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Startups: Rückenwind durch Corona | DW | 25.03.2020

Abertausende Menschen nutzen sie fortwährend: Rolltreppen in Flughäfen, Bahnhöfen und Kaufhäusern. Sie sind wahre Keimschleudern. Sich deswegen nicht festzuhalten, ist aber auch keine gute Idee. Katharina Obladen und Tanja Nickel entwickelten deswegen eine chemiefreie Desinfektion für die Handläufe: Ein Modul bestrahlt sie beim Durchlauf stetig mit UV-Licht. Die Strahlen im UV-C-Spektrum töten Bakterien, Schimmelpilze und Viren.

Wie wirksam die altbekannte Desinfektionstechnologie speziell gegen das Covid-19-Virus ist, kann Obladen noch nicht sagen, weil die Labore derzeit überlastet sind. "Aber es gibt eine sehr hohe allgemeine Wirksamkeit."

Nickel und Obladen waren noch Schülerinnen, als 2010 die Schweinegrippe grassierte. Das Thema Hygiene war da plötzlich hochaktuell. Ein befreundeter Techniker half den beiden, einen Prototypen zu bauen. Sie gewannen damit einen Ideenwettbewerb und gründeten 2016 UVIS (UV- Innovative Solutions GmbH) in Köln. Das patentierte Modul verkaufen sie inzwischen in ganz Europa und bis nach Australien. Rolltreppenhersteller bauen es in ihren Anlagen ein, auch bestehende Anlagen lassen sich nach UVIS-Angaben nachrüsten.

Katharina Obladen und Tanja Nickel mit ihrem UV-Licht-Modul für Rolltreppenhersteller

Beschichtung für die Griffe von Einkaufswagen

Bereits in den ersten Monaten des laufenden Jahres hat das Startup unverhofft den geplanten Jahresumsatz erreicht. "Insbesondere die Nachfrage aus dem asiatischen Raum ist exponentiell gestiegen", sagt Obladen: "Bald geht die erste Lieferung nach Singapur raus." Das Lager sei bereits leer. Um die Aufträge abarbeiten zu können, fertigen neben den fünf festen Mitarbeitern zahlreiche Aushilfskräfte die Module. "Wir haben uns Unterstützung im Familien- und Freundeskreis geholt. Bei den Studierenden ist die Uni ausgefallen, also haben sie Zeit für uns", erzählt Obladen.

Zufällig haben die Hygiene-Expertinnen außerdem Anfang des Jahres ein weiteres antimikrobielles Produkt ins Programm genommen. Sie vertreiben exklusiv die Beschichtung eines deutschen Herstellers, die aktuell auch wie 'geschnitten Brot' weggeht. Damit sollen schwer zu reinigende oder sensible Oberflächen desinfiziert werden.

In einem Kölner Supermarkt seien zum Beispiel die Griffe der Einkaufswagen und die Karten-Lesegeräte damit beschichtet worden. Die Lösung aus Wasser und Titandioxid töte so gut wie alle Keime ab, der Corona-Test laufe gerade, versichert Obladen. Der Oberflächenschutz funktioniere auf Glas, Metall oder Plastik, müsse jedoch von geschultem Personal aufgetragen werden. "Er ist besonders in Deutschland sehr gefragt und wir haben eine lange Liste für unseren Beschichtungsservice."

Lern-Apps und Spieleanleitungen

"Bei uns wirkt sich die Krise sehr positiv aus: Vorher hat kaum jemand über öffentliche Hygiene nachgedacht", sagt die Gründerin. Aber auch einige andere Branchen bekommen plötzlich Rückenwind. Etwa alles, was hilft, Kinder, die daheim festsitzen, zu unterrichten oder zu unterhalten. Die Zugriffszahlen von Lern-Apps wie Skills4school und Sharezone sind hochgeschnellt. "Wir hatten bislang immer 300 bis 500 Nutzer pro Tag - seit vergangener Woche locker bis zu fünf Mal mehr", sagte Nils Reichardt von Sharezone dem Online-Magazin Gründerszene. Zu dieser Zeit saßen die Schüler und Schülerinnen seit wenigen Tagen zuhause. Er rechnet weiterhin mit starkem Wachstum: Die Schulen würden gerade erst anfangen, sich Gedanken über Online-Tools zu machen.

Quarantäne Kids, eine frisch gegründete Plattform für Spielideen, verzeichnete innerhalb kurzer Zeit mehrere Tausend Abonnenten. Die Schwestern Ruth und Anne Löwenstein posten täglich Bastelbögen und Spielanleitungen für kleine Kinder zum Herunterladen. Ihre Ideenpost ging dermaßen viral, dass die beiden überlegen, wie aus dem Hobbyprojekt ein Geschäftsmodell werden kann.

Die Erwachsenen brauchen ihrerseits entsprechende Tools für ihr Homeoffice. Startups wie Uniki und Filestage liefern Infrastruktur und Apps, um aus der Ferne gemeinsam an Projekten zu arbeiten. In der Krise zeigt sich zudem, was alles an Flexibilität plötzlich möglich ist. Das werden viele Angestellte wahrscheinlich später nicht missen wollen.

Digitales Arbeiten und Lernen, Gesundheits- und Fitness-Apps helfen, die 'soziale Distanz' zu wahren. Es gibt jedoch auch handfeste Produkte, die derzeit reißenden Absatz finden. Ein spezielles Beispiel ist Happypo: Das Startup entwickelt und vertreibt sogenannte Po-Duschen für die Intimreinigung mit Wasserstrahl. "Wir haben unseren Umsatz versiebenfacht", so Gründer Oliver Elsoud Mitte März gegenüber der Gründerszene: "Unser Online-Shop geht durch die Decke." Auch die Verkäufe in den Drogeriemärkte nahmen zu. Grund: Mit der Po-Dusche lässt sich Toilettenpapier sparen.

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