Die Geschichte der Band hinter zeitlosen Hits wie "Enjoy The Silence", "Personal Jesus", "Walking In My Shoes" und "It's No Good" könnte inzwischen mehrere Bücher füllen. Depeche Mode wurden 1981 gegründet. Mehr als 100 Millionen Tonträger haben die Briten Dave Gahan (Gesang), Martin Gore (Keyboards, Gitarre, Gesang) und Andy Fletcher (Keyboards) seitdem verkauft. Sie traten vor rund 30 Millionen Zuschauern weltweit auf. Beschäftigt man sich mit DM, muss man sich die verschiedenen Phasen der Band anschauen, um hinter ihren fortwährenden Erfolg zu kommen.
Da gibt es die frühen Depeche, die zur Geburtsstunde der populären elektronischen Musik als junge Burschen glückliche Volltreffer wie "Just Can't Get Enough" und "Everything Counts" landeten. Nach den naiv klingenden ersten Jahren schälte sich immer mehr ein reifer Sound heraus. Ihren ersten Höhepunkt erreichte die Band ab Mitte der 80er mit den Alben "Black Celebration" und "Music For The Masses". Ob "Stripped" oder "Never Let Me Down Again" - auf jedem Album hatten die Männer Hits, die sich im Zeitgeist einbrannten.
Ihren absoluten Karrierehöhepunkt, da sind sich die meisten Fans und Kritiker einig, erreichten sie mit "Violator" 1990, inklusive ihrer größten Hits "Enjoy The Silence" und "Personal Jesus". Hier füllten die Briten mit ihren Konzerten schon ganze Stadien und Sänger Dave Gahan rutschte wegen des Ruhms immer weiter in eine lebensgefährliche Drogensucht ab. In den 90ern vergrätzten sie dann auch einige alte Fans, denn Gitarren hielten immer öfter Einzug in den Sound der Band, was ihrer kommerziellen Popularität und Songqualität aber nicht schadete.
"Songs Of Faith And Devotion" sowie "Ultra" haben einige der besten Lieder Depeche Modes vorzuweisen, was vor allem am charismatischen Songschreiber Martin Gore liegt. Er ist der eigentliche Kopf hinter DM und blieb immer besonnen genug, um die Band fortwährend am Leben zu halten. Im Laufe der 2000er fand Depeche Mode dann wieder zu einem elektronischeren Sound zurück, was 2009 in dem Synthie-Retroalbum "Sounds Of The Universe" gipfelte. Seitdem hat sich der Klang des Trios bei einer Mischform aus organischen und elektronischen Instrumenten eingependelt.
Wenn man sich so geschickt am Puls der Zeit entlang hangelt wie Depeche Mode, reichen gut geschriebene Songs nicht aus, es steht und fällt mit dem Sound. Um den zeitgemäß hinzubekommen, holten sie sich dieses Mal James Ford von Simian Mobile Disco ins Boot, der zuletzt etwa an Alben von Florence + The Machine, Arctic Monkeys und Foals mitarbeitete. Und ja, verglichen mit dem etwas muffigen und uninspirierten "Delta Machine" von 2013 klingt "Spirit" deutlich direkter und frischer, dabei aber unverkennbar nach Depeche Mode.
Ungewohnt ist, dass sich in der ersten Single "Where's The Revolution?", dem Eröffnungstrack "Going Backwards" oder auch "Poorman" und weiteren Liedern direkt gegen politische und gesellschaftliche Missstände gewandt wird. Normalerweise ging es im Kosmos des Trios eher um (meist gescheiterte) Beziehungen und persönliche Tragödien und Höhegefühle. Jetzt klagen Gahan und Gore über die ungerechte Lohnverteilung, Verrohung durch technische Innovationen und mangelndes politisches Engagement. Man kann sagen, dass in der Welt wirklich etwas im Argen liegen muss, wenn selbst Depeche Mode diese Themen so breit ausgewälzt beackern.
In diesen und auch vielen anderen Momenten erinnert Fords Produktion frappierend an Gores Soloplatten, besonders die exzellente zweite "Counterfeit"-Sammlung von 2003. Der Sound steht auch Depeche Mode gut zu Gesicht, gerade im Kontext mit typischen, eher gitarrengetriebenen Elektro-Soul-Nummern wie etwa "Poison Heart". "So Much Love" pulsiert dann wieder als agiles Synthie-Brett durch die Verstärker und wird vor allem live hervorragend funktionieren. "Spirit" ist ein Grower - nur mit einem Hördurchgang erschließt sich das Album nicht, und ist dennoch um Weiten interessanter und gehaltvoller komponiert als der Vorgänger "Delta Machine".
Fazit: Eine sanfte Frischzellenkur
Die großen Hits fahren Depeche Mode auf "Spirit" zwar nicht auf. Aber anstatt auf die vorherrschende Retro-Elektro-Welle aufzuspringen, modernisieren sie ihren Sound und verkleiden mit ihm eine Menge Gesellschaftskritik. Das muss man nicht gut finden, aber schon den Fakt, dass es das akustisch interessanteste und in sich stimmigste Depeche-Mode-Album seit mehr als zehn Jahren ist.
Wertung: 4 von 5