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Poetry Slam in Berlin und Brandenburg Die Worte müssen lebendig sein!

Keine Angst vor großen Bühnen: Paul Weigl ist der diesjährige Vizemeister im Poetry Slam. Foto: bb slam/Sarah Bosetti

Berlin - Vom 14. bis 16. November findet die Poetry Slam Meisterschaft Berlin/Brandenburg statt. Das Format steht für Lebendigkeit und, wenn man so will, demokratische Mitbestimmung. Gefragt sind neben Literatur, die schnell zur Sache kommt, Entertainerqualitäten.

Vorbei sind die Zeiten, in denen das Format Poetry Slam ein Nischendasein führte. Niemand rümpft auch hierzulande noch die Nase angesichts dieser vermeintlich leichter Unterhaltung. Zur Erinnerung: Gerade hier hielt sich recht hartnäckig die Trennlinie zwischen vermeintlich seriöser Literatur und nicht ganz so ernstzunehmende U-Literatur. Das „E“ steht in dieser Unterscheidung für „ernsthaft“, also einer Literatur, die sich rühmt, den hohen Zielen der Kunst verpflichtet zu sein. Im Gegensatz zur Unterhaltungs-Literatur, deren Zweck eben in schnödem Entertainment zu sehen ist.


Zu den populären Irrtümern zählt auch die Vorstellung, es gebe hier Gattungsrivalitäten. Die bei den Dichterwettkämpfen vorgetragenen Texte erstrecken sich potenziell über alle denkbaren literarischen Genres. Ob Lyrik, Kurzgeschichte oder Kunstlied: Poetry Slam ist eine Veranstaltungsform und keine Literaturgattung.


Das Publikum hat im Streit um Hoch- und Trivialliteratur auf seine Weise abgestimmt: Mit den Füßen. In den 1990er Jahren kam der moderne Dichterwettstreit nach Europa. Entstanden ist das Veranstaltungsformat 1986 in Chicago. Der amerikanische Dichter Marc Kelly Smith erfand Poetry Slam als Reaktion auf die antiquierte 'Wasserglaslesung', um dem Publikum Mitspracherecht und Anteil am künstlerischen Ereignis zu gewähren.


Beim Poetry Slam wird Literatur nicht von der Kanzel gepredigt. Das Format steht für Lebendigkeit und, wenn man so will, demokratische Mitbestimmung. Das funktioniert ganz einfach: Innerhalb einer gesetzten Zeitbegrenzung werden selbst geschriebene Texte dem Publikum vorgetragen, das anschließend durch Applauslautstärke oder Jurywertung einen Sieger kürt. Gefragt sind also neben Literatur, die schnell zur Sache kommt, Entertainerqualitäten.


Berlin als Hochburg


Das Format hat in den vergangenen Jahren eine rasante Entwicklung genommen. Inzwischen ist nach der englischsprachigen Slam-Szene die deutschsprachige die zweitgrößte der Welt. Berlin ist eine der Hochburgen. Mehr als zweitausend Zuschauer zieht es monatlich zu den vierzehn regelmäßig stattfindenden Dichterwettstreits der Hauptstadt. Pro Jahr besuchen über 30 000 Menschen die gut 200 Poetry Slam-Veranstaltungen in der Hauptstadt und Brandenburg. So nimmt es wenig Wunder, dass das Thema auch Einzug in Schulen, Universitäten und Literaturfestivals hält. Von diesem Ankommen zeugt auch der Finalort der Berlin/Brandenburg-Meisterschaft: Im Berliner Ensemble, wo einst Bert Brecht sein episches Theater entwickelte, treten am 16. November die acht Finalisten des Wettbewerbs vor siebenhundert Zuschauern gegeneinander an.


Die Finalisten rekrutieren sich aus den zwanzig Kandidaten, die sich in Vorausscheidungen bei heimischen „Slams“, also Meisterschaften, qualifiziert haben – und aus den beiden Halbfinals an den Vortagen siegreich hervorgegangen sind.


Am 14. November heißt es für das Publikum im Potsdamer Waschhaus: Aus Zehn mach Vier! Einen Tag darauf wird im Kreuzberger SO36 das Finalfeld komplettiert. Insgesamt werden 1 700 Zuschauer erwartet, so dass selbst Demoskopen von einem repräsentativen Publikumsvotum sprechen könnten.


Das Motto Do-it-yourself gilt nicht nur für das urteilende Publikum. Das Organisationsteam, der BB Slam e.V., besteht aus einigen der aktivsten Slam Poeten. Das erste Halbfinale in Potsdam moderieren Temye Tesfu und Robin Isenberg. Tesfu ist als Teil des Spoken-Word-Ensemble Allen Earnstyzz doppelter deutschsprachiger Slam-Vizemeister, gemeinsam mit Isenberg moderiert er regelmäßig den Havel Slam in Potsdam. Das zweite Halbfinale moderiert Sebastian Lehmann, Gastgeber des Kreuzberg Slam, der seit seinem erfolgreichen Debütroman „Sebastian. Oder: Das Leben ist nur ein Schluck aus der Flasche der Geschichte“, erschienen im Aufbau Verlag, die Hipsterszene der Hauptstadt durch den Kakao zieht. An seiner Seite der zweimalige BB Slam-Gewinner Julian Heun, dessen Roman „Strawberry Fields Berlin“ im vergangenen Jahr bei Rowohlt erschienen ist. Gastgeber des Finales sind Sarah Bosetti und Daniel Hoth. Gemeinsam wurden sie deutschsprachige Vize-Meister im Team und präsentieren die Berliner Slams Mano und Wort und Spiele, sowie die Lesebühne Couchpoetos.


Das letzte Wort hat das Publikum


So vielfältig wie die Szene ist auch das Teilnehmerfeld. Unter den Anwärtern auf den Titel befinden sich mit Lisa Eckhart und Julia Eckert zwei junge Damen, die die Fahne weiblicher Slam-Kultur hochhalten. Daneben gehen vergleichsweise alte Hasen ins Rennen, wie der Dresdner Schriftsteller und Kolumnist Michael Bittner oder der ehemalige deutsche Vizemeister Felix Römer, der seit über 15 Jahren auf der Bühne steht. Titelverteidiger ist Nick Pötter, der 2013 den BB Slam auch in der U20-Variante gewann. Ein Geheimfavorit ist Lars Ruppel, der mit seinem frisch erschienen Gedichtband "Holger, die Waldfee" für Furore sorgt. Doch das letzte Wort hat das Publikum und wer sich daran beteiligen möchte, der darf die Meisterschaft des gesprochenen Wortes nicht verpassen.


Poetry Slam Meisterschaft Berlin/Brandenburg 2014, 14. bis 16. 11. Tickets zwischen 6 und 13 Euro. Alle Zeiten und Orte unter bbslam.de



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