Steigende Kosten bei der Elbphilharmonie, eine maue Museumslandschaft und Künstler, die erbost die Stadt verlassen: Die neue Kultursenatorin hat eine Menge Problemfelder zu beackern. Und Barbara Kisseler (parteilos) freut sich drauf! Im MOPO-Interview erklärt die 61-Jährige, warum.
MOPO: Haben Sie ein dickes Fell?
Barbara Kisseler: Ich habe fünf Brüder, da lernt man, sich durchzusetzen. Mit Ruppigkeiten kann ich umgehen. Wenn’s mir zu bunt wird, trete ich anderen auch auf die Füße.
Um Ihr Ressort gab es ja in der vergangenen Zeit viel Aufregung: Die Kulturschaffenden sind auf die Straße gegangen, Frau von Welck hat hingeworfen. Warum tun Sie sich das an?
Mich begeistert die Vorstellung, in eine kulturzugeneigte Stadt zu kommen und dort eigeninitiativ gestalten zu können. Ich habe akzeptiert, zwischen den Stühlen zu sitzen: Man ist nicht Künstler, aber eben auch nicht nur Politiker. Man muss vermitteln. Ich scheue mich nicht vor deutlichen Ansagen, das hält der Kulturbereich auch aus.
Und was hält er nicht aus?
Unzuverlässigkeit. Wenn man Leute immer nur hinhält, statt Entscheidungen zu treffen, muss man sich nicht wundern, wenn man unfein behandelt wird.
Hinhaltetaktiken gab’s in der Vergangenheit zuhauf. War Ihnen bewusst, wie groß das Trümmerfeld ist?
Das hat ja leider auch über Hamburg hinausgestrahlt – was der Stadt nicht geholfen hat. Ich dachte manchmal: „Was hat die denn jetzt geritten?“ Notwendige Veränderungsprozesse kann man auch konstruktiv gestalten. Das ist eine Frage des dramaturgischen Geschicks. Ich finde, Hamburg hat Potenzial.
Warum wurde das nicht abgerufen?
Die Stadt hat das Potenzial abgerufen – allerdings nur zum Teil. Wenn Sie an das Thalia-Theater denken oder an John Neumeier – das assoziiert man mit Hamburg, das wird auch bundesweit wahrgenommen – eben aber auch die Negativschlagzeilen ...
Einige Kulturschaffende haben ihren Weggang ja hübsch inszeniert.
Das hatte Gründe! Die Künstler hatten das Gefühl, dass es da einen zuständigen Senator gibt, der ihr Anwalt sein müsste. Tatsächlich fühlten sie sich in den Hintern getreten. Ihr Bitten um Respekt und Wertschätzung ist ungehört verhallt.
Was verstehen Sie darunter, Anwältin der Künstler zu sein?
Ich leite hier ja kein Therapie-Zentrum. Es gilt, die Interessen der Kulturszene gegenüber der Stadt durchzusetzen. Da steht Kultur nicht immer an erster Stelle. Ich finde es gut, dass nach der Wahl von Olaf Scholz auch die Kulturschaffenden gesagt haben: „Da ist jemand, der hat’s begriffen. Und die Kultursenatorin scheint auch nicht ganz blöd zu sein.“
Das heißt für Sie?
Es gibt eine vitale freie Szene. Die braucht Unterstützung – und zwar nicht nur in guten Worten, sondern auch in Form eines Fördertopfes.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Etat erhöht wird. Können Sie eine Größenordnung sagen?
Wenn ich das könnte, bräuchten wir ja keine Bürgerschaft und auch keinen Finanzsenator. Diese Prämisse, die Sie genannt haben, werde ich versuchen, einlösen zu lassen. Ich denke, dass man für verlässliche Rahmenbedingungen sorgen muss. Und die können sich nicht nur auf das Schauspielhaus und auf Karin Beier beschränken.
Welche Bereiche sind denn aus Ihrer Sicht so unterfinanziert, dass man auf jeden Fall was tun muss?
Man wird sicher im Bereich Stiftung Historische Museen noch mal genau hingucken müssen.
Haben Sie sich schon in die Thematik Elbphilharmonie eingearbeitet?
Ich wäre ein Wundertier, wenn ich da schon einen differenzierten Überblick hätte. Ich will aber nicht verhehlen, dass es mich erstaunt hat, mit welcher Geschwindigkeit Hochtief neue Positionen entwickelt. Die Elbphilharmonie muss fertig werden. Es hilft überhaupt nichts, wenn sich zwei, die eigentlich an einem Strick ziehen sollten, sich unter Anteilnahme der Öffentlichkeit bekriegen. Da würde ich sagen, wir machen mal die Tür zu und reden Tacheles.
Dann ja doch ein Therapie-Zentrum!
Bis zu einem bestimmten Grad sicher. Aber es muss eine Entscheidung getroffen werden. Es geht ja hier nicht um 3,50 Euro!
Glauben Sie, dass es bei diesen 323 Millionen Euro bleibt?
Ich werde den Teufel tun und eine Zahl nennen, die drüber liegt und die Gegenseite animieren, noch ein bisschen draufzulegen!
Das fehlte gerade noch! Es ist nichts schlimmer als Kultursenatoren, die glauben, sie seien verhinderte Künstler – am schlimmsten dabei wären Tänzer. Auch wenn manche Politiker in der Lage sind, schöne Pirouetten zu drehen ...
Das Interview führten Christoph Heinemann und Nadine Rinke
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