Mit ihrem ersten Studioalbum „Monday's Ghost" wurde Sophie Hunger 2008 schlagartig berühmt. Angesichts der Intensität und Anmut ihres Debüts wurde der Schweizer Diplomatentochter mit einem Faible für Jazz und Rock eine steile Karriere vorhergesagt. Drei Alben und zahlreiche Live-Auftritte später fühlte Hunger eine Leere in sich aufsteigen, die sie dazu veranlasste, sich eine kreative Pause zu verordnen. Nun meldet sie sich mit ihrem Album „Supermoon" zurück, das von geistigen Reisen und innerer Einkehr handelt. Heute kommt das neue Werk in die Läden. Am 16. Mai wird Sophie Hunger während des Festivals „Women of the World" in der Frankfurter Alten Oper auftreten. Mirco Overländer sprach mit der Sängerin (32).
Frau Hunger, was machen Sie gerade?SOPHIE HUNGER: Wir sind gerade bei den Proben für die Tour und haben gestern erstmals das ganze Konzert durchgespielt. Es läuft sehr gut, es ist aber noch viel Arbeit, weil man so viel im Kopf haben muss.
Sie hätten bereits 2014 in Frankfurt auftreten sollen. Doch Ende 2013 haben Sie sich eine Auszeit genommen und sind nach San Francisco gezogen, wo Ihr Album „Supermoon" entstand. Was waren die Gründe für diesen vorübergehenden Rückzug aus der Öffentlichkeit?HUNGER: Ich musste mich erst einmal ein bisschen erholen. Wir waren jahrelang auf Tour. Wichtig war für mich, eine Zeitlang keine Konzerte mehr zu spielen und auch mal für mich allein sein zu können. Das hat ganz schnell Früchte getragen.
Wie wollen Sie vermeiden, künftig noch einmal auszubrennen?HUNGER: Das kann man nicht vermeiden. Das ist das Leben: Irgendwann geht man zu weit. Wenn man nicht zu stumpfsinnig ist, merkt man das und ruht sich aus. Das ist eine ganz normale Dynamik. Ich glaube, das wird mir noch einige Male passieren. Man hat immer viele Wünsche und Träume. Manchmal übertreibt man ein bisschen. Das ist schließlich unsere Aufgabe: Wir Musiker müssen spielen, um unsere Kühlschränke voll zu kriegen. Für mich ist die Musik einfach mein Leben. Es gibt nichts, das nur annähernd so erfüllend ist. Das hat nie aufgehört und wird nie weniger.
„Supermoon" ist ein sehr melancholisches Album, dessen Songs von physischen und geistigen Reisen handeln. Reiner Zufall, oder wollten Sie bewusst etwas machen, das anders klingt als ,1983' und ,Danger of Light'?HUNGER: Ich weiß nicht, ich will nie irgend etwas ganz bewusst. Es war einfach das, worum es in diesem Jahr ging. Ich habe über die Dinge geschrieben, die um mich herum waren: weggehen und viel alleine sein. „Supermoon" war ein einfaches Album, weil ein Lied nach dem anderen kam. Das hat sich nicht wie eine Anstrengung angefühlt.
Ihre Songs werden nicht im Radio gespielt, dennoch haben Sie die Musikszene ordentlich durchgerüttelt. Wäre es eher abschreckend oder bestätigend für Sie, plötzlich im Mainstream zu landen wie Schlagerstar Helene Fischer?HUNGER: Ich würde gerne im Radio gespielt werden. Das wäre schön (lacht) ! Ich bin aber auch so zufrieden mit dem, was ich erreichen kann. Es ist aber eben so, dass kommerzielle Sender bestimmte Arten von Liedern brauchen. Wenn nach Rihanna ein Song von Tom Waits käme, müsste jeder sein Radio doppelt so laut aufdrehen. Das geht nicht zusammen.
Könnten Sie nicht zum Spaß selbst ein radiotaugliches Stück schreiben?HUNGER: Das ist wohl die ganz große Kunst, ein Lied zu schreiben, an dem keiner vorbeikommt. Ich habe es probiert und für „Supermoon" das Lied „Am Radio" geschrieben. Das war ein ironischer Versuch einer Radiosingle. Ich habe das dann allen gezeigt. Alle meinten: „Super, aber du hast es nicht begriffen." Das war lustig (lacht) .
Beim Festival „Women of the World" in Frankfurt treffen Sie auf einige andere hochtalentierte Musikerinnen. Bräuchte es mehr solcher Anlässe, um das noch immer von Männern dominierte Musikgeschäft in andere Bahnen zu lenken?HUNGER: Das ist eine schwierige Frage. Eigentlich ist es eine Frage nach der Frauenquote. Es gibt einen guten Satz von der EU-Grundrechte-Kommissarin Viviane Reding: „Ich mag die Quote nicht. Aber ich mag, was die Quote erreicht." Wir akzeptieren, dass unser Leben von Regeln bestimmt ist - wann wir arbeiten und wo wir rauchen dürfen. Aber wenn es darum geht, für die große Mehrheit, das weibliche Geschlecht, eine Quote einzuführen, dann heißt es: Sei doch nicht so kompliziert, das brauchen wir nicht.
Also ein klares Ja zur Frauenquote?HUNGER: In einer perfekten Gesellschaft wäre das nur eine Übergangsphase. Fast alle meine Freundinnen haben unglaubliche Sachen studiert, jetzt sind sie zu Hause und kümmern sich um ihre Kinder. Ich finde es schade, dass man sich entscheiden muss.
Seit „Monday's Ghost" erschienen ist, waren Sie fast ununterbrochen auf Tour oder im Studio. Hatten Sie je das Gefühl, für Ihre Musik zu viel von sich preiszugeben?HUNGER: Ja, ich glaube, das war am Schluss vielleicht schon ein bisschen übertrieben. Gleichzeitig bin ich aber auch froh, dass ich das machen kann. Ich bin froh, dass ich das mit meiner Musik habe. Das ist mein Plätzchen, wo ich ganz okay bin mit mir. Da kann ich mich sehr gut konzentrieren und mich sammeln.
Sie haben Ihre Wohnung in Zürich gegen eine Bleibe in Berlin eingetauscht. Was hat Sie denn aus der Schweiz weggelockt?HUNGER: Das waren praktische Gründe. Berlin ist nicht mein Lebensmittelpunkt, da ich viel unterwegs bin. Mit unserer Musiker-Gemeinschaft haben wir hier eine Wohnung, aber auch eine in Paris. In der Schweiz hatte ich überhaupt nichts mehr zu suchen. Für meine Arbeit musste ich eh immer weggehen. Deswegen dachte ich irgendwann, das reicht, wenn ich an Weihnachten zu Hause bin.
Für „Supermoon" haben Sie „Chanson d'Hélène" von Romy Schneider und Michel Piccoli mit Ex-Fußballer Éric Cantona eingespielt. Wie kam es dazu?HUNGER: Éric hat meine Musik schon für seine Filme benutzt. Ich habe mal in Genf gespielt, wo er mich zu einem seiner Theaterstücke eingeladen hat. Als ich dieses Lied gemacht habe, musste ich einen Mann finden, der dazu passt und bei dem die Anspannung bestehen bleibt. In Liedern klingt es oft doof, einfach zu reden. Da kam mir nur Éric in den Sinn.
Auf Ihren Alben wechseln Sie regelmäßig zwischen Englisch, Deutsch, Französisch und Schwyzerdütsch. Nach welchem Rezept geschieht dies?HUNGER: Ich habe eine englische Plattenfirma, da mussten wir einen Kompromiss finden. Da habe ich gesagt, lasst uns überlegen, dass die Platte gut klingt und die Lieder in diese dunkle Stimmung reinpassen. „Am Radio" hätte da gar nicht reingepasst.
„Women of the World": 13. - 16. Mai in Frankfurt, verschiedene Orte. Sophie Hunger spielt am 16. Mai ab 22.15 Uhr in der Alten Oper. Tickets: (069) 1 34 04 00 Internet: www.womenoftheworld-festival.de Das Album: Ein dunkler Mond zieht aufDer Mond wandert auf seinem Orbit um die Erde, ohne ihr je näher zu kommen, als es seine Umlaufbahn zulässt. Wir Menschen bewegen uns in unablässiger Hektik umher, suchen nach neuen Impulsen und
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