Was denkt Serienvater Hideo Kojima wohl über den neuen, ersten Teil ohne seine Unterstützung? Das ist zwar nicht öffentlich bekannt, aber klar ist: "Metal Gear Survive“ geht gänzlich andere Wege als der übliche Spionage-Action-Rollenspiel-Mix der Originale. Verrennt sich Entwickler Konami hier in einer Sackgasse?
Zeitlich angesiedelt ist die Handlung von "Metal Gear Survive" nach der kurzen Zwischenepisode "Metal Gear Solid V: Ground Zeroes". Sie verzichtet auf einen starken Hauptcharakter, stattdessen geht es um eine Handvoll überlebende Militärs, die sich in einer düsteren Paralleldimension wiederfinden und ums nackte Überleben kämpfen müssen. Hier tummeln sich nämlich zombieartige Wesen, die nicht viel von den Neuankömmlingen halten.
Weniger abgedrehte Filmsequenzen, mehr Bedürfnisse des kleinen Mannes
Der Fokus des Spiels sollte schon nach dieser Kurzbeschreibung klar sein: Es geht mehr ums "Survive"-Anhängsel, weniger bis gar nicht ums klassische "Metal Gear". Der Survival-Horror mit Taktikkomponente macht es kurz reinschnuppernden Spielern schwer, denn gerade der Einstieg gestaltet sich sperrig. Während man sich in den klassischen Episoden der Serie erst einmal stundenlang durch abgedrehte Videosequenzen aus dem exzentrischen Hirn Hideo Kojimas schaute, ist "Metal Gear Survive" ungewohnt – realistisch.
Der Held hat nämlich erst einmal Hunger. Und Durst. Müde wird er nach dem Dimensionsschock natürlich auch schnell, es ist ja überall so schlechte Luft, hust. Das heißt, es geht fernab von Pizzaboten und versteckten Rationen erst einmal – und immer wieder – auf die Jagd nach wilden Tieren. Das Wasser in der Wüstenwildnis ist zudem alles andere als sauber, also müssen Gegenstände hergestellt werden, mit denen es sich reinigen lässt. Erstaunlich viel Lebensnähe für eine Spielreihe, in der man früher einen Pappkarton zwecks Tarnung von jetzt auf gleich erscheinen lassen konnte. Lang, lang ist’s her ...
Geduld ist eine Tugend, die "Metal Gear Survive"-Spieler besonders benötigen
Ansonsten heißt es sammeln, sammeln, craften, sammeln und noch mehr craften, um ordentlich kämpfen zu können. Nur so lässt sich ein ordentliches Waffenarsenal aufbauen, mit dem sich den mal recht stumpfen, dann wieder gefährlicheren Zombiehorden Einhalt gebieten lässt. Diese stürmen nämlich immer wieder das mühsam erbaute Fort, das natürlich durch Zäune und Bretter verstärkt werden will. Immerhin lassen sich die Barrikaden im Inventar mittragen und schnell aufbauen (da wäre der Realismus wieder dahin), sodass bei jeder neuen Zombiewelle improvisiert werden kann und nicht sofort alles verloren ist.
Gerade anfangs gestaltet sich der Kampf gegen die mit roten Kristallen anstatt Köpfen aufwartenden Gegner anstrengend, denn mit Pfeil und Bogen oder Axt lässt sich nicht wirklich ein filmreifes Zombiemassaker wie etwa in "Resident Evil 2" mit Schrotflinte oder Magnum veranstalten. Nur gut, dass die dämlichen roten Kristallköpfe nicht besonders helle sind und recht stumpf auf die Barrikaden zu rennen. Geschicktes Schleichen wie etwa bei den fiesen Klickern aus "The Last of Us" ist hier nicht nötig: Einfach von hinten drangehen, wegmessern, fertig.
Wie die tägliche Schicht in der Fabrik – nur gefährlicher
Um voranzukommen, sollte aber nicht nur in den gruseligen Staubwind-Levelabschnitten oder in den Nebenmissionen gewildert werden. Die offene Spielwelt birgt viele Gefahren, daher lohnt es sich, zunächst in der Kampagne voranzukommen. Hier gibt es Bauanleitungen für allerlei nützliche Gegenstände und überlebensrelevanten Schnickschnack. Übrigens: Inzwischen was gegessen? Schon wieder durstig? Immer schön die Bedürfnisse des Helden im Auge behalten …
So entfaltet sich der "Metal Gear Survive"-Alltag als eine Mischung aus Taktieren, Haushalten, Sammeln und Kämpfen – ein Survival-Horror eben, wie er im Buche steht. Wer mag, kann sich auch im Online-Multiplayer versuchen, denn hier gibt es teilweise saftige Belohnungen für absolvierte Missionen. Das ist aber nicht nötig, im Singleplayer kommen auch ohne Mitspieler auf ihre Kosten.
XXL-Staubwurm als neuer fieser Obermotz
Anstatt haushoher Kampfroboter ist das größte Übel der Gegnerwellen in "Metal Gear Survive" der Lord of Dust, eine wurmartige Riesenkreatur, die gut was kaputtmachen kann. Mit den mannigfaltigen, hyperkreativen Bossgegnern der Serie, wie Psycho Mantis, The End oder Metal Gear Ray, kann das Gewürm freilich nicht mithalten. Die Atmosphäre des Spieles ist dennoch stellenweise wegen der konstanten Bedrohung sehr dicht. Wer "Metal Gear" aber wegen der cineastischen Atmosphäre und absurden Einfälle schätzt, hat es hier schwer.
Nicht zuletzt deshalb haben die Entwickler wohl Hideo Kojima in einer versteckten Nachricht Tribut gezollt. Fast könnte man dies als vorzeitige Kapitulation vor dem Schatten der Legende deuten, denn der neue Titel hatte es schwer und stand schon vor Release heftig in der Kritik – auch wegen Mikrotransaktionen, die absurde Formen annehmen: Ein weiterer Charakter-Speicherplatz für 10 Euro? Was zur Hölle, Konami?
Fazit
Wie schon "Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain" setzt auch "Metal Gear Survive" auf die Fox-Engine und dieses solide technische Grundgerüst hält auch hier noch ganz okay durch. Das Craften und Verteidigen macht mit voranschreitender Spieldauer auch immer mehr Spaß. Wer das tägliche Grinden, also hier das Sammeln, Bauen und Verteidigen, für immer bessere Gegenstände, nicht scheut, wird mit "Metal Gear Survive" gut unterhalten. Von einem tatsächlichen "Metal Gear" ist dieses eigenwillige Spin-Off aber meilenweit entfernt – und leider auch von dessen kreativer Klasse.
Original