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Terror in Paris: Bei Mitgefühl gibt es kein "richtig" oder "falsch"!

Während Paris trauert, diskutieren wir auf Facebook darüber, ob blau-weiß-rote Profilbilder heuchlerisch sind oder nicht. Schluss damit! Wichtiger ist es, jetzt zusammenzuhalten, meine BRIGITTE.de-Redakteurin Michèle Rothenberg.


Wie viele andere habe ich in den letzten Tagen nach dem Terroranschlag in Paris fast ununterbrochen in mein Smartphone geschaut. Ständig auf der Suche nach Updates, nach Erklärungen, nach Trost. Und nach Zeichen, dass es eben nicht die ganze Welt ist, die schlecht ist. Sondern nur einige Wahnsinnige, die versuchen, sie schlechter zu machen.


Vor einigen Jahren noch hätten sich die Menschen in so einem Moment auf der Straße getroffen, Kerzen angezündet, Transparente gemalt und zusammen geweint. Heute färben viele ihre Profilbilder ein, sie posten Peace-Zeichen und Hashtags. Und werden dafür prompt angegriffen.


Warum nur? Ist das deshalb "schlechter"? Weniger ehrlich? Nicht echt? Nur weil die Frankreich-Flagge nicht auf die Backe gemalt ist, sondern "nur" virtuell ist? Im Lauf der letzten Tage nahm die Diskussion um Profilbilder und vermeintlich falsche Hashtags so viel Raum ein, dass sie das eigentliche Thema - dass 129 Menschen ihr Leben verloren haben und dieser Anschlag ein Angriff auf unser aller Freiheit ist - fast verdrängt haben. Und das ärgert mich.


Die Besserwisser schweigen nicht mal jetzt


"Geheuchelte Betroffenheit." - "Jeden Tag verhungern mehr Menschen in Afrika." - "Ein Hashtag hat noch niemandem geholfen." 

Wie schon bei den Charlie-Hebdo-Anschlägen hagelt es in den sozialen Netzwerken Kritik an den symbolischen Solidaritätsbekundungen. Sogar im Moment der Trauer, im Angesicht eines großen globalen Problems, müssen sich Menschen von Besserwissern wegen ein paar Farben angreifen lassen.


Kein Gradmesser für Mitgefühl

Ich denke: Wie anmaßend ist es, jemandem vorschreiben zu wollen, auf welche Art er Betroffenheit zeigt? Oder gar, ob es ernst gemeint ist? Wer will das überhaupt einschätzen? Es gibt doch keinen Gradmesser für Mitgefühl.


Natürlich ist es wichtig, auch auf die Opfer im Libanon und in der ganzen Welt aufmerksam zu machen. Aber keiner kann der Mutter aus Cloppenburg oder dem Frisör aus München vorwerfen, dass ihm die Opfer in einer europäischen Metropole mehr ans Herz gehen als Opfer eines Attentats in einem fernen Land. Es mag unfair sein, bezeichnend, ungerecht, aber es ist eben so. Wichtig ist doch, dass überhaupt etwas zu Herzen geht. Und dass die Aktionen aus den richtigen Motiven passieren.


Die Flut der rot-weiß-blauen Bilder tröstet

Ich selbst habe übrigens mein Profilbild nicht eingefärbt. Ich finde die Lage tatsächlich zu komplex, um sie auf die Farben einer Nation zu beschränken. Das ist meine persönliche Sicht. Dennoch tröstet mich die Flut an rot-weiß-blauen Bildern in meiner Timeline. Und jedes halbherzig gepostete Peace-Zeichen ist mir lieber als der bittere Kommentar eines Besserwissers. Die Symbole bringen nicht den Weltfrieden, aber sie setzen ein Zeichen. Sie zeigen: Die große Mehrheit der Menschen ist nicht böse. Gebt die Hoffnung nicht auf. Viele Franzosen haben sich dafür bedankt.


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