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Der Bedrohliche, der Verletzliche und der Zärtliche

Alan Rickman als Severus Snape in den "Harry Potter"-Filmen

" The sun ain't gonna shine anymore ", singt der Mann mit der Hakennase, der hohen Stirn, dem eleganten Schnauzbart und dem freundlichen Blick voller Inbrunst, während er auf seinem Cello zupft und Juliet Stevenson ausgelassen um ihn herumtanzt. Fröhlich wirkt der Mann und ausgelassen als er sich mit seiner Geliebten unter dem Piano versteckt, als es an der Tür klingelt.


Der Cellist Jamie in "Wie verrückt und aus tiefstem Herzen" (1990) ist vielleicht nicht die erste Rolle, an die man denkt, wenn man sich den britischen Schauspieler Alan Rickman ins Gedächtnis ruft. Rickman steht für ein distanziertes Spiel, für die Rolle des Bösewichts mit Profil, mit Charisma und Geschichte. Man musste diese Hintergrundgeschichte gar nicht erfahren, um aus seinem Gesicht zu lesen, dass sie da war und - in den meisten Fällen - schmerzte. Zwischen bedrohlich und verletzlich pendelte sein Spiel und natürlich war seine Rolle des Professor Severus Snape in den " Harry Potter "-Filmen archetypisch dafür. Mit seinem undurchsichtigen Minenspiel war er ideal für die Besetzung des tragischen Helden. Man kaufte es Rickman ab, den ekligen Fiesling, der sein Leben aus bedingungsloser Liebe in den Dienst einer größeren Sache gestellt hat. Snapes Wandlung ist zu Beginn der Handlung streng genommen bereits vollzogen und doch ist der misanthrope Professor eine der wenigen Figuren, die vom Buch in den Film an Nuancen noch gewonnen haben - dank Rickmans Spiel.


Doch Rickmans Leistungen reichten darüber hinaus. Seine Kinokarriere begann erst 1988, als Rickman bereits 42 Jahre alt und ein renommierter Broadway-Schauspieler war. Als Terrorist Hans Gruber im ersten "Stirb Langsam"-Film war er es, der Bruce Willis One-Liner-Geballer eine psychologische Tiefe entgegensetzte, die den Film zu einem Klassiker des Genres werden ließen. Ein Bösewicht zwar, aber kein Rohling, sondern ein Überzeugunstäter, der mit nobler Distinguiertheit auftritt. Als geifernder Sheriff von Nottingham in "Robin Hood - König der Diebe", der zitternd "Ich schneide Euch Euer verdammtes Herz mit einem Löffel heraus!" hervorpresste, zeigte er, dass selbst over the top in seinem Repertoire nicht fehlte. So expressiv wie in dieser Rolle sah man ihn selten. Rickmans Spiel war oft minimalistisch, doch umso intensiver machte er selbst geringste Schwankungen wahrnehmbar, wenn etwa seine knarzige Stimme von gütiger Wärme in Arroganz umschwang. Welten liegen zwischen seinen, aus zusammengebissenen Zähnen in höchster Verachtung hervorgeschobenen, "Potter!" und dem liebevoll dahingesäuselten "I love you truly, madly, deeply, passionately" in "Wie verrückt und aus tiefstem Herzen". Ebenso schnell konnte seine beherrschte Mimik in Sekundenschnelle in schwer erträglichen Schmerz zerfallen. Das zeigt sein Zusammenbruch am Küchentisch der autistischen Linda (Sigourney Weaver) im Drama "Snowcake" (2006), einer seiner vielleicht unterschätztesten Rollen. Oder die herzzerreißende Szene als er in "Das Parfum" als Richis trotz aller Vorkehrungen seine von Jean-Baptiste Grenouille ermordete Tochter auffindet.


Rickman hinterlässt der Filmwelt tragische Figuren, vielschichtige Charaktere aber auch fragile Momente von Zärtlichkeit und Wehmut. Am 14. Januar ist Alan Rickman im Alter von 69 Jahren gestorben.

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