Kaum ein Film wurde dieses Jahr so sehr herbeigesehnt wie „Interstellar". Regisseur und Drehbuch-Coautor Christopher Nolan gilt seit seinen Meisterstreichen „Inception" und der jüngsten „Batman"-Trilogie als intelligente Schnittstelle zwischen Blockbuster- und Indiekino. Jeder seiner Hauptdarsteller ist hier Oscarpreisträger oder war zumindest nominiert. Doch vielleicht waren die Erwartungen zu überirdisch, denn der Trip ins Ungewisse ist nicht nur im wörtlichen Sinne oft zu abgehoben.
Das Leben auf der Erde scheint unmöglich zu werden. Durch die zerstörte Umwelt fallen die Ernteerträge immer knapper aus, am Ende ist nur noch Mais anbaubar. Als auch der nicht mehr zu retten ist, scheint alle Hoffnung verloren. Doch wie durch einen Zufall stolpert der Farmer und ehemalige Pilot Cooper (Matthew McConaughey, „Dallas Buyers Club") mitten in eine geheime NASA-Operation unter Leitung von Professor Brand (Michael Caine, „Gottes Werk & Teufels Beitrag"). Dieser hat ein Wurmloch entdeckt, durch das entfernte Galaxien plötzlich erreichbar werden - und somit auch potenziell bewohnbare Planeten. Witwer Cooper ist der perfekte Steuermann, also wagt er sich gemeinsam mit einem Team um Brands Tochter Amelia (Anne Hathaway, „Les Misérables") auf die Mission und lässt seine Kinder schweren Herzens auf der Erde zurück. Doch schon auf dem ersten Planeten kommt es zu Komplikationen, wegen der dort viel schneller ablaufenden Zeit vergehen in einer Stunde mehrere Erdenjahre. Coopers inzwischen erwachsene Tochter Murph (Jessica Chastain, „Zero Dark Thirty") verliert jede Hoffnung, ihren Vater jemals wiederzusehen. Doch der zweite Planet scheint bewohnbar...
Vom Produktionsdesign bis zum komplex von Nolan und dessen Bruder Jonathan erdachten Plot scheinen die Parallelen klar: der gebürtige Brite wollte ein „2001: Odyssee im Weltraum" (1986) für das neue Jahrtausend erschaffen, und in einigen Aspekten gelingt ihm das sogar. Das brillant bebilderte Abenteuer ist seltener auf große Showeffekte, als auf dichte Atmosphäre bedacht. Kilometerhohe Wellen, Eiswüsten, Staubstürme oder die unüberblickbare Weite des Alls - alles wirkt wie eine tiefe Mediation, gerade im Vergleich zum dagegen fast thrillerartig inszenierten Blockbuster „Gravity". Der bis in die letzte Rolle hochkarätig besetzte Cast macht seine Sache tadellos, auch wenn Anne Hathaway wieder - zu Unrecht - für ihre Rolle einigen Spott im Internet auf sich ziehen wird. Doch ja, es gibt in den knapp drei Stunden einige Szenen, die man sich einrahmen und an die Wand hängen möchte, die ins Filmmuseum gehören. Trotz der immensen Laufzeit hält „Interstellar" die Spannung bis zur Auflösung.
Warum er trotzdem nicht das erwartete Gesamtmeisterwerk geworden ist, liegt vor allem an der Handlung. Nolan ist bekannt dafür, die Charaktere eher zu vernachlässigen, zugunsten seiner ausufernden Storyverschachtelungen. In jedem technischen Dialog merkt man, wie sehr ihm und seinem Bruder an einem stimmigen Gesamtbild gelegen war, und dennoch strotzt die Handlung nur so vor offensichtlichen Logikfehlern oder im Kontext fragwürdigen Szenen. Das darf bei so hohem Anspruch und Talent der Autoren eigentlich nicht passieren. Hinzu kommt, dass diesem sehr intellektuellen Zugang einige fast märchenhaft kitschige Dialoge entgegenstehen, die fast ins Esoterische abdriften und eine Lichtjahre umspannende Kluft zwischen Gefühlsduselei und Techsprech entstehen lässt. „Interstellar" ist klug, aber nicht zu Ende gedacht, ist emotional, aber nicht anrührend. Gerade der letzten Stunde fehlt es eindeutig an Erdung, die Auflösung ist in ihrer Message sogar sehr fragwürdig. Nolans Drehbuch ist der größte Feind seiner wieder makellosen Inszenierung.
Der eigentliche Star des Filmes ist Soundtrackkomponist Hans Zimmer. Dessen ausnahmsweise nicht Streicherpomp verharrende Untermalung verschafft den wohlig epischen Momenten mit dröhnender Orgelmusik die nötige Dramatik und hebt die Kinoerfahrung von „Interstellar" letztlich im Gesamteindruck über seinen sonst recht durchwachsenen Eindruck. Ein musikalischer Geniestreich zu einem polarisierenden Film.
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