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Saudi-Arabien – Die Reserven schwinden

Saudi-Arabien – Die Reserven schwinden

Die Preise für Erdöl sind seit Beginn der Corona-Pandemie auf historisch niedrigem Niveau. Während in der Branche die Hoffnung wächst, dass noch in diesem Jahr eine Erholung des Marktes möglich ist, zeigt ein Blick nach Saudi-Arabien, wie weitreichend die Folgen der Krise sein könnten. -- Veröffentlicht am 15.05.2020

Der bislang größte Börsengang der Welt scheint lange her. Als der saudische Staatskonzern Aramco im Dezember den Gang aufs Parkett wagte, stellte er mit den eingespielten rund 25 Milliarden US-Dollar einen neuen Rekord auf. Nun, im Zuge der Coronakrise, muss auch der größte Mineralölkonzern der Welt negative Nachrichten vermelden. Im ersten Quartal 2020 ist der Gewinn des Unternehmens um rund ein Viertel auf 16,7 Milliarden US-Dollar eingebrochen. Die Zahlen sind besser als bei manch internationalem Unternehmen wie Shell, das Ende April Verluste meldete. Doch die Entwicklung bei Aramco gibt zu denken: Öl ist die größte Einnahmequelle des Landes. Die Auswirkungen könnten langfristig die Innenpolitik, Wirtschafts- und Außenpolitik Saudi-Arabiens treffen und werfen Fragen über die Zukunft des Landes auf.

Die führende Ölmacht hat vor dem Hintergrund des niedrigen Ölpreises und der Coronakrise mit der Ankündigung eines umfangreichen Sparprogramms und einer drastischen Steuererhöhung reagiert. Vom 1. Juli an soll die Mehrwertsteuer im Königreich von derzeit 5 auf 15 Prozent verdreifacht werden, berichtete die Nachrichtenagentur Saudi Press Agency vergangene Woche. „Das saudische Regime hat in den letzten Jahren schon versucht, mit Kürzungen auf sinkende Ölpreise zu reagieren“, sagt Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Doch sagt er auch: „Wir beobachten die dramatischste Finanzlage Saudi-Arabiens seit 1945.“

Die saudischen Rücklagen schmelzen

Entsprechend nervös vernehmen die Märkte in Saudi-Arabien die Lage. Zuletzt hatte die inländische Börse mit einem massiven Kurssturz auf die Ankündigung „schmerzhafter“ Corona-Maßnahmen der Regierung reagiert. Einen Tag, nachdem Finanzminister Mohammed al-Dschadaan „drastische“ Schritte ankündigte, um Haushaltslöcher zu stopfen, stürzten die Aktienmärkte wenige Minuten nach Handelsbeginn um 6,8 Prozent ab.

Auswirkungen hat die Lage bereits auf die Rücklagen des Staates. Schon vor der Coronakrise und dem Preiskrieg zwischen Russland und Saudi-Arabien bewegten sich die Ölpreise längerfristig auf einem niedrigen Niveau. „Der Rückgang am Bruttoinlandsprodukt ist enorm“, sagte Steinberg. Zwar hatte das Regime vor der Krise große Rücklagen von rund 500 Milliarden US-Dollar. Doch würden diese angesichts der Ölpreiskrise und der Coronavirus-Pandemie stark in Anspruch genommen werden. Denn der Anteil des Öls an den Ausfuhren ist groß: 2018 exportierte das Land laut Statistischem Bundesamt Waren im Wert von 295 Milliarden US-Dollar. 78,6 Prozent davon machten Mineralische Brennstoffe, Mineralöle und dessen Erzeugnisse aus.

„Großprojekte werden zurückgefahren oder verschoben“

Infolge des Einnahmenrückgangs werden die Folgen auch in der Außenpolitik des Landes sichtbar sein: „Saudi-Arabien verliert in der Krise wichtige Handlungsoptionen“, sagte Steinberg. Zu denken sei dabei an den Umbau der Wirtschaft, den teuren Krieg im Jemen oder die Unterstützung von Verbündeten seit dem Beginn des arabischen Frühlings vor neun Jahren. „All das wird nun schwieriger“, so Steinberg weiter. „Großprojekte werden aller Voraussicht nach entweder zurückgefahren oder verschoben.“
Auch die internationale Transformation der Energiesysteme muss das Land nun im Blick haben: „Wenn die Industriestaaten angesichts der Wirtschaftskrise ihre Abkehr von fossilen Brennstoffen beschleunigen, hat das drastische Folgen für Saudi-Arabien. Dem Land fehlt die Zeit zur Umstellung“, sagte Steinberg. Ein Beispiel für die bereits in die Wege geleitete Transformation seien die Vereinigten Arabischen Emirate. Die Emirate arbeiten tatsächlich schon länger am Umbau ihrer Wirtschaft, an dem Aufbau globaler Städte, handelsreichen Häfen und Flughäfen, dem Aufbau des Tourismus und nicht zuletzt an einer Diversifizierung des eigenen Energiesystems. Abu Dhabi und Dubai bauen etwa an den größten Solarparks der Welt, Abu Dhabi steigt zudem in die Kernenergie ein.

OMV-Chef hofft auf Erholung der Ölpreise

Schwer könnten auch die innenpolitischen Folgen in Saudi-Arabien sein, hat das Königshaus doch einen absoluten Machtanspruch auf seine Untertanen. „Die Sparmaßnahmen sind heikel. Das gesellschaftliche Modell samt großzügiger finanzieller Ausstattung der Bevölkerung, gerät nun massiv unter Druck“, sagte Steinberg. Auch in der letzten Niedrigpreisphase zwischen 1985 und 2002 war etwa ein langsames Anwachsen innenpolitischer Opposition zu erkennen, erkennbar vor allem in der islamistischen Bewegung. Angesichts der innenpolitischen Maßnahmen aber auch der Ankündigung einer neuen einseitigen Kürzung der Fördermengen sagt Steinberg nun: „Das Regime zeigt sich nervös und damit weniger stabil als unter den Vorgängern von Mohammed bin Salman.“

Die internationalen Märkte reagieren auch positiv auf Ankündigungen aus dem ölreichen Land. Vergangene Woche etwa zogen die Ölpreise wieder an, nachdem Saudi-Arabien weitere Förderkürzungen in Höhe von einer Million Barrel pro Tag ankündigte. Der Grund für die Wertentwicklung war wohl, dass die ab Juni geltende Drosselung zu den bereits von den Opec-Ländern und ihren Verbündeten beschlossenen Maßnahmen dazu kommt. Diese einigten sich Mitte April mit Russland und den USA auf Mengenbeschränkungen. Rainer Seele, Vorstandschef des Wiener Erdöl- und Gaskonzerns OMV, sieht derzeit sogar erste Zeichen einer Belebung für das schwer gebeutelte Geschäft und hofft auf eine Erholung der Ölpreise. „Es gibt Tendenzen, dass wir auf ein vernünftiges Ölpreisniveau zurückkehren, wie zum Beispiel die Bereitschaft der Produzenten doch sehr deutlich die Produktion zurückzunehmen“.