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More Brain per Barrel!

Immer kreativere Köpfe sind heute und künftig gefordert, um der Erde Öl zu entlocken, meint Leonhard Ganzer. „Wir brauchen more Brain per Barrel!“ Diesen Satz bekommen die Studenten des Professors häufiger zu hören. Fakt ist: Die Ölfördermethoden werden immer aufwendiger und personalintensiver, aber dafür können Ölfelder stärker ausgebeutet werden.

Von Mirko Besch (Foto: www.fotografiemalsch.de)

In Deutschland werden Ölquellen im Mittelwert nur etwa zu einem Drittel ausgeschöpft. „Das heißt: Viel Öl bleibt unten. Daher ist es ökologisch und ökonomisch interessant, wenn man aus bereits erschlossenen Ölfeldern noch mehr Öl rausholen kann“, sagt Professor Dr. Leonhard Ganzer. Der 45-jährige Österreicher leitet die Abteilung Lagerstättentechnik des Instituts für Erdöl- und Erdgastechnik an der Technischen Universität Clausthal und forscht unter anderem an sogenannten EOR-Methoden (EOR steht für Enhanced Oil Recovery), mit denen der Entölungsgrad von Lagerstätten erhöht werden kann. „Wir bauen zum Beispiel numerische 3-D-Modelle des Untergrunds, also Lagerstättenmodelle, die den gesamten Förderprozess abbilden“, erklärt Ganzer. Dabei gehe es insbesondere um die Frage: „Wie fördere ich mit möglichst wenigen Bohrungen möglichst viel Öl?“

Erschließt man eine Ölquelle, schießt das Öl zunächst aufgrund des natürlichen Lagerstättendrucks an die Erdoberfläche. Später wird der Druck dann durch Einpressen von Wasser in das Ölfeld aufrechterhalten. „Aber irgendwann kommt oben fast nur noch Wasser an, sodass die Förderung dann nicht mehr wirtschaftlich ist und eingestellt wird“, sagt Ganzer. Verdickt man jedoch das Wasser mithilfe von wasserlöslichen Polymeren, verlängert das die Ölförderung. „Das ist wie Tapetenkleister. Damit lässt sich das Öl besser aus den Gesteinsporen verdrängen und eine zusätzliche Ausbeutung des Ölfelds von fünf bis sechs Prozent erwarten.“ Das sei zwar kein Durchbruch, aber es helfe, das Potenzial weiter auszuschöpfen. „Zum Vergleich: Erhöht man den Lagerstätten-Entölungsgrad weltweit um nur ein Prozent, haben wir zwei Jahre mehr Öl zur Verfügung.“

Bereits seit den 1980er-Jahren werden synthetische Polymere erfolgreich eingesetzt. Sie sind robust und langlebig. Ebenfalls möglich ist der Einsatz von Biopolymeren. Sie sind vollständig biologisch abbaubar. „Das Problem dabei ist: Wir müssen sie so stabil kriegen, dass sie einige Monate überleben.“ Denn Biopolymere erreichen bei der Verdrängung von Erdöl nur eine Geschwindigkeit von etwa einem Fuß (30,48 cm) pro Tag. Eingesetzt wird zum Beispiel das Polysaccharid Xanthan, das aus Pflanzen gewonnen wird und als Verdickungsmittel unter anderem in Salatdressing, Joghurt sowie in Kosmetika steckt. Aktuell noch in einem ersten Feldversuch befindet sich ein Projekt mit Schizophyllan. Das Biopolymer wird von dem auf totem Holz anzutreffenden Pilz Schizophyllum commune während seines Wachstumsprozesses erzeugt.

Anstatt verdicktes Wasser einzusetzen, kann man aber auch die Viskosität des Öls herabsetzen. Durch eine Gas-Injektion, zum Beispiel mit Kohlendioxid, Stickstoff oder Erdgas, wird das Öl dünnflüssiger. „Das ist am billigsten und in den USA recht populär – in Deutschland jedoch kaum umsetzbar“, erklärt der Lagerstätten-Experte. Eine weitere Möglichkeit, die Zähflüssigkeit des Erdöls zu senken, bietet das Dampfflutverfahren. Dabei wird etwa 300 Grad Celsius heißer Wasserdampf unter hohem Druck in die Lagerstätte gepresst. „Das ist die weltweit erfolgreichste Methode. Sie ist aber sehr energieintensiv und somit teuer.“

Aktuell besonders interessante Verfahren zur Erhöhung der Ausbeute sind das Surfactant Flooding und das Alkaline-Surfactant-Polymer Flooding, kurz: ASP. Beim Surfactant Flooding wird das Öl mithilfe von Tensiden ausgewaschen. Noch wirkungsvoller aber ist ASP, bei dem Tenside und Polymere zum Einsatz kommen. „Im Labor erreicht man damit einen Entölungsgrad von 100 Prozent. In Lagerstätten realistisch sind zumindest deutlich über 50 Prozent, im Mittel vielleicht 60 bis 70 Prozent.“ Für Ganzer daher eine äußerst vielversprechende Fördertechnik. „Das Verfahren wird derzeit im Pilotmaßstab eingesetzt. ASP wird kommen, ist aber wesentlich teurer als andere Methoden.“ Doch bei einem konstant hohen Ölpreis lohnen sich selbst die teuersten Verfahren.

 

Zur Person
Leonhard Ganzer
studierte „Petroleum Engineering” an der Montanuniversität Leoben (Österreich) sowie an der Colorado School of Mines (USA). Ab 1994 arbeitete er als Universitätsassistent am Institut für Reservoir Engineering in Leoben, wo er 1997 promovierte. 1999 wechselte Ganzer in die Industrie und war im Bereich der Simulation von Erdöl- und Erdgaslagerstätten in Österreich sowie den USA tätig. 2006 wurde er in Leoben zum Professor für Reservoir Engineering berufen, ehe er 2009 an die TU Clausthal wechselte.


Der Artikel war ursprünglich zu finden unter:
http://www.es-werde-lux.de/site/forschung/brain-per-barrel-3221/