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So wollen die Parteien in Baden-Württemberg die Corona-Krise bewältigen

Auch im Wahlkampf der Landtagswahl 2021 bleibt ein Thema besonders relevant: die Corona-Krise. Wie wollen die Parteien die Herausforderungen durch die Pandemie auch in Zukunft meistern?

Veröffentlicht bei SWR Aktuell am 13.3.2021.

Am 14. März wird in Baden-Württemberg gewählt. 21 Parteien stellen sich zur Wahl. Da die Politik die Corona-Pandemie auch in der nächsten Legislaturperiode weiter beschäftigen wird, findet sich ein Thema in fast jedem Wahlprogramm zur Landtagswahl 2021 wieder: der Umgang mit der Corona-Pandemie.

Gesundheitsversorgung

Die Corona-Krise habe insbesondere aufgezeigt, welcher Mangel in der Gesundheitsversorgung und der Pflege im Land herrsche - da sind sich die Parteien einig. Grüne, CDU, SPD, FDP, Linke und AfD wollen alle eine flächendeckende Gesundheitsversorgung auch im ländlichen Raum sicherstellen. Mit besseren Arbeitsbedingungen und höheren Löhnen soll der Pflegeberuf attraktiver werden, um so den Personalmangel in dem Bereich abzubauen. Den öffentlichen Gesundheitsdienst, unter anderem die Gesundheitsämter, wollen alle größeren Parteien stärken. Das Land soll so auf den nächsten Pandemiefall besser vorbereitet sein.

Digitale Möglichkeiten im Gesundheitssystem, wie Online-Sprechstunden oder telemedizinische Behandlungen, sollen ausgebaut werden. Die SPD will Kommunen und Landkreise bei der Finanzierung von Krankenhäusern unterstützen. Außerdem soll in Digitalisierung von Krankenhäusern und die technische Ausstattung investiert werden. Die Linke will einen kompletten Systemwechsel in der Gesundheitsversorgung. Die Partei fordert die Abschaffung der Fallpauschalen, da diese das Gesundheitssystem "kommerzialisiere".

Auch die AfD will die Gesundheitsversorgung im Land ausbauen und Kliniken und Heime besser ausstatten. Die Krankenhausinfrastruktur müsse erhalten und gestärkt werden - insbesondere in ländlichen Regionen. Das Fallpauschalensystem lehnt die AfD - ähnlich wie die Linke - ab. Nicht nur im Hinblick auf eine weitere Pandemie müsse die Medikamentenversorgung sichergestellt werden und Lieferengpässe in Zukunft verhindert werden. Die AfD positioniert sich aber auch klar gegen die aktuelle Corona-Politik: Die vom Land geleisteten Finanzausgaben während der Krise müssten genau überprüft werden. Die Corona-Warn-App lehnt die Partei aus Datenschutzgründen ab, ebenso ist die Partei gegen eine Impfpflicht.

Die FDP will auf Grundlage der Erfahrungen aus der Corona-Krise den Landes-Pandemieplan überprüfen und umgestalten. Sie fordert eine bessere Koordinierung der Landesregierung, "um verlässlichere und tragfähigere Strukturen für den Pandemiefall vorzusehen". Eine bessere Bevorratungsstrategie soll einen Mangel an Medikamenten oder anderem Material verhindern und mit dem Bund sowie den europäischen Nachbarländern abgestimmt werden.

Ähnliche Forderungen haben die Grünen: "Die Corona-Krise lässt sich nur gemeinsam bewältigen", schreibt die Partei. Sie fordern, ein "gemeinsames Management für eine grenzüberschreitende öffentliche Gesundheit aufzubauen." Die Abhängigkeit von Medikamenten und anderem medizinischen Material von ausländischen Produzenten kritisiert beispielsweise die CDU. Gerade im medizinischen und pharmazeutischen Bereich wirken sich Lieferunsicherheiten direkt auf die Versorgung aus, so die CDU in ihrem Wahlprogramm. Die Partei will deshalb für ein Europa eintreten, "dass sich aus eigener Kraft mit Gütern der Daseinsvorsorge versorgen kann".

Schuldenabbau

Im Oktober 2020 wurde der zweite Nachtragshaushalt für Baden-Württemberg beschlossen. Dieser sieht eine Neuverschuldung in Milliardenhöhe für das Land vor. Daher ist eine Frage zentral: Wie wollen die Parteien die hohe Summe an neuen Schulden abbauen? Welche Maßnahmen bei der Haushaltsplanung sollen dabei helfen? Woran wollen sie sparen?

Dass der Abbau der Neuverschuldung ein wichtiger Teil der Agenda sein muss, da sind sich fast alle einig. Alle größeren Parteien, die zur Wahl stehen, wollen durch klare Prioritäten in der Haushaltsplanung Ausgaben einsparen. Die Grünen, unter Führung des amtierenden Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, verteidigen die bisherige Corona-Politik des Landes - Kritik gab es von der Opposition, aber auch von den neu gegründeten Parteien die Basis oder Wir2020. Die Neuschulden seien notwendig gewesen, um die Wirtschaft, auch die Kultur- und Kreativwirtschaft, zu unterstützen, schreiben die Grünen in ihrem Wahlprogramm. In der nächsten Legislaturperiode soll die Verschuldung aber konsequent abgebaut werden: "Wir werden den Haushalt weiter sanieren, klug investieren und Vorsorge für künftige Risiken treffen."

Auch die CDU will die Schulden "konsequent und planvoll" abbauen: "Neue Schulden wollen wir vermeiden und schnellstmöglich wieder zum Abbau alter Schulden zurückkehren", heißt es in dem Wahlprogramm der Christdemokraten. Eine Steuererhöhung lehnt die CDU klar ab. Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass "eine Rückzahlung von Schulden ohne Steuererhöhungen möglich" sei. Die SPD will in ihrer "Finanzpolitik mit sozialdemokratischer Handschrift" bewusst den Schwerpunkt auf Bildung, bezahlbaren Wohnraum, Gesundheit und die Energiewende setzen.

Für die AfD habe die Einhaltung der Schuldenbremse "höchste Priorität". Sparen möchte die Partei bei den "ideologischen Großbaustellen" der aktuellen Regierung: Die AfD wolle Ausgaben senken, die durch die Zuwanderung oder die Energiewende entstehen. Durch Senkung der Mehrwert- und Energiesteuern sollen Bürgerinnen und Bürger entlastet werden. Unternehmen sollen durch Steuerentlastungen und Abbau von Bürokratie profitieren.

Auch die FDP will die Schulden der Corona-Krise "schnell" zurückführen und die Schuldenbremse strikt beachten. Nur die Linke will die Schuldenbremse komplett abschaffen: Statt um jeden Preis Schulden abzubauen, soll stattdessen lieber in Soziales, Infrastruktur und den Klimaschutz investiert werden. "Die Rückzahlung der Konjunkturpakete und anderer sozialer Ausgaben darf nicht auf dem Rücken der Bevölkerung stattfinden", schreibt die Linke in ihrem Wahlprogramm. Durch einen höheren Spitzensteuersatz und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer will die Partei diese Ausgaben finanzieren.

Ob Musikveranstalter, Gastronomie, Kinos oder Museen: Insbesondere Kulturschaffende mussten im laufenden Corona-Lockdown einstecken. Doch auch im Kontext der hohen Neuverschuldung soll nicht an Kunst und Kultur gespart werden: "Die Corona-Krise mit ihren Einschränkungen bei Auftritten und Veranstaltungen hat gezeigt, was wir ohne Kunst und Kultur vermissen", heißt es beispielsweise im Wahlprogramm der Grünen. "Wir [...] wollen dafür sorgen, dass Baden-Württemberg weiterhin ein starkes Kulturland bleibt!" Die CDU will den Sportbereich weiter unterstützen, zusätzlich wollen sie mit einem Sonderprogramm die Kulturlandschaft im Land fördern. Konkret soll beispielsweise die Landesförderung für Amateurtheater, Heimat- und Trachtenverbände um 50 Prozent erhöht und Kinder und Jugendlichen dauerhaft freier Eintritt in den Landesmuseen ermöglichen werden.

Die SPD verspricht, die Kommunen, die mehrheitlich für den Unterhalt von Kultur- und Sporteinrichtungen zuständig sind, mehr zu unterstützen. So soll der Ausfall bei der Gewerbesteuer durch die Corona-Krise ausgeglichen werden. Die Beteiligungsfonds des Landes will die SPD beispielsweise auch auf kommunale Unternehmen ausweiten, dadurch könnten Verkehrsunternehmen, Bäder und kulturelle Einrichtungen wie Museen erhalten werden. Die Linken gehen noch einen Schritt weiter und fordern, die Corona-bedingten Effekte im Haushalt komplett auszugleichen: Ein finanzieller Schutzschirm für Kommunen soll keine Streichung, sondern eine "Rettung von sozialen, ökologischen und kulturellen Angeboten" ermöglichen.

Unternehmen unterstützen und Corona-Krise mildern

Klimakrise, Digitalisierung und Corona-Pandemie: Die Corona-Krise habe vor Augen geführt, in welche Bereiche noch dringend investiert werden müsse, um die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte zu meistern, so der mehrheitliche Tenor in den Wahlprogrammen der größeren Parteien. Fast alle wollen in den Schutz von Klima und in die wirtschaftliche Transformation investieren, um die Wirtschaft durch die Krise zu bringen - wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Die Grünen setzen vor allem auf die Förderung der emissionsfreien Autoindustrie. Dagegen will beispielsweise die CDU E-Mobilität zwar weiter fördern, emissionsarme Verbrennungstechnologien sollen aber weiter unterstützt werden. Auch die FDP will die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie erhalten und auch die Zukunft des Verbrennungsmotors auf Grundlage von umweltfreundlichem Diesel oder synthetischen E-Fuels sichern.

Um Arbeitsplätze zu sichern, will die Linke Unternehmen durch Bürgschaften unterstützen. Das lehnt beispielsweise die FDP ab. Sie will Landesbeteiligungen an Unternehmen im Zuge der Corona-Krise überprüfen und zügig beenden. Die CDU plant das Handwerk zu stärken, will sich aber auch für eine Unternehmenssteuerreform auf Bundesebene einsetzen. So sollen Unternehmen entlastet und Investitionen in Digitalisierung und Klimaschutz ermöglicht werden. Die SPD will Ausbildungsplätze garantieren und verspricht, mit einer Landesinnovationsagentur den Innovationstransfer bei kleinen und mittleren Betrieben zu verbessern. Die AfD will den Mittelstand und kleinere und mittlere Unternehmen vor allem durch Bürokratieabbau fördern und entlasten, staatliche Lenkungseingriffe in die Märkte soll es nicht geben. Sie will "Start-up-Mentalität" fördern und die Wirtschaft durch Investitionen in die öffentliche Infrastruktur in Schwung bringen.

Digitalisierung in Unternehmen und Schulen als Zukunftsaufgabe

Dass die Digitalisierung im Land vorangetrieben werden muss, darin sind sich die Parteien ebenfalls einig. Alle größeren Parteien versprechen eine flächendeckende Versorgung mit schnellem Internet für alle Bürgerinnen und Bürger - auch wenn sie unterschiedlicher Meinung sind, was das genau bedeutet: Die geforderten Bandbreiten reichen von 100 bis 1.000 MBit/s.

Die SPD will beispielsweise mit einer landeseigenen Infrastrukturgesellschaft digitale Infrastruktur in öffentlicher Hand ausbauen. Die CDU und die FDP wollen ein eigenes Digitalisierungsministerium schaffen. Das lehnt die AfD ab, um Bürokratie zu vermeiden. Stattdessen sollen Stellen für 100 Digitalisierungsmanagerinnen und -manager geschaffen werden. Die Grünen bleiben ihrem bisherigen Kurs treu: Kommunen sollen mit Unterstützung des Landes Glasfaserleitungen ausbauen, die dann den Betreibern zur Verfügung gestellt werden.

Digitalisierung im Bildungsbereich ist ein zentrales Thema, das fast alle Parteien, die zur Wahl stehen, in ihre Wahlprogramme aufgenommen haben. Dabei wollen alle Parteien den Anschluss der Schulen an schnelles Internet, die technische Ausstattung der Schulen verbessern und mehr Geld in die Weiterbildung von Lehrkräften investieren. So versprechen beispielsweise die Grünen eine Ausstattung mit digitalen Endgeräten, Breitband und WLAN an den Schulen. Die CDU will auch Schülerinnen und Schüler mit Geräten versorgen oder alternativ einen einkommensabhängigen Zuschuss gewähren. Die SPD setzt auf ein "Landesprogramm zur Modernisierung von Schulen". Auch verspricht sie, jede Schülerin und jeden Schüler spätestens ab der weiterführenden Schule mit einem Tablet auszustatten. Die Linke fordert ein Bund-Länder-Programm für die Digitalisierung an Schulen. Die AfD verlangt, neben dem Breitband-Anschluss, vor allem eine funktionierende Bildungsplattform. Wenn diese nicht vom Land zur Verfügung gestellt werden könne, so müsse eine bundesweite Lösung eingesetzt werden.

Kleine Parteien gegen die Corona-Maßnahmen

Mehrheitlich fokussieren sich die größeren Parteien bei ihrer Corona-Politik in ihren Wahlprogrammen auf die Zeit nach der Pandemie. Die aktuellen Corona-Maßnahmen sehen sie zumeist als notwendig an und tragen sie größtenteils mit. Anders beispielsweise die AfD, die sich wiederholt gegen die Corona-Politik der Landesregierung geäußert hat, und die Parteien Basis oder Wir2020, die sich während der Corona-Pandemie gegründet haben. Sie treten für die Rücknahme der Gesetzesänderungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie ein.

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