sein soll, sondern tolerant jedem gegenüber sind. Das ist etwas, was sich, glaube ich, jede dunkelhäutige Person erhofft. Andererseits wünscht man sich das schon seit Jahrzehnten und es passiert trotzdem noch, dass sich Leute mit Migrationshintergrund wie eine Minderheit fühlen.
Yannis: Ich will, dass Leute nicht mehr davon ausgehen, dass man, nur wenn man anders aussieht, Ausländer*in ist. Dass Leute nicht davon ausgehen, dass ich keine Österreicherin bin, obwohl ich ihnen sage, ich komme aus Österreich. Dieses nervige Nachfragen... Man muss einfach offen auf alle zugehen und darf sich nicht von Stereotypen und Vorurteilen beeinflussen lassen.
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