Nach dem Attentat auf dem Berliner Weihnachtsmarkt ist eine sicherheitspolitische Debatte entbrannt. Brauchen wir schärfere Gesetze? Nein, sagt Miltiadis Oulios in seinem Kommentar: Eine strengere Migrationspolitik bringt nicht mehr Sicherheit, sondern befördert nur die illegale Einwanderung.
Jetzt holt Bundesinnenminister de Maizière noch einmal das komplette Paket aus der Schublade. Wieder einmal soll eine verschärfte Ausländerpolitik mehr Sicherheit bringen.
Ja, ich wäre froh, wenn es gelungen wäre, Anis Amri abzuschieben, bevor er mit einem LKW in einen Berliner Weihnachtsmarkt fuhr und zwölf Menschen tötete. Aber mir gefällt es nicht, wie dieser Fall jetzt dazu genutzt wird, um schon bestehende Pläne für eine weitere Verschärfung des Asylrechts durchzusetzen.
Politiker stellen sich gerne in die Öffentlichkeit und fordern mit markigen Worten die Abschiebung von Straftätern und potentiellen Terroristen.
Dabei kehren sie unter den Teppich, dass bislang jede Verschärfung des Asylrechts vor allem auch Familien mit Kindern trifft. Aus Bayern zum Beispiel liegen Zahlen vor. Dort ist jeder dritte Abgeschobene unter 18. Die meisten Menschen schieben wir übrigens in die Balkanstaaten ab. Mit Terrorismusbekämpfung hat das nichts zu tun. Eher mit der Bekämpfung der Armen.
Nächster Punkt. Die Passbeschaffung. Nicht nur Terroristen wie Anis Amri - die meisten Flüchtlinge stellen ihren Asylantrag ohne einen Pass vorzuweisen. Und sie hüten sich davor, sich zu früh um einen neuen Pass zu bemühen, um nicht abgeschoben zu werden. Spätestens seit dem Asylkompromiss in den 90er Jahren ist es für viele kaum anders möglich, in die EU und nach Deutschland zu gelangen, um Schutz zu suchen. Und über Job und Ausbildung am Ende vielleicht doch ein Bleiberecht zu erhalten. Was meinen Sie, wie viele ansonsten unbescholtene Paketboten, Müllmänner oder Putzfrauen in Deutschland diesen Weg gewählt haben? Wie vielen dieser Menschen wollen wir demnächst mit einer Duldung zweiter Klasse diese Möglichkeit verwehren?
Übrigens - wir haben heute schon Gesetze, um Hassprediger und Gefährder auszuweisen. Auch nach Tunesien werden Kriminelle abgeschoben. Und ich habe in deutschen Abschiebegefängnissen Menschen besucht, die ganz ohne ein Gefährder zu sein, monatelang hinter Gittern saßen und auf ihre Abschiebung warteten. Beim Attentäter vom Breitscheidplatz haben die Behörden versagt, nicht die Gesetze.
Kann aber eine noch strengere Asylpolitik wirklich mehr Sicherheit bringen? Wir haben schon Zäune um Europa gebaut und lassen jedes Jahr mehr Menschen im Mittelmeer ertrinken. Hat uns das die erhoffte Sicherheit gebracht? Nein. Jetzt möchte der Bundesinnenminister gleich alle Bootsflüchtlinge, die im Mittelmeer aufgegriffen werden, nach Nordafrika zurückschicken. Wird uns das mehr Sicherheit bringen? Nein.
Eine strengere Migrationspolitik bringt weiterhin illegale Einwanderung hervor. Bei der dann am Ende nicht kontrolliert werden kann, ob auch gefährliche Menschen ins Land kommen.
(WDR 5 - 5. Januar 2017)