Mit großen Gesten und farbigen Perücken inszeniert Ronny Jakubaschk das Stück „Der Herzerlfresser“des österreichischen Dramatikers Ferdinand Schmalz. Vor zwei Jahren eröffnete der junge Schriftsteller die Autorentheatertage am Deutschen Theater Berlin mit seinem Stück „Dosenfleisch“und erlangte so im deutschsprachigen Raum große Bekanntheit. Das Stück „Der Herzerlfresser“ist herzlich einfach und doch verbirgt sich viel mehr dahinter. Der übermotivierte Bürgermeister Rudi, gespielt von Harald Baumgartner, tut sein Bestes, um die Eröffnung des neuen Herzstücks seiner Stadt, ein überdimensionales Einkaufszentrum, nicht zu gefährden.
Sein Herz schlägt für die neue Attraktion im kleinen Ort. Eine herzlose Gräueltat und Frauenleichen, die auf einmal neben dem Prestigeprojekt auftauchen, passen ihm dabei natürlich nicht in den Kragen. Der Sage nach habe Ende des 18. Jahrhunderts ein gewisser Paul Reiniger gemeint, er könne unsichtbar werden, um so dem Unglück davonzulaufen, wenn er sieben Mädchenherzen verzehrt. Ob der Herzerlfresser nun zurück ist?
Noch bevor das Einkaufszentrum seine Türen für die kauflustigen Kunden öffnen kann, steht fest, dass das Gebäude auf Moor gebaut wurde und das Projekt somit wörtlich ins Schwanken gerät. Bürgermeister Rudi will davon aber nicht viel wissen. Vielmehr wird das Sumpfgebiet, unstabiles Fundament des neuen Paradieses für Shoppingfreunde, ein perfekter Ort, um die herzlosen Frauenleichen verschwinden zu lassen. Um sich die Hände nicht schmutzig zu machen, beauftragt der Bürgermeister Gangsterer Andi (Thorsten Hierse) mit der Aufgabe, die unerwünschten Leichen zu entsorgen.
Der Nachtwächter Andi soll das Problem vor der großen Eröffnung aus der Welt schaffen oder auch einfach im Moor versinken, wo es für die Augen der Kunden nicht sichtbar ist. Mit von der Partie sind in dieser Tragikomödie noch Fauna Florentina (Lorna Ishema), die draußen im Sumpf lebt und Andis Herz höherschlagen lässt, Herbert (Elias Arens), der charmante Fremde, und die Fußpflegerin Irené (Isabel Schosnig), die ganz heiß darauf ist, im neuen Zentrum ihr Studio zu eröffnen.
Durch ihre herzhafte Leistung bringen die Schauspieler Charaktere auf die Bühne, in denen sich alle wiederfinden können, und halten dem Publikum so den herzlosesten aller Spiegel vor. Was sich als grotesken Krimi ausgibt, entpuppt sich im Laufe des Stücks als eine regelrechte Gesellschaftskritik der Moderne.
Redewendungen und Metaphern
Durch die grandiose Leistung der Schauspieler wird die Sprache, die im Text von Ferdinand Schmalz bereits eine zentrale Rolle spielt, noch deutlicher in den Fokus gerückt.
Es entsteht eine raffinierte Inszenierung, die Redewendungen wie „jemanden zum Fressen gernhaben“oder „ein Herz erobern“wahr werden lässt. Die geschickte Metapher eines von der Konsumgesellschaft getriebenen Neubaus, das auf unsicherem Boden entstanden ist, lässt die Frage aufkommen, wie sehr unsere Welt bereits in einer Schieflage ist. Bürgermeister Rudi wäre in der realen Welt wohl auch nicht lange alleine mit seiner Liebe zum Konsum.
Ferdinand Schmalz ist mit „Der Herzerlfresser“ein herzlich ehrliches Stück gelungen, über das Herz unserer Gesellschaft: den Kapitalismus. Durch die Inszenierung von Ronny Jakubaschk wird die Herzlosigkeit sogar noch betont, ohne den Figuren die tragische Menschlichkeit zu nehmen.
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