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Wie Lehrer, nur billig

Seit 2016 stellt die Staatsregierung jedes Jahr rund zehn Millionen Euro für externe Drittkräfte bereit. (Foto: Toni Heigl)

Drittkräfte sind an Schulen wichtig, sie helfen bei der Sprachförderung von Kindern aus Flüchtlingsfamilien. Doch die Bezahlung ist schlecht.


Wenn ihr Vertrag im kommenden Jahr ausläuft, will Tanja Falkner hinschmeißen. Seit gut zwei Jahren arbeitet die Fremdsprachenkorrespondentin, die ihren echten Namen nicht veröffentlicht wissen will, als Drittkraft an einer Grundschule in Franken. Völlig unerwartet wird ihr im Juli mitgeteilt, dass ihre Eingruppierung überprüft wurde. Heißt, sie soll künftig für knapp 14 Euro brutto pro Stunde arbeiten, für fast fünf Euro weniger als bisher. "Niemand der Entscheidungsträger würde für diese Bezahlung auch nur einen Fuß in die Schule setzen", empört sich die 55-Jährige in einem Brief an Kultusminister Michael Piazolo, der der SZ vorliegt.

Rüge des Rechnungshofes

Seit 2016 stellt die Staatsregierung jedes Jahr rund zehn Millionen Euro für externe Drittkräfte bereit, die die Lehrer bei der Sprachförderung von Kindern aus Flüchtlingsfamilien unterstützen sollen. Meist werden dafür Quereinsteiger in Teilzeit angestellt, die entsprechend dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst bezahlt werden. Aus internen Unterlagen geht jedoch hervor, dass jahrelang nur provisorische Regelungen galten. Dafür kassierte das Kultusministerium Anfang dieses Jahres eine Rüge des Bayerischen Rechnungshofes, der eine "nicht ausreichende zentrale Steuerung" bemängelte. Die Vorschriften, die daraufhin erlassen wurden, lösten eine Welle der Empörung aus.

Insgesamt wurden etwa 40 Drittkräfte neu eingruppiert. Falkner, die für ihre Arbeit immer gelobt wurde, war plötzlich nicht mehr qualifiziert genug. Obwohl sie sich fortlaufend auf eigene Kosten weiterbildete, rutschte sie ganze drei Gehaltsstufen nach unten. Sie sollte sogar Geld zurückzahlen. "So kann man einen Menschen, der gut arbeitet und gebraucht wird, nicht behandeln", sagt sie.

In der Schulverwaltung stieß die Entscheidung des Ministeriums ebenfalls auf Unverständnis. "Das hätte nicht passieren dürfen", räumt ein Beamter ein. Anders als vom Ministerium propagiert, seien gerade die Grund- und Mittelschulen schon jetzt an ihrer personellen Belastungsgrenze. Dort würde jeder engagierte Mitarbeiter gebraucht, berichtet der Schulrat, der lieber anonym bleiben möchte.

Was zählt, ist der Abschluss auf dem Papier

Was jedoch fehlt, sind Anreize. 400 der rund 1000 Drittkräfte, die im vergangenen Schuljahr eingesetzt waren, verdienten zwischen 13 bis 16 Euro pro Stunde. Die entsprechenden Vorschriften erlässt das Kultusministerium. Was zählt, ist der Abschluss auf dem Papier, nicht die Qualität des Unterrichts. Nur wer studiert hat, bekommt mehr Geld. Da prallt die Ministerialbürokratie auf Schulrealität.

"Die Bildung unserer Kinder muss uns mehr als 13 Euro wert sein", sagt Ruth Brenner von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die Zahl der Drittkräfte wurde im aktuellen Schuljahr noch mal deutlich erhöht. "Das sind reine Sparmaßnahmen", kritisiert die Gewerkschafterin. Weil Lehrer fehlten, würden neue Jobs erfunden. Das System werde dadurch immer intransparenter, "prekäre Arbeitsverhältnisse" nähmen zu. 80 Prozent der Drittkräfte sind befristet angestellt und müssen sich jeden Sommer arbeitslos melden. Ihnen fehle die Perspektive.

Eine Frage der Eingruppierung

Mit den Vorwürfen konfrontiert, lässt Kultusminister Piazolo, der ein Gespräch ablehnt, über einen Sprecher ausrichten: Die Drittkräfte leisteten "hervorragende Arbeit". Sie seien jedoch lediglich als Unterstützung im Unterricht vorgesehen und müssten entsprechend den "Vorgaben im öffentlichen Dienst" eingruppiert werden. Dies habe der Rechnungshof "nachhaltig eingefordert". 

Die GEW verweist dagegen auf die speziellen Regelungen für angestellte Lehrer, die im Tarifvertrag deutlich bessergestellt sind. Diese gelten laut Definition für Personen, die an der "Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebs" beteiligt sind. Darunter fielen auch Drittkräfte, soweit sie im Unterricht eingesetzt werden, meint die Gewerkschaft.

Für Dorothea Burkard, Arbeitsrechtsexpertin bei der Würzburger Kanzlei Bendel und Partner, ist die Kritik an der Eingruppierung juristisch nachvollziehbar. Wenn die Lehrer-Definition zutrifft, müssten die Drittkräfte neu - und in vielen Fällen wohl höher - eingruppiert werden. Das Kultusministerium erklärt dagegen, es handele sich bei Drittkraft-Maßnahmen nicht um Unterricht, sondern um eine "Ergänzung des schulischen Angebots".

"Das System ist krank"

Das allerdings ist eine Frage der Perspektive. So berichtet eine Drittkraft aus dem Raum München, sie unterrichte zwölf Stunden in der Woche eine Deutsch-Plus-Klasse. Die Arbeit mit Kindern, die kaum Deutsch sprechen, sei enorm herausfordernd. Auf ihrem Gehaltszettel macht sich das jedoch nicht bemerkbar. "Man wird wirklich mit Füßen getreten", schimpft sie. Auch die Schüler, um die sich Tanja Falkner kümmert, haben gravierende Sprachprobleme. Natürlich sei das Unterricht, sagt sie.

Laut GEW und dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband ( BLLV) sei es keine Ausnahme, dass Drittkräfte Aufgaben übernehmen, die ihr Vertrag gar nicht vorsieht. Das sei bekannt, räumt auch eine Mitarbeiterin der Regierung von Oberbayern ein, doch die Behörden schauten bewusst weg. "Das System ist krank", sagt sie.

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