Es wirkte ein bisschen mächtig, dieses hölzerne Laufrad, das Karl Drais vor rund 200 Jahren erfunden hat. Angetrieben wurde das Rad, indem sich der Fahrer mit den Füßen vom Boden abgestoßen hat. Echte Beinarbeit also. Im Vergleich dazu heute: E-Bikes, bei denen der Fahrer je nach Bedarf die elektrische Unterstützung zu schalten kann. Diese Entwicklung hätte sich der Erfinder wohl kaum erträumt.
Der Tüftler, der Forstmeister war
Karl Drais wurde am 29. April 1785 als Sohn eines Hof- und Regierungsrates in Karlsruhe geboren. Er wurde früh dazu bestimmt, den Forstdienst anzutreten. Doch eigentlich schlug das Herz eines Tüftlers in seiner Brust. Die Zeit bis zu seinem Forstexamen überbrückte er, indem er Mathematik, Physik und Baukunst in Heidelberg studierte. Anschließend nahm er die Arbeit als Forstmeister auf. Doch eine schlechte Auftragslage führte schon bald dazu, dass Drais bei vollen Bezügen auf unbestimmte Zeit beurlaubt wurde. Der 26-Jährige widmete sich sodann der Tüftelei und veröffentlichte seine Ideen in einer lokalen Zeitung. Auf Drais' Erfinderkonto gehen unter anderem ein Klavierrekorder, eine Tastenschreibmaschine oder auch ein Holzsparherd.
Die Laufmaschine - aus der Not geboren
Doch seine wichtigste Erfindung entwickelte Drais im Jahr 1817. Nachdem es im „Jahr ohne Sommer" zu katastrophalen Ernteausfällen kam, reichte das Getreide schon kaum mehr für die Menschen. Pferde mussten daraufhin notgeschlachtet werden. Drais erarbeitete ein zweirädriges Gestell, das schnell als Alternative zum Zugtier gehandelt wurde. Zeitungen tauften es auf den Namen Draisine, angelehnt an Drais' Nachnamen. Der Entwickler demonstrierte seine Erfindung bei öffentlichen Fahrten. Am 12. Juni 1817 fuhr er eine Strecke von rund sieben Kilometern und war dabei etwa doppelt so schnell wie die Pferdepost. Drais erhielt als Wertschätzung das großherzogliche Privileg (vergleichbar mit unserem heutigen Patent) und wurde zum Professor für Mechanik ernannt.
Zu schnell für seine Zeit
Die sogenannte Draisine schien auf dem Vormarsch. Zeitungen machten sie in der ganzen Welt bekannt. Doch die Landwirtschaft erholte sich und Pferde wurden wieder zur Ernte eingespannt. Draisinen-Fahrer, die besonders gern auf glatten Untergründen durch die Stadt rauschten, wurde das Fahren auf Bürgersteigen untersagt. Auch in England, den USA und sogar in Kalkutta verschwanden die Laufräder vorerst wieder aus dem Stadtbild.
Der überzeugte Demokrat
Den endgültigen Abstieg Drais läutete ein richterliches Urteil seines Vaters ein. Die Öffentlichkeit wandte sich gegen die Familie, als Folge floh Drais nach Brasilien. Nach seiner Rückkehr legte Drais einen Fokus auf die Politik, bekannte sich öffentlich als Demokrat und überlebte daraufhin nur knapp einen Mordanschlag. Doch Drais ließ sich nicht von seiner Überzeugung abbringen. Im Zuge der badischen Revolution gab er im Jahr 1849 seinen Adelstitel zurück. Die Revolution scheiterte. Drais wurde enteignet und seine Pension zur Rückzahlung von Revolutionskosten beschlagnahmt. Der Erfinder des Zweirads starb in ärmlichen Verhältnissen am 10. Dezember 1851 in Karlsruhe.
Die Idee wird aufgegriffen
Erst 50 Jahre nach seinem Einfall haben Pierre Michaux und Pierre Lallement sein Konzept der zweirädrigen Laufmaschine aufgegriffen. Sie entwickelten das Laufrad vermutlich parallel weiter zu einem pedalbetriebenen Fahrrad. Das Rad wurde immer mehr zu dem, wie wir es heute kennen: vom Hochrad zum Niederrad, hin zum Rad mit Fahrradkette.
Die nächste Stufe der Fahrrad-Evolution
Ein Blick auf die Geschichte des Fahrrads zeigt: Es ging immer darum, das Fahrradfahren bequemer zu machen. Das E-Bike markiert die nächste Evolutionsstufe des Rads. Durch das Zuschalten eines elektrischen Motors wird der körperliche Krafteinsatz des Radfahrers deutlich reduziert. Man darf gespannt sein, was den Tüftlern und Bastlern als nächstes einfällt.