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Der Wassermann: Florian Huber taucht durch die Weltmeere

So richtig gefährlich wurde es zum Glück erst einmal, in einer unterirdischen Höhle mitten im mexikanischen Dschungel. Florian Huber, fasziniert von der Entdeckung eines prähistorischen Fischskeletts, bemerkt plötzlich, wie die Decke der Höhle zu bröckeln beginnt – ausgelöst durch die Ausatemluft der Taucher. „Plötzlich war die Sicht weg, das Wasser trübte sich“, erinnert er sich. „Wir haben uns dann schnell an der Sicherheitsleine rausgezogen.“ Alles ging gut. „Unter Wasser ist – toi toi toi – noch nie etwas Schlimmes passiert“, sagt Huber. Erstaunlich, mag man meinen, wenn man ihm eine Weile lauscht. Denn sein Job ist Abenteuer pur, bietet immer wieder neue Herausforderungen und körperliche Grenzerfahrungen. Der Mann ist Forschungstaucher und Unterwasserarchäologe.

Seit 15 Jahren ist er in den Meeren, Seen und Höhlen dieser Welt unterwegs – oft gemeinsam mit seinen vier Kieler Kumpels, die er während des Studiums kennenlernte. Gemeinsam tauchen sie unter dem Namen Submaris für Forschungseinrichtungen, Behörden, Umweltschutzorganisationen, technische Büros, Firmen und Medien. Sehr erfolgreich, wie die vollen Auftragsbücher zeigen.


Zahlreiche Tauch-Aufträge


Eine kleine Kostprobe: Demnächst geht es nach Helgoland, um eine neue Terra-X-Folge über ein U-Boot, das einst auf mysteriöse Weise vor der Hochseeinsel sank, für das ZDF zu drehen. Zwischendurch stehen ein paar Vorträge und Recherche in verschiedenen deutschen Städten an, bevor es schließlich erst auf die finnischen Åland-Inseln und dann nach Mauritius geht. 175 Tage war er im Vorjahr unterwegs, in diesem Jahr wird es wohl nicht weniger werden.

Dabei treibt ihn vor allem eines: „Da unten liegt unsere komplette Geschichte aus 10.000 Jahren Vergangenheit. Aber eben unter Wasser und für die meisten unsichtbar. Ich will diese Geschichten mit nach oben bringen.“ Er sieht sich als Botschafter der Unterwasserwelt, macht eindrückliche Aufnahmen, die er im Anschluss zu spannenden Vorträgen oder Büchern ausarbeitet.


Tauch-Leidenschaft mit 13 entdeckt


Im Alter von 13 Jahren hat der gebürtige Bayer mit dem Tauchen begonnen und war sofort Feuer und Flamme. Archäologie hingegen fand er damals noch ziemlich öde. Bis er die ersten J.R.R. Tolkien-Bücher verschlang und Metal-Musik für sich entdeckte. „Bei Tolkien geht es viel um Mythologie, Metal-Bands singen über Fantasy- und Historienquatsch – da wollte ich mehr drüber wissen“, erinnert er sich.

Den Ausbildungsvertrag zum Hotelfachmann im Münchner Hilton ließ er platzen, nachdem er in der Wartezeit in das Studium der Frühgeschichte reingeschnuppert und darin seine Erfüllung erkannt hatte. Über mehrere Zwischenstationen landete Huber schließlich an der Kieler Uni, weil er sich dort auf Unterwasserarchäologie spezialisieren konnte. „Das war perfekt, weil ich den Spaß am Tauchen mit dem Studium verbinden konnte.“


Faszination Schiffwracks


Schiffswracks faszinieren ihn besonders. Die Unesco schätzt, dass weltweit drei Millionen gesunkene Kähne auf den Meeresböden liegen. Für Florian Huber sind das „drei Millionen spannende Geschichten“. 25 davon hat er bereits quasi vor seiner Haustür in der Kieler Förde untersucht – aus reinem persönlichen Interesse. Da wird das Boot vermessen, Ladung inspiziert, Material zur Probe entnommen und später anhand von Archivarbeit das Baujahr rekonstruiert. „Mir ist es immer wichtig, auch richtig zu forschen. Ich bin kein Fake-Wissenschaftler“, sagt der 42-Jährige. „Man muss aufpassen, nicht als Indiana Jones von Terra X abgestempelt zu werden.“

Doch für ihn ist wichtig, Wissenschaft nicht in der stillen Kammer unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu betreiben, sondern alle teilhaben zu lassen. Und da kommt ihm natürlich zu Gute, dass immer eine ordentliche Portion Abenteuer mit dabei ist. Huber kann aus einem großen Erfahrungsschatz schöpfen. Wenn er ins Erzählen gerät, gerät er auch ins Schwärmen – beste Voraussetzungen, um bestens zu unterhalten.

Da war zum Beispiel diese Situation auf einer kleinen Insel in Mikronesien, mitten im Pazifik. Dort sollte gedreht werden – doch plötzlich stellte sich der dortige König quer, der sich als Drehgenehmigung eine Flasche Weißwein sowie 1000 Dollar auf einem Bananenblatt serviert erbat. Und von Huber und seinem Taucherteam bekam. „Unsere romantische Vorstellung eines Südsee-Königs wurde herbe enttäuscht“, berichtet er. Dennoch ist es weiterhin der Pazifik, größer als alle Kontinente zusammen, der ihn am meisten beeindruckt. „Was es da unten noch alles zu entdecken gibt. Ich sage immer: Das Meer ist unerforschter als der Mond – und das größte Museum, was wir haben.“


Spuren des Klimawandels Unterwasser deutlich zu sehen


Umso trauriger, dass er bei vielen seiner Tauchgänge die Auswirkungen von Klimawandel und Umweltzerstörung jedes Jahr deutlicher sieht. Im Mittelmeer gebe es kaum noch einen großen Fisch, auf den Malediven schreite die Korallenbleiche mit erschreckender Geschwindigkeit voran, die Sichtweite in der Ostsee werde immer schlechter – während es mal bis zu 15 Meter waren, seien heute ein bis zwei Meter die Norm – wegen des hohen Düngereintrags. Auch diese Bilder müssen an die Oberfläche, dafür sorgt der tauchende Wissenschaftler.

Dass er einen Traumjob hat, daran lässt er keinen Zweifel. Doch es ist auch harte Arbeit. Das Geschleppe der 70 Kilogramm schweren Tauchausrüstung, ständige Diskussionen über das Gepäck am Flughafen – wenn die Unterwasserlampe mal wieder für eine Bombe gehalten wird – und anstrengende Drehs, die auch mal 18 Stunden dauern können. Überhaupt das Tauchen: So faszinierend die Eindrücke auch sind, so sehr strengt es den Körper auch an. Dennoch: „Für mich ist diese Arbeit ein Segen“, sagt Florian Huber. Und fügt mit einem Schmunzeln hinzu: „Ich könnte niemals in einem Sakko im Großraumbüro sitzen.“ 

– Quelle: https://www.shz.de/19644161 ©2018



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